© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 27/23 / 30. Juni 2023

Klimanotstand statt Oldtimer
Nach drei Jahren Corona verhindern grüne Autohasser das 20. Klassikertreffen in Rüsselsheim
Jörg Fischer

Für zwei Neuerungen sollte man dem früheren CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer (2009 bis 2013) noch heute dankbar sein: Autofahrer können ihr Nummernschild bei Umzügen seither bundesweit mitnehmen, und die Richtlinie für die Begutachtung von Oldtimern nach Paragraph 23 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) wurde endlich entbürokratisiert. Seither ist die Zahl der über 30 Jahre alten Fahrzeuge mit dem H-Kennzeichen kontinuierlich gestiegen: 2012 waren es bundesweit nur 213.107, 2022 schon 648.403. Und Klassiker wie die Mercedes-Baureihe 123, der Lexus LS400 oder der Toyota Land Cruiser sind für Jahrzehnte und eine Million Kilometer Laufleistung gebaut.

Wirklich „nachhaltig“ ist kein ständiger Neuwagenkauf, sondern die möglichst lange Nutzung solider und qualitativ hochwertiger Autos. Für über 30 Jahre alte Young- und Oldtimer werden jährlich nur 192 Euro Kfz-Steuer fällig, und die Versicherung ist in der Regel günstiger – wenn der TÜV alle zwei Jahre überstanden wird. Und das Beste: Selbst VW Käfer, Golf II Diesel, Opel Ascona und stinkende Zweitakter à la Trabant und Wartburg dürfen Umweltzonen ohne Euro-Norm, Katalysator und Plakette befahren. Und es ist immer ein Stück Technik- und Kulturgeschichte. All das geht den Autohassern aus dem Kreisverband Groß-Gerau des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) natürlich gegen den Strich.

Mit juristischen Spitzfindigkeiten war der BUND maximal erfolgreich

Fürs Festkleben auf der Straße sind die Gelenke der Altachtundsechziger ungeeignet, aber juristische Spitzfindigkeiten sind ohnehin erfolgreicher – und eines der größten Oldtimertreffen Deutschlands, das seit 2001 jährlich in Rüsselsheim stattfindet, wurde so vier Tage vor seinem Beginn verhindert. 3.000 Oldtimer, 30.000 Besucher und die Stadt Rüsselsheim mußten sich vergangenen Samstag dem unerbittlichen Willen von wenigen BUND-Mitgliedern beugen. Denn das Klassikertreffen findet nicht nur im Rüsselsheimer Stadtpark, sondern auch auf den Wiesen am Mainufer statt – und die gehören seit 1987 zum Landschaftsschutzgebiet Hessische Mainauen. Das war jahrzehntelang kein Problem – aber nun ein juristisches Einfallstor für den BUND, der auch Mitglied in der internationalen Dachorganisation „Friends of the Earth“ ist. Und die wird unter anderem von der EU und globalen Philanthropen mitfinanziert.

„Mit Betroffenheit“ habe man zur „Kenntnis genommen, daß der Rüsselsheimer Magistrat für die kostenfreie Bereitstellung der Flächen im Verna-Park, am Mainvorland, am Parkplatz Landungsplatz, im Bereich rund um die Opelvillen und Rüsselsheimer Festung, um das Rathaus sowie an der Marktstraße bis zum Opelhauptportal für das ‘Klassikertreffen’ grünes Licht gegeben hat“, schrieb am 7. März BUND-Vorstandssprecher Herbert A. Debus aus dem benachbarten Mörfelden-Walldorf an den Rüsselsheimer Oberbürgermeister Udo Bausch, Bürgermeister Dennis Grieser (Grüne), Abdelkader Al Ghouz (Chef des Rüsselsheimer Eigenbetriebs Kultur123 und städtischer Veranstalter des Klassikertreffens), die hessische Umweltministerin Priska Hinz (Grüne), die Obere Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums Darmstadt und Leif Rohwedder von Opel Klassik.

