© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 19/23 / 05. Mai 2023

Ländersache: Sachsen-Anhalt
Die Qual der Wahl beenden
Paul Leonhard

Was die CDU in Sachsen-Anhalt unter Transparenz bei der Auswahl eines Datenschutzbeauftragten versteht, hat sie vergangene Woche überaus deutlich gemacht. Um endlich die trotz mehrerer Ausschreibungen und zahlreicher Bewerber seit Jahren vakante Stelle zu besetzen, hat sie einen Kandidaten herbeigezaubert, der offenbar den meisten Parlamentariern  – etwa SPD-Fraktionschefin Katja Pähle – bis dato völlig unbekannt war: Jens Neugebauer. Das kann zwar der FDP-Faktionsvorsitzende Andreas Silbersack nicht behaupten, denn Neugebauer ist Mitarbeiter seiner Kanzlei, aber auch er versicherte, erst unmittelbar vor der Bekanntgabe „von der Situation erfahren“ zu haben.

Während nun zwei Herzen in der Brust des Liberalen schlagen, weil er einerseits „nicht besonders froh“ ist, einen Mitarbeiter zu verlieren, andererseits aber die CDU einen Kandidaten vorgeschlagen habe, „der als veritabel gelten kann“, findet die oppositionelle Linke deutliche Worte: Von einem „Geschmäckle“ spricht die Fraktionsvorsitzende Eva von Angern. Und AfD-Fraktionschef Oliver Kirchner schimpft über den „Filz“ und die „Hinterzimmergespräche“ der etablierten Parteien. Für Sebastian Striegel von den Grünen ist das Ganze das „Gegenteil eines transparenten Verfahrens“. Die Regierung würde so eine Bestenauswahl verhindern.

Bisher jedenfalls war den Landtagsabgeordneten kein Bewerber gut genug, die Nachfolge des Ende 2020 nach mehrfacher Verlängerung seiner Dienstzeit in den Ruhestand gegangenen Datenschutzbeauftragen Harald von Bose anzutreten. Eine erste Wahl scheiterte bereits im Frühjahr 2018, seinerzeit noch an der damals nötigen Zweidrittelmehrheit im Parlament. Seitdem wurden die Hürden gesenkt, aber auch eine einfache Mehrheit fand sich für keinen der folgenden Bewerber, nicht einmal für den kommissarischen Chef.

Deswegen wartete die Regierung im Februar mit der Idee auf, die Stelle ohne öffentliche Ausschreibung auf Vorschlag der Fraktionen zu besetzen. Prompt hagelte es nicht nur von der Opposition Protest, sondern auch von der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD). Das geplante Vorgehen verstoße gegen die Datenschutzgrundverordnung, sei nicht transparent und „Ausdruck übler Vetternwirtschaft“, zitierte der MDR Vorstandsmitglied Thilo Weichert: Es wäre für den Datenschutz in Sachen-Anhalt eine Katastrophe, wenn er auf diese Weise weiter heruntergewirtschaftet würde.

Trotzdem soll Neugebauer noch vor der Sommerpause sein Amt antreten. Um ein weiteres Gezerre zu vermeiden, will die schwarz-rot-gelbe Koalition kraft ihrer Parlamentsmehrheit das Gesetz ändern. Künftig soll die Stelle nicht ausgeschrieben werden, sondern die Fraktionen ein Vorschlagsrecht erhalten. CDU-Fraktionschef Guido Heuer erklärte, die Koalition werde „geschlossen“ für Neugebauer stimmen, denn die Position des Datenschutzbeauftragten, bei der Eignung und Befähigung an erster Stelle stünden, sei angesichts der geopolitischen Lage eine „ganz wichtige für unsere Wirtschaft“. Sicher ist die Wahl des Rechtsanwalts aus Halle dennoch nicht. Bei vorherigen Wahlen haben es Abgeordnete fertiggebracht, ungültige Stimmzettel abzugeben.