© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 15/23 / 06. April 2023

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Heute ein König
Christian Vollradt

Es war die Woche der Premieren in Bundes-Berlin. Für den britischen König Charles III. war es der erste Staatsbesuch als Oberhaupt des Vereinigten Königreichs – noch vor der offiziellen Krönungszeremonie. Eigentlich hätte er ja zuvor noch Paris seine Aufwartung machen sollen; doch wegen der teilweise gewalttätigen Streiks und des sich meterhoch in den Straßen der französischen Hauptstadt türmenden Mülls bat der Elysee-Palast um eine Verschiebung der Visite. 

Deswegen bekam also Berlin den Vortritt – und das empfing den 74jährigen Thron-Neuling als ersten Staatsgast mit militärischen Ehren vor dem Brandenburger Tor. Immerhin heißt der Ort ja Pariser Platz. Aufgeräumt war der – und weiträumig abgesperrt. Wer den royalen Besuchern die Hand schütteln wollte, hatte sich zuvor Unter den Linden in eine lange Warteschlange einreihen und in einem Zelt der Polizei kontrollieren lassen müssen. 

Hohe Sicherheitsstufe auch, als der Nachfahre deutscher Ahnen aus dem Hause Sachsen-Coburg-Gotha sowie dem Geschlecht der Battenberger am Donnerstag vergangener Woche seine Rede im Plenarsaal des Reichstags hielt – als erster König vor den Abgeordneten des Deutschen Bundestags. 

Bundestagsmitarbeiter wurden bereits im Vorfeld darauf hingewiesen, daß sie die zur Straße gerichteten Balkone ihrer Bürogebäude während des Aufenthalts des Königs im Reichstag bitte nicht betreten sollten. Vermummte und behelmte Polizisten der Spezialeinheiten beobachteten alles durchs Fernrohr.

Auch beim Protokoll gab es neben dem Üblichen das Besondere. Wie immer empfingen den Staatsgast als erstes an der Grenze des deutschen Luftraums zwei Düsenjäger der Luftwaffe, die die Maschine aus London bis zum militärischen Teil des Flughafens BER eskortierten. Dort hatte der sogenannte „Unterstützungszug Protokoll“ des Wachbataillons Aufstellung genommen mit seinen sechs Feldhaubitzen 105 Millimeter. Die über 80 Jahre alten Geschütze kommen nur noch beim Besuch von Monarchen und dann, wenn ein ausländisches Staatsoberhaupt erstmals in dieser Funktion nach Deutschland kommt, zum Einsatz. 21 Schuß werden dann abgegeben; allesamt natürlich nicht scharf, sondern nur mit Schwarzpulver. Ein Korken auf der Kartusche sorgt für ordentlich „Rumms“. 

Traditionell bei einem Staatsgast von der Insel bildeten Soldaten des Wachbataillons in der Uniform der Marine das Ehrenspalier, als der hohe Besuch das Flugzeug verließ und deustchen Boden betrat. Mangels Kavallerie übernahmen am Boden die „Weißen Mäuse“ der Berliner Polizei auf ihren Motorrädern die Eskorte. 

Die deutsche Hauptstadt verließ Charles III. am dritten Tag des Besuchs dann mit Hilfe eines deutschen Transportmittels, bei dem der Kunde selten König ist, an diesem Tag aber ein König Kunde war: der deutschen Bahn. Der ICE nach Hamburg war pünktlich, die Majestäten bekamen einen Platz, und die Wagenreihung – festgelegt durch den roten Teppich am Bahnsteig – stimmte auch. Noch so eine Premiere.