© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/23 / 19. Mai 2023

Juniorpartnerin des neu regulierten Krisenkapitalismus
Nützliche Verbotslinke
(dg)

Das links-grüne Lager bietet für den sich dazu rechnenden Wissenschaftssoziologen Tilman Reitz (Universität Jena) in seinen politischen Forderungen und gesellschaftlichen Entwürfen heute großenteils nur mehr vom Gleichen an, was zunehmend auch den herrschenden Klassen geboten scheine: „Einen Apparat von Reglementierungen, der die kapitalistische Wirtschaft in ethisch korrekte Bahnen zu lenken und ihre Schadenseffekte einzudämmen verspricht“ (Das Argument, 339/2022). Diese „Verbotslinke“, deren Wirken in den USA, von der Bürgerrechtsbewegung der 1960er bis zu den aktuellen Aktivitäten von „Black Lives Matter“ reiche, habe in Jahrzehnten an der für ein gelingendes Leben ausschlaggebenden Einkommens- und Vermögensungleichheit zwischen Weißen und Schwarzen aber nicht das geringste geändert. Weil eine „Verbotslinke“, die auf solche harten materiellen Strukturen lediglich mit weicher Kulturpolitik, mit Quotenregelungen, Vorgaben zum „nachhaltigeren“ Konsum und gendergerechter Sprache reagiere, mit großem Zwang allenfalls kleine Verbesserungen erreiche und sich vielleicht als „Juniorpartnerin eines neu regulierten und ideologisierten Krisenkapitalismus“ empfehle. Der bleibe auch mit schärfsten Umweltgesetzen, Windrädern und E-Mobilen auf Ressourcen ausbeutendes Wachstum angewiesen. Soweit wie die „Verbotslinke“ diese Realität ignoriere, vermeide sie die Anstrengung der auf Systemveränderung zielenden Neuorganisation der Erwerbsarbeit und der Eigentumsverhältnisse, die sich nach anderen Zwecken richten müßten als die ständig an Naturgrenzen des Wachstums stoßende kapitalistische Profitwirtschaft. 


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