© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 26/23 / 23. Juni 2023

GegenAufklärung
Kolumne
Karlheinz Weißmann

Die hysterische Reaktion der Luisa Neubauer auf die Protestdemonstration gegen die „Heizungswende“ in Erding und ihre Behauptung, die „Gaslobby“ habe die Teilnehmer verhetzt, zeigt zweierlei: die Unfähigkeit der Linken, etwelche Opposition zu ertragen und ihre Neigung zu Verschwörungstheorien.

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Der amerikanische Journalist Billy Hallowell hat eine bemerkenswerte Erfahrung mit Facebook gemacht: Sein Post „Jesus starb, auf daß Du leben kannst“ wurde gesperrt, da es sich um „Haßsprache“ handele. Hallowells Verweis auf die elementare Bedeutung der Aussage für den christlichen Glauben führte lediglich zur Bestätigung der Einschätzung durch Facebook, daß der Satz den Maßstäben der „community“ widerspreche.

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„Es ist nicht allein der Krieg, der die Starken zerstört – der Frieden führt sie viel sicherer ins Verderben, wenn er sie der Mittel zur Verteidigung beraubt und sie die Beute ihrer Feinde werden läßt.“ (Wilhelm von Humboldt, 1815)

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In der vergangenen Woche kündigte die norwegische Untersuchungskommission für das Gesundheitswesen an, ihre derzeitigen Richtlinien für die Vorbereitung von Geschlechtsumwandlungen bei Minderjährigen überarbeiten zu wollen. Gemäß den nun vorgeschlagenen Korrekturen würde die Anwendung von Pubertätsblockern, Sexualhormonen und Operationen nicht mehr als Teil der regulären ärztlichen Behandlung in Kliniken angeboten. Norwegen schließt sich damit Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich an, die alle entsprechende Schritte eingeleitet haben. In den USA haben bereits acht Bundesstaaten die Transgender-Behandlung von Personen unter 18 Jahren verboten.

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Wahrheiten, unbestreitbare, aktuell: 1. Es gibt kein Volk. 2. Jedenfalls kein deutsches. 3. Wer anderes behauptet, ist ein Verfassungsfeind. 4. Das deutsche Volk hat zweimal im 20. Jahrhundert den Rest der Welt „überfallen“ (ZDF, Berlin direkt, 29. Mai).

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Überall Bussi und Umarmung. Wahrscheinlich hat die Pandemie auch dem alt-indoeuropäischen Brauch des Handschlags den Todesstoß versetzt.

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Pride I: Der Aufmarsch aus Anlaß von Wien Pride – über alles Erwarten laut, zudringlich, vulgär – veranlaßt den Augenzeugen zur Frage, worauf die Teilnehmer genau „stolz“ sind. Das Wort hat im Deutschen seit je einen Beigeschmack. Denn Stolz ist nur in eng begrenztem Rahmen legitim: dann, wenn er auf eigener Leistung beruht. Stolz, der aus anderen Gründen gezeigt wird, hat dagegen keine Berechtigung. Es handelt sich um Zurschaustellung von Selbstbewußtsein ohne sachlichen Grund, entweder in Verkennung des eigenen Rangs oder als Resultat eines charakterlichen Defekts oder einer krankhaften Disposition. 

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Laßt Zahlen sprechen: Tief betroffen vernahm der Nutzer der Qualitätsmedien unlängst, daß ein Drittel der jüngeren, in Deutschland lebenden Männer zwischen 18 und 35 Jahren Gewalt gegen Frauen für grundsätzlich legitim hält. Zur Erklärung wurde – wie üblich – auf tradierte Rollenmuster hingewiesen und auf veraltete Vorstellungen vom Mann als Oberhaupt der Familie. Keine Erwägung fand in den Berichten, daß der Anteil der Männer mit Einwanderungserfahrung in der Altersstufe ziemlich genau bei dreißig Prozent liegt. Es wäre also auch hier von Interesse, die Vornamen der (potentiellen) Täter zu kennen.

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Machiavelli war ein erfolgloser Politiker.

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„Wir befinden uns heute in einer beunruhigenden Situation: ein Europa, das weitgehend postindustriell und, zumindest was seine Eliten betrifft, funktional postnational ist. Und das bedeutet, in den Begriffen, die während des Industriezeitalters entstanden, postdemokratisch.“ (Mary Harrington)

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Pride II: Es hat wohl seit dem Untergang der letzten totalitären Regime auf europäischem Boden keine solche Massierung von Flaggen gegeben wie aus Anlaß der Pride-Monate. Das Spektrum reicht vom Papierfähnchen in Kinderhand und dem Accessoire bis zu den Enthusiasten, die sich in den Regenbogenfarben bemalen und die Haare kolorieren, sie mit ihrer – meist spärlichen – Bekleidung zitieren, eine der Fahnenvarianten als Umhang oder ganz traditionell am Stock herumtragen bis zu Fans, die Banner am Gebäude hissen oder entrollen, den Geschäftsleuten, die darauf hoffen, solchermaßen werben zu können, und den öffentlichen Einrichtungen, die sie – bis hin zum Weißen Haus – als Ausdruck der Solidarität mit LGBQT* aufziehen. Interessant wäre, zu erfahren, wo das Nichtmitmachen kein Ausdruck von Desinteresse oder Nachlässigkeit ist, sondern – wie in den totalitären Regimen – ein Signal von Opposition.

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Unübersehbar ist nach dem Parteitag der CDU die Ausweglosigkeit der Lage, in die sich die Partei manövriert hat. Da hilft weder die Selbstinszenierung als Kohls Erbe (Merz) oder Kohls und Merkels Erbe (Wüst), noch die Reprise von „Freiheit statt Sozialismus“, noch die inhaltsleere Beschwörung der Mitte.


Die nächste „Gegenaufklärung“ des Historikers Karlheinz Weißmann erscheint am 7. Juli in der JF-Ausgabe 28/23.