© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 24/23 / 09. Juni 2023

Goliath mit Humor bezwingen
Linke Kampagne gekapert: Der „Stolzmonat“ feiert großen Erfolg im Netz
Vincent Steinkohl

Was sich aktuell auf Twitter abspielt, ist eine digitale Neuauflage des Kampfes von David gegen Goliath. Plötzlich ploppen auf zahlreichen Profilen schwarzrotgoldene Fahnen und patriotische Memes auf. Der #Stolzmonat greift von der Jungen Alternative bis zu rechtskonservativen Influencern im Netz um sich. Dabei galt die Aufmerksamkeit zu Beginn des Sommers in der Vergangenheit eigentlich eher dem politischen Gegner.

Regelmäßige Twitter-Nutzer kennen es: Seit Jahren rufen Politiker und Publizisten aus dem linken Spektrum den gesamten Monat Juni zum sogenannten Pride Month aus. Akteure posten die Regenbogenfahne in verschiedenen Ausführungen und bekunden ihre Solidarität mit der LGBTQ-Gemeinschaft. Unterstützt werden die in ihrem Selbstverständnis gesellschaftlich unterdrückten vermeintlichen Widerstandskämpfer von riesigen Unternehmen wie dem Sportartikelhersteller Nike oder dem Automobilkonzern BMW, die vier Wochen ihre Logos durch eine ­Regenbogen-Version ­ersetzen.

Der Pride Month hat eine mehr als 50 Jahre alte Geschichte. Die Ursprünge gehen auf den 28. Juni 1969 zurück, als in der New Yorker Christopher Street eine Reihe von Aufständen stattfanden. Die sogenannten Stonewall-Aufstände waren Demonstrationen und gewalttätige Zusammenstöße zwischen Homosexuellen und der Polizei. Sie brachen aus, nachdem die Polizei eine Razzia in der Stonewall Inn, einer beliebten Schwulenbar in Greenwich Village, durchführte. Diese Razzien waren zu dieser Zeit weit verbreitet. Die Barbesucher und Teile der Anwohner beantworteten das mit Kundgebungen und Randalen, die mehrere Tage anhielten.

Initiator: „Der Regenbogen 

ist ein Dominanzsignal“

Ein Jahr nach den Stonewall-Aufständen fand in New York City die erste Christopher Street Liberation Day Parade statt, um an die Ereignisse zu erinnern. Diese Parade entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einer jährlichen Veranstaltung und wurde zum Vorbild für zahlreiche Pride-Paraden und -Veranstaltungen weltweit. Während des Pride Month kommt es in vielen Ländern der Erde zu Kundgebungen, Paraden und Festivals.

Was als Auflehnung gegen eine damals de facto oppressive Mehrheitsgesellschaft begann, ist seit Jahren kaum mehr als gratismutige Selbstbeweihräucherung, zumal BMW und andere die Pride-Fahne ausschließlich in westlichen Ländern hissen, nicht aber in tatsächlich homophoben, aber finanzstarken Ländern wie beispielsweise Saudi-Arabien.

Doch dieses Mal lag etwas in der Luft. Seitdem der exzentrische Milliardär Elon Musk Twitter gekauft hat, weht bei dem Kurznachrichtendienst ein anderer Wind. Zuvor wurden regelmäßig Nutzer aus der konservativen Ecke in ihrer Reichweite beschränkt oder ihre Profile gänzlich gesperrt, nun ist die freie Meinungsäußerung innerhalb geltender Gesetze weitestgehend gegeben.

Woke Gemüter dürften genau das befürchtet haben, weshalb Musk spätestens seitdem unten durch ist. So unten durch, daß der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann Musk in seiner Sendung „Neo Magazin Royal“ unlängst einen „Nazi-Magnaten“ nannte. Auch international scheinen sich immer mehr Bürger vom Zeitgeist zu verabschieden. In vielen europäischen Ländern erstarken Parteien rechts der Mitte, und die große Boykott-Kampagne gegen die US-amerikanische Biermarke Bud Light vor wenigen Monaten ist ein weiteres Indiz dafür, daß die Stimmung langsam kippt. Das vor allem bei Sportfans und konservativen Südstaatlern beliebte Bier hatte mit dem transsexuellen Influencer Dylan Mulvaney geworben und damit eine gigantische Boykottwelle gegen sich selbst ausgelöst. Der finanzielle Schaden für das Unternehmen liegt inzwischen im Milliardenbereich.

