© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

Europas Gravitationszentrum wandert nach Osten
Souveränismus am Ende

Jeder Staat macht die Politik seiner Geographie“, lautet eine berühmte Sentenz Napoleons. „Und seiner Geschichte“, ergänzt der Pariser Politologe Jacques Rupnik (Centre de recherches internationales). Daher habe man in Polen und im Baltikum aus leidvoller historischer Erfahrung Moskaus Absichten lange vor dem Ukraine-Krieg durchschaut und gegen den deutsch-französisch dominierten Kurs „östlicher Partnerschaft“ eine strategische Neuausrichtung der EU gefordert. Damit würden sich die Mittelosteuropäer nun durchsetzen, so daß sich in der „Neuen Ordnung Europas“, nach der Aufnahme der Ukraine, Moldawiens und Georgiens in die EU, das Gravitationszentrum des Kontinents nach Osten verschiebe. Was, wie der französische Transatlantiker frohlockt, ausgerechnet für Polen, lautester Anwalt für die EU-Aufnahme der Ukraine, bittere Konsequenzen hätte (Lettre International, 141/2023). Denn mit der „euroskeptischen Haltung“, die Warschau zusammen mit Budapest stets kultiviere, sei Schluß in einer neu organisierten EU, die alle Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit treffe. Spielraum für ein „souveränistisches Europa“, wie es sich die Balten, Polen, Slowaken, Ungarn und Rumänen wünschen, werde es im „Europa der 30“ nicht mehr geben, weil die Schalthebel der Wirtschaftmacht sich weiter im Westen befinden. (wm)

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