© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 33/23 / 11. August 2023

Wirtschaftswunder-ABC
Was es für eine Rückkehr Deutschlands in die Erfolgsspur wirklich brauchte
Ulrich van Suntum

Ein neues Wirtschaftswunder hatte Olaf Scholz vollmundig versprochen. Stattdessen ist Deutschland aber weltweit Letzter beim Wirtschaftswachstum und versinkt immer tiefer im Sumpf lähmender Stagnation. Einmal angenommen, wir bekämen eine neue Mitte-Rechts-Regierung wie in vielen anderen europäischen Ländern – wie könnte dann ein wirtschaftspolitisches Programm aussehen, um Deutschland wieder auf Erfolgskurs zu bringen? Dafür sind im wesentlichen fünf Großbaustellen zu bearbeiten, die bei entsprechendem politischen Willen durchaus zu bewältigen sind.

A wie Atomkraft: Kein anderes Land war so närrisch wie Deutschland, mitten in der Energiekrise auch noch seine letzten Atomkraftwerke abzuschalten. Im Gegenteil, überall in der Welt erleben wir derzeit eine Renaissance der Kernenergie, so zum Beispiel in den Niederlanden, in Schweden und sogar in Japan. Denn Kernkraft ist nicht nur CO2-neutral, preiswert und zuverlässig, sondern trotz Tschernobyl und Fukushima die unfallärmste Energiequelle überhaupt.

Als erstes sollte eine neue Regierung daher den Atomausstieg rückgängig machen. Nach einer kürzlich veröffentlichten Studie des amerikanischen Beratungsunternehmens Radiant Energy Group wäre das Wiederanfahren von acht deutschen Kernkraftwerken durchaus möglich. Damit könnte fast doppelt soviel Strom bereitgestellt werden, wie derzeit Windkraft und Photovoltaik zusammen leisten. Statt 120 Euro wie derzeit bei der Kohle würde die Megawattstunde Strom dann nur noch 21 Euro kosten, hat der Ökonom Daniel Stelter errechnet. Und dies wäre eine echte Verbilligung und keine bloße Subventions-Spiegelfechterei, wie sie derzeit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit seiner „Industrie-Strompreisbremse“ plant.

B wie Bürokratie: Ein rohstoffarmes Land mit hohen Kosten kann es sich nicht leisten, Investoren auch noch durch eine Unmenge an staatlichen Vorschriften und Dokumentationspflichten abzuschrecken. In der Liste der 20 besten Länder für eine Unternehmensgründung im Jahr 2022 des U.S. News & World Report taucht Deutschland überhaupt nicht auf, anders als etwa Frankreich und Großbritannien. Denn die deutsche Politik setzt immer stärker auf planwirtschaftliche Vorgaben anstelle marktwirtschaftlicher Lenkungsmechanismen. Wenn dann noch überzogene Umwelt- und Sicherheitsvorschriften und die EU-weit höchsten Steuer- und Abgabenlasten hinzukommen, vergeht den Unternehmen die Lust, zu investieren. Auch die öffentliche Infrastruktur leidet unter dem Regulierungswahn. Oft vergehen Jahrzehnte, bis zum Beispiel eine Umgehungsstraße genehmigt und gebaut wird. Wären wir nach dem Krieg genauso bürokratisch vorgegangen wie heute, hätte es ein deutsches Wirtschaftswunder nie gegeben. Hier müssen dringend wieder Maß und Mitte einkehren.

C wie CO2-Einsparung: Deutschlands Klimaschutzpolitik bedroht nicht nur unseren Wohlstand, sondern nützt in Wahrheit auch dem Klima nichts. Denn was wir an fossiler Energie einsparen, wird anderswo in der Welt um so mehr verbraucht. Deutschland hat seit 1990 seine CO2-Emissionen um 37 Prozent reduziert, aber zeitgleich sind sie in der Welt um 63 Prozent gestiegen. Wenn Deutschland wirklich einen nennenswerten Beitrag dazu leisten will, diese Entwicklung zu stoppen, sollte es ganz anders vorgehen als bisher, sagt der frühere Präsident des Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Entweder müßte man alle wichtigen CO2-Sünder wie zum Beispiel China mit ins Boot holen, was derzeit illusorisch ist. Oder Deutschland müßte das Angebot an fossilen Energieträgern verknappen, indem es seine Kohle im Boden läßt. Denn die globale Menge an fossilen Energieträgern ist begrenzt, und was davon nicht auf dem Weltmarkt angeboten wird, kann auch kein CO2 freisetzen. Habecks Politik, alles zwangsweise auf Strom umzustellen und dafür deutsche Braunkohle zu verfeuern, erhöht deshalb sogar den weltweiten CO2-Ausstoß. Eine neue Regierung könnte diesen Irrsinn stoppen, zumal ohnehin niemand weiß, wo all der Strom für die vielen E-Autos und Wärmepumpen herkommen soll.

D wie Demographie: Trotz Wirtschaftsflaute fehlen derzeit überall Arbeitskräfte, selbst für einfache Tätigkeiten. Das liegt auch an der überalterten Gesellschaft, die kaum noch weiß, wie sie die Renten und Pensionen finanzieren soll. Wenn nichts geschieht, müßte 2040 die Hälfte des Bundeshaushalts in die Rentenkassen fließen. Zugleich verlassen viele Fachkräfte das Land, während unter den Einwanderern viele ungelernt oder sogar Analphabeten sind. Eine neue Regierung müßte diese Entwicklung umkehren. Leistungsträger wären steuerlich zu entlasten und gesellschaftlich wieder stärker anzuerkennen. Menschen, die ohne Not vom Sozialstaat leben, müßten wieder stärkere Anreize bekommen, produktiv tätig zu werden. Auch Menschen im Rentenalter sollten bessere Möglichkeiten und Anreize haben, sich im Arbeitsmarkt einzubringen. Modelle für all dies gibt es genug, es fehlt nur der politische Mut und Wille. Dringend notwendig sind außerdem eine Bildungsreform mit weniger Gender-Unfug und mehr Gewicht auf MINT-Fähigkeiten sowie eine stärker an den Bedürfnissen des Landes ausgerichtete Einwanderungspolitik.

E wie Europäische Union: Zu guter Letzt sollte Deutschland auf eine grundlegende Neuausrichtung der EU drängen. Druckmittel dazu haben wir als Hauptfinanzierer und größter Gläubiger Europas eigentlich genug, man denke etwa an die Target-Salden. Eine neue Wirtschaftspolitik kann nämlich nicht gelingen, wenn Brüssel uns bei jeder vernünftigen Maßnahme einen Strich durch die Rechnung macht. Die EU muß darum wieder zu einer föderalistischen Wirtschaftsgemeinschaft werden, wie sie es ursprünglich war. Die Vielfalt der europäischen Länder ist kein Übel, das es durch planwirtschaftlichen Zentralismus zu beseitigen gälte. Sie ermöglicht vielmehr einen für alle fruchtbaren Wettbewerb verschiedener Ansätze. Dazu gehört auch eine entsprechende Selbstverantwortung für die finanziellen Folgen. Deutschland sollte deshalb energisch darauf drängen, daß die Maastrichter Regelungen wieder vollständig eingehalten werden.