Dennoch machen besonders eifrige woke Personen weiter und posten im Juni vermehrt Beiträge zum Thema Pride Month, oft garniert mit den Fahnen der LGBTQ-Bewegung. Das Ganze passiert aus Kalkül: Dem eigenen Milieu, aber auch dem politischen Gegner soll signalisiert werden, die eigene Seite vertrete die Mehrheit.

Doch in diesem Jahr kam es anders. Mehrere konservative und patriotische Internetnutzer riefen den Juni zum „Stolzmonat“ aus. Das Konzept ist einfach: Wer ein Twitterprofil hat, ist aufgerufen, in die Tasten zu hauen und Beiträge mit dem Hashtag #Stolzmonat abzusetzen. Auch das eigene Profilbild kann auf einer dafür erstellten Website kostenlos in Schwarz-Rot-Gold getaucht werden. Einer der Initiatoren der Aktion, der konservative Youtuber mit dem Künstlernamen Shlomo Finkelstein, hat mit der JUNGEN FREIHEIT über seine Beweggründe gesprochen.

Auf die Frage, ob er ein Problem mit Homosexuellen habe, antwortet er entschieden: „Nein. Wenn wir über das Thema LGBT reden wollen, dann habe ich etwas dagegen, wenn an öffentlichen Kitas mit Kindern ab vier Jahren Cross-Dressing gespielt wird, was genau ist, wonach es klingt und wozu sich im ‚Medienkoffer Geschlechtervielfalt’ des Bundeslandes Sachsen-Anhalt eine Anleitung findet.“

Zudem sieht Finkelstein das Bekenntnis zur LGBTQ-Gemeinschaft bei weiten Teilen des

woken Milieus als vorgeschoben an: „Der Regenbogen ist ein Symbol für vieles und eine Unterkategorie davon mag das Buchstabenthema LGBTQ sein. Vor allem aber ist er ein Dominanzsignal einer zahlenmäßig kleinen, aber in Presse und Politik sehr mächtigen ideologischen Gruppierung, die es perfektioniert hat, sich hinter Minderheit ABC zu verstecken, um sich unangreifbar zu machen.“

Sinnbildlich für die Ambivalenz der Bedeutung der Regenbogenflagge verweist er auf den Stuttgarter Oberbürgermeister, Frank Nopper (CDU). Vor zwei Jahren malte er einen großen Regenbogen auf den Marienplatz, um ein Zeichen gegen eine Querdenker-Demonstration zu setzen. Frage man einen durchschnittlichen Journalisten, stehe der Regenbogen „themenübergreifend für die Vielfalt, die Buntheit, die Offenheit. Worte, die auch eins zu eins so Verwendung finden, wenn man uns Masseneinwanderung aus muslimischen Ländern, in denen ironischerweise der Großteil der Menschen Homosexualität tatsächlich für unmoralisch hält, schmackhaft machen will“, moniert Finkelstein.

Nachahmer in vielen 

anderen Ländern

Der Stolzmonat ist schon jetzt ein großer Erfolg. Der Begriff trendet seit Tagen auf Twitter, zehntausende Beiträge sind es jede Stunde. Der Pride Month kommt nicht ansatzweise auf solche Zahlen. Sogar der offizielle Account des SPD-Parteivorstands sah sich gezwungen, zu der Sache Stellung zu beziehen. „Wir lassen uns den #PrideMonth nicht vermiesen. Happy Pride to everyone!“, hieß es da, garniert mit einem Regenbogensymbol und der rosa-hellblau-weißen Fahne der Transgender-Bewegung. In den Kommentaren finden sich hingegen mehrheitlich Spott und jede Menge Schwarz-Rot-Gold.

Die Kampagne schlägt zunehmend international Wellen. Inzwischen posten Twitternutzer aus aller Welt ihre Nationalflaggen im Pride-Design und verwenden den Hashtag #Stolzmonat. Von Irland über Polen, Spanien, Argentinien bis nach Marokko bekennen sich Menschen zum Nationalstolz. Interessant an der Sache ist die positive Aufbruchstimmung, die im konservativen patriotischen Lager derzeit herrscht. Statt eine bloße Abwehrhaltung gegen den woken Zeitgeist symbolisiert die Aktion ein selbstbewußtes Bekenntnis zum Eigenen. Daß das Zeigen der Nationalflagge für den SPD-Parteivorstand, Jan Böhmermann und andere scheinbar eine perfide Provokation darstellt, spricht Bände. Die schweigende Mehrheit hat ihre Stimme wieder und sie ist konservativer, als progressive Eliten es wahrhaben wollen. Mit Gelassenheit und Humor läßt sich viel erreichen. Junge Konservative haben das verstanden.