© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/23 / 06. April 2023

Zeitschriftenkritik: Theologisches
Kanada: Mißbrauch indigener Kinder
Werner Olles

Die aktuelle Ausgabe (März/April 2023) der Katholischen Monatsschrift Theologisches befaßt sich in einem längeren Artikel des Religionswissenschaftlers Robert Martin Kerr (Universität des Saarlandes) und des emeritierten Hochschullehrers Jacques Rouillard (Universität von Montreal) mit den weltweit in vielen Medien ungeprüft übernommenen Vorwürfen zur Rolle der Katholischen Kirche und anderen christlichen Konfessionen aufgrund von Horrormeldungen über angeblich verborgene Massengräber indigener Kinder, die in Internaten und Schulen Kanadas umgekommen seien. Als Folge dieser mutmaßlichen Entdeckungen wurden zahlreiche Kirchen abgebrannt oder vandalisiert. Nachdem kanadische Wissenschaftler den Anschuldigungen nachgegangen sind, veröffentlichten sie in der inzwischen eingestellten Zeitschrift imprimatur (3/2022) ihren Untersuchungsbericht „Sag’ mir, wo die Leichen sind … Indianerinternate in Kanada. Zwischen politischer Manipulation und historischer Komplexität“, der eindeutig darstellt, was an Verbiegungen und Lügen passiert ist. Theologisches hat den Bericht sprachlich durchgesehen und als wissenschaftlichen Apparat mit insgesamt 75 Fußnoten der Autoren belegt.

Herausgekommen ist dabei eine exakte Analyse des kanadischen Schulsystems, speziell jener Schulen in den Reservaten der indianischen Ureinwohner, in denen Kinder und Jugendliche aus den umliegenden Reservaten unterrichtet wurden. Die Schulen standen ab 1969 unter der Verantwortung der Bundesregierung und wurden nach und nach den indigenen Gemeinschaften übergeben. Ab 1999 foderten die Vertreter der „First Nations“ und der Inuit eine Entschuldigung der Katholischen Kirche für ihre Rolle im Internatssystem. Die Schüler sollen angeblich vielfach zwangsassimiliert sowie physisch, psychisch und sexuell mißbraucht worden sein. Es folgten Entschädigungsprogramme der kanadischen Regierung und die Einrichtung einer Wahrheits- und Versöhnungskommission, nachdem es zu Tausenden Zivilklagen gekommen war. Die Autoren bestreiten keineswegs, daß es Mißhandlungen und Mißbrauch gab, doch die „Entdeckung“ von 215 Leichen indigener Kinder auf dem Gelände von Kamloops, einem ehemaligen katholischen Internat in der Provinz Britisch-Columbia, konnte trotz der dramatischen Medienberichte bis heute nicht bestätigt werden.

Weitere Texte beschäftigen sich mit „Religionsphilosophie von Kant zu Nietzsche“ (Heinz-Georg Kuttner), einem Bericht über eine Tagung der sudetendeutschen Ackermann-Gemeinde (Stefan P. Teppert) sowie  einer „Betrachtung zu den 14 heiligen Nothelfern“ (Magdalena S. Gmehling).

Kontakt: Verlag nova et vetera, Estermannstr. 71, 53117 Bonn.

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