© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/23 / 09. Juni 2023

Haltungsnote
Zuhören und in die Pedale treten
Gil Barkei

Mal rauskommen. Frische Luft ins Gesicht wehen lassen. Beobachten, was es Neues im Kiez gibt. Viele ältere Menschen sind in ihrer Mobilität eingeschränkt. Erlebnisse reduzieren sich, so wie der Radius ihrer Bewegung. Wieder „kleine Abenteuer“ bieten möchte „Radeln ohne Alter“. Die Initiative, die 2015 vom Berliner Drahteselenthusiasten Calle Overweg gegründet wurde, bietet Bewohnern von Alters- und Pflegeheimen ehrenamtliche Rikschafahrten an – ein Ausflug mit seiner damals 95jährigen Tante brachte den Dokumentarfilmer auf die Idee. 

Im Mittelpunkt stehen nicht nur die Fahrradtouren, sondern der Austausch zwischen den Senioren und den freiwilligen Fahrern. Es geht um die „vielen Geschichten, die die Älteren erzählen. Aber sie wollen auch welche von uns hören“, heißt es dazu auf der Netzseite radelnohnealter.de, über die sich interessierte Unterstützer, wadenstarke Lenker und tatkräftige Gründer neuer Standorte melden können. So werden die Ausflüge zu einer Bereicherung „für beide Seiten“ und manchmal zur Geburtsstunde von engen Beziehungen und neuen Freundschaften. Mittlerweile gibt es bundesweit mehr als 100 Niederlassungen des eingetragenen Vereins. Der politisch geförderte Hype um Lastenräder, Diversität und eine vermeintlich klimaschonende Mobilitätswende ist daran sicher nicht ganz unschuldig. Dies ändert jedoch nichts an dem einfach tollen Ansatz des Projekts.