Bei „zu erwartenden Besucherzahlen von bis zu 45.000“ würde „nicht nur bei Trockenheit, sondern erst recht bei plötzlich einsetzendem Starkregen die Grasnarbe schwerste, nicht korrigierbare Schädigungen von bis zu 90.000 Füßen erleiden“. Und es folgt eine Drohung: „Sie können davon ausgehen“, daß sich der BUND „vehement dafür einsetzen wird, daß der Natur auf dem Landschaftsschutzgebiet auf Basis geltender rechtlicher Bestimmungen zu ihrem Recht verholfen wird“, so Debus. Der BUND erinnere „auch an den Beschluß der Stadtverordnetenversammlung, in Rüsselsheim den Klimanotstand auszurufen, was nach unserem Verständnis die drohende Zerstörung einer Treibhausgas-Senke wie dem Mainvorland“ verbiete. Das Klassikertreffen stelle „kein überragendes öffentliches Interesse dar, das zwingend eine Ausnahmegenehmigung zur erheblichen Schädigung des Landschaftsschutzgebietes rechtfertigen würde“.

Doch der Magistrat der Opel-Stadt hielt an seiner im Januar erteilten Genehmigung fest – der BUND klagte allerdings erfolgreich im Eilverfahren dagegen. Die Stadt Rüsselsheim wiederum ging mit einem Eilantrag dagegen vor – und scheiterte vor dem Verwaltungsgericht in Darmstadt. Und da sich die 62jährige grüne Juristin Brigitte Lindscheid, 2014 mit Zustimmung der CDU von der Darmstädter Stadträtin zur Regierungspräsidentin aufgestiegen, der absurden Auffassung des BUND selbstverständlich anschloß, konnte die 20. Auflage des Klassikertreffens – nach drei Jahren Corona-Zwangspause – nicht stattfinden. Das nicht gewählte Darmstädter Regierungspräsidium hebelt also als Obere Naturschutzbehörde einen Beschluß des gewählten Rüsselsheimer Magistrats als „unterer Naturschüutzbehörde“ aus.

„Autofeindliche Stimmungsmache und ideologische Verblendung“

Geht es allerdings um Windkraftanlagen (WKA), „das Arbeitspferd der Energiewende“, spielen Grasnarben und sogar Wälder für den BUND keine Rolle. „Die Bodenversiegelung durch Masten ist minimal und nach 20 bis 30 Jahren können sie ohne bleibende Schäden und Strahlen- oder Giftmüllprobleme wieder abgebaut werden“, argumentiert der BUND-Bundesverband. Die „Diskussionen um die Probleme des Windenergieausbaus“ dürften „nicht auf den Natur- und Artenschutz verkürzt werden“. Und als „großer Waldeigentümer (über 341.000 Hektar)“ sollte das Land Hessen das „Ausschreibungsregime von HessenForst grundlegend“ ändern, heißt es in den gemeinsamen Forderungen von BUND und Bundesverband WindEnergie (BWE) zur hessischen Landtagswahl am 8. Oktober. Sprich: WKA müßten auch in Wäldern errichtet werden.

Das gilt selbstverständlich auch für den Odenwald. Und hier hat Regierungspräsidentin Lindscheid ihren Ermessensspielraum bislang großzügig im Sinne der Windindustrie genutzt, die wiederum mit dem BUND verbündet ist. Grasnarben verhinderten noch kein Windrad. Bleibt nur zu hoffen, daß die hessischen Oldtimer-Freunde, die Bratwurst- und Bierverkäufer oder Schausteller am 8. Oktober auch ihren großen Ermessensspielraum als Wähler oder als Spender für Umweltvereine wie den BUND zu nutzen wissen.

Der „woke“ ADAC als größter deutscher Autofahrerverein hat sich übrigens nicht zum Veranstaltungsverbot geäußert. Der kleinere Automobilclub von Deutschland (AvD) hingegen schon: Die Verhinderung des Klassikertreffens sei „skandalös“, und dieser Vorgang reihe sich „in eine Abfolge autofeindlicher Stimmungsmache ein, die aus einer bestimmten Ecke des politischen Spektrums im Rhein-Main-Gebiet seit Jahren aus ideologischer Verblendung heraus betrieben wird“.

Als nächste Oldtimer-Alternative bietet sich am 22./23. Juli die „Street Mag Show“ in Hannover an:

 www.street-mag-show.com

 www.ruesselsheim.de

 www.classics-termine.de