© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 30-31/23 / 21. Juli 2023

Frankreichs Rupert Murdoch
Raum für rechte Meinungen: Der Milliardär Vincent Bolloré baut ein Medienimperium auf
Julian Schneider

Seit mehr als vier Wochen befindet sich das Journal du Dimanche (JDD) im Ausnahmezustand. Die Redaktion der bekanntesten französischen Sonntagszeitung hat einen Streik ausgerufen. Sie wollen nicht unter dem neuen jungen Chefredakteur Geoffroy Lejeune arbeiten, der zuvor das Magazin Valeurs Actuelles geleitet und ein scharf rechtskonservatives Profil hat. Valeurs Actuelles ist für die französische Linke ein rotes Tuch.

Von einer „Schock-Berufung“ war die Rede, als der 34jährige Lejeune im Juni vom damaligen JDD-Eigentümer Arnaud Lagardère für den Chefposten des Sonntagsblatts (Auflage: 140.000) nominiert wurde. Acht frühere JDD-Redakteure schrieben einen Protestbrief. Sie sehen in Lejeunes Berufung „eine Provokation und Beleg dafür, daß die Rechtsaußen in den Medien Fuß fassen“. Nun stehe die Unabhängigkeit der Presse und ein „Grundpfeiler der Demokratie“ auf dem Spiel. Auch Präsident Macrons linksliberale Kulturministerin Rima Abdul Malak zeigte sich besorgt.

Linke kritisieren besonders  die Nähe zu Eric Zemmour

Der Tumult beim Journal du Dimanche spielt sich vor dem Hintergrund einer weiterreichenden Verschiebung in der französischen Medienlandschaft ab, die einen Namen hat: Vincent Bolloré: Der Milliardär aus der Bretagne hat sich ein Medienimperium zusammengebastelt, mit Fernseh- und Radiosendern, Zeitungen und Buchverlagen, das nun rechten Meinungen breiteren Raum gibt. Der 71jährige kontrolliert als Hauptaktionär den Medienkonzern Vivendi, dem der wichtige TV-Sender Canal+, der Radiosender Europe1 sowie der zweitgrößte französische Nachrichtensender CNews gehören. Kritiker sagen, Bolloré habe CNews zu einem „Fox News à la française“ gemacht, einem rechten Kampfsender. Vor wenigen Wochen gab die EU-Kommission unter Auflagen die Genehmigung, daß Vivendi die Verlagsgruppe Hachette von Lagardère Media übernimmt. Damit bekommt Bolloré neben großen Buchverlagen auch das Sonntagsblatt JDD und Paris Match.

Es ist keine Seltenheit, daß französische Milliardäre wichtige Medien kaufen und damit auch Politik machen. Der Lagardère-Deal ist nur ein prominentes Beispiel. Der Lenker des Luxuskonzerns LVMH, Bernard Arnault, der mit Handtaschen und Champagner reichster Mann der Welt geworden ist, gönnte sich die führende Wirtschaftszeitung Les Echos und das Boulevardblatt Le Parisien. Die Familie des Rüstungsunternehmers Dassault kontrolliert schon lange das liberalkonservative Blatt Le Figaro, der Internet-Milliardär und Arnault-Schwiegersohn Xavier Niel ist Co-Eigentümer der linksliberalen Zeitung Le Monde.

Bollorés Aufstieg zu einer dominierenden Figur der Medienbranche erregt aber bei der Linken mehr Ärger als alles andere – der Freund des einstigen Präsidenten Nicolas Sarkozy wird häufig als „französischer Rupert Murdoch“ bezeichnet. Denn Bolloré gibt dezidiert rechten Journalisten und Politikern wie Eric Zemmour eine große Bühne. Bei CNews durfte Zemmour zur besten Sendezeit auftreten, bis er seine Präsidentschaftskandidatur verkündete. Zemmour gilt als besonders umstritten, weil er die These vom „Großen (Bevölkerungs-)Austausch“ thematisiert, eine angebliche Verschwörungstheorie, die beim Blick in französische Vorstädte aber wie eine empirische Realitätsbeschreibung wirkt. Der designierte JDD-Chefredakteur Geoffroy Lejeune hatte das Magazin Valeurs Actuelles auf Zemmour-Kurs gelenkt, kritisch über den Islam, Masseneinwanderung und zunehmende Kriminalität berichtet und sich damit viele Feinde gemacht.

Bolloré läßt sich durch Gegenwind nicht einschüchtern. Der Jurist und bekennende konservative Katholik ist seit Jahrzehnten als Unternehmer und „Firmenjäger“ extrem erfolgreich. Zuerst rettete er das eigene darbende Familienunternehmen, gegründet 1822, das unter anderem Zigarettenpapier (OCB) produzierte. Dann baute er die Groupe Bolloré zu einem Mischkonzern mit heute 80.000 Mitarbeitern (inklusive Hachette werden es über 100.000 sein) aus. Seine Schwerpunkte sind Transport und Logistik (mit 40 Häfen und 16 Container-Terminals in Afrika), Telekommunikation und Energiesysteme. Er kauft angeschlagene Firmen und saniert sie mit knallharter Hand. Das Forbes-Magazin schätzt sein Vermögen auf 10,5 Milliarden Dollar.

Seit zwei Jahrzehnten hat er nun sein Medienimperium gezimmert. Als Bolloré 2016 den heutigen CNews-Kanal erwarb, ging die Belegschaft 31 Tage in Streik. Die meisten gingen dann freiwillig oder wurden gefeuert und durch konservativere Journalisten ersetzt. Beobachter gehen davon aus, daß der Milliardär auch den aktuellen Konflikt mit der linkslastigen JDD-Redaktion durchfechten könnte.