© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 29/23 / 14. Juli 2023

Entlastung mit Nebenwirkungen
Grunderwerbsteuer: Finanzminister Christian Lindner will den Bundesländern Ausnahmen ermöglichen / Komplexe Besteuerung von Share Deals
Stefan Kofner

Deutschland ist Mieterland. Die Wohneigentumsquote ist relativ niedrig: 2021 lebten nicht einmal 50 Prozent der Deutschen im eigenen Heim – nur die Schweizer liegen in Europa mit 42,5 Prozent noch hinter uns. In Frankreich sind es 65, in Südeuropa durchweg über 70 Prozent. Im früheren Ostblock sind es aufgrund der Massenprivatisierung nach der Wende deutlich mehr. Deutschland hat auch eines der niedrigsten Median-Nettohaushaltsvermögen aller Mitgliedsländer der Eurozone. Das Gegenstück dazu ist eine extrem hohe Konzentration des Volksvermögens.

Dieser Zustand ist auch eine Folge der vielfältigen Hemmnisse für die Wohneigentumsbildung. Ein Ärgernis ist die Grunderwerbsteuer. Nachdem die Länder im Rahmen der Föderalismusreform 2006 das Recht erhalten hatten, den Steuersatz selbst festzusetzen, haben fast alle kräftig an der Steuerschraube gedreht: In Brandenburg, NRW, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen sind es 6,5 Prozent – in Bayern nur 3,5 Prozent. Wer in Potsdam ein Einfamilienhaus mit 130 m² Wohnfläche zum durchschnittlichen Angebotspreis von 5.761 Euro pro m² (Angabe von Immowelt.de) kauft, zahlt knapp 750.000 Euro. Bei einem Satz von 6,5 Prozent kommen dann noch 48.680 Euro Grunderwerbsteuer obendrauf, die in der Regel sofort aus eigenen Mitteln finanziert werden müssen.

Finanzierung durch das Schließen von Steuerschlupflöchern?

Damit wird für viele Familien die Eigenkapitalhürde unüberwindbar. Angesichts der dramatischen Verschlechterung der Erschwinglichkeit von Wohneigentum seit Anfang 2022 ist eine Entlastung nun dringlicher denn je. Schon der Koalitionsvertrag der letzten Merkel-Regierung enthielt einen Prüfauftrag für einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer. Die Ampelkoalition hatte sich eine flexiblere Gestaltung durch die Länder vorgenommen, „zum Beispiel durch einen Freibetrag“. Die Gegenfinanzierung sollte durch das Schließen von steuerlichen Schlupflöchern beim Immobilienerwerb von Konzernen mittels sogenannter Share Deals erfolgen. Dabei werden nicht Immobilien, sondern Anteile an Kapitalgesellschaften gehandelt, die die Immobilien halten. Das ist grundsätzlich richtig, denn niemand versteht, wieso bei großen Immobilienpakettransaktionen keine Steuer anfällt, während die kleinen Häuslebauer geschröpft werden.

Nun hat FDP-Finanzminister Christian Lindner endlich einen Gesetzentwurf an die Länder-Finanzminister verschickt. Danach können die Länder für Ersterwerber einen ermäßigten Steuersatz festlegen, der auch null Prozent betragen kann. Dieser ermäßigte Steuersatz kann mit einer Obergrenze für die Bemessungsgrundlage kombiniert werden. Anders als bei einer echten Freibetragsregelung würden davon auch die Käufer von Luxusvillen profitieren, wenn auch nicht so sehr wie ohne die Obergrenze, ab der ein höherer Steuersatz gilt. Die Neuregelung der Besteuerung der Share Deals ist komplex, und sie birgt Risiken: Bei so einem Geschäft treten zwei Käufer auf, von denen einer als Strohmann fungiert. Nun sollen die Käufer als Einheit betrachtet werden, „wenn sie ihre Erwerbe miteinander abgestimmt haben“.

Das werden diese natürlich bestreiten. Die Länder interessieren sich wie immer in erster Linie dafür, wie ihr Haushalt von der Reform betroffen ist. Das ist gar nicht so leicht zu sagen, denn weder die Einnahmeverluste aus dem Steuersatz null, noch die zusätzlichen Einnahmen aus den Share Deals fallen gleichmäßig an, und obendrein fließen die Grunderwerbsteuereinnahmen mit in den Länderfinanzausgleich ein.

Ein weiteres Problem von Lindners Vorschlag ist die Begrenzung des Steuerrabatts auf die Zielgruppe der Ersterwerber. Wer aus beruflichen Gründen umzieht und ein neues Haus kaufen will, würde weiterhin den vollen Steuersatz dafür zahlen. Das wäre ein zusätzliches Mobilitätshemmnis, das sich auch negativ auf das Wirtschaftswachstum auswirken würde.