© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 21/23 / 19. Mai 2023

Aufgeschnappt
Entnazifizierung mit einem Tempolimit
Matthias Bäkermann

Der Soziologe Conrad Kunze findet Autobahnen häßlich. „Sie machen Landschaften kaputt“, weiß der Dozent am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin. Schuld an diesem Faktum, das „zu Deutschland gehört wie Bier, Grill und Gartenzwerg“, sei – wer sonst? – Hitler: „Er machte vor allem Männern mit der Autobahn ein emotionales Angebot, sich wieder stark und mächtig zu fühlen“, klärt der 31jährige mit Linksaußen-Sozialisation bei Rosa-Luxemburg-Stiftung und VVN-BdA auf. Leider sei das unheilige Verhältnis der Deutschen zu ihrer „weißen Reichsautobahn“ nie richtig aufgearbeitet worden, beklagte der Klima-Aktivist vergangenen Samstag in der Berliner Zeitung, die ihn zu seinem Buch „Deutschland als Autobahn. Eine Kulturgeschichte von Männlichkeit, Moderne und Nationalismus“ befragte. Um diese Autobahnen heute zu entnazifizieren, „wäre ein Tempolimit das Naheliegende“. Leider stimmt Kunzes Behauptung, „die Nazis hätten die Autobahnen ohne Geschwindigkeitsbegrenzung freigegeben“ genausowenig (sie führten 1939 sogar ein 80er Tempolimit ein) wie jene, Hitler sei Autobahn-Ersteröffner gewesen (das tat Adenauer als Kölner Oberbürgermeister bereits 1932). Aber er kann ja nicht alles wissen.