© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 12/23 / 17. März 2023

Das Auge liest mit
Besser als PowerPoint: In der libertär-reaktionären „Krautzone“ werden Grafiken jongliert
Florian Werner

Jeder von uns hatte damals diesen einen Mitschüler in der Klasse, der nicht durch einen dicken Mercedes oder Fashion-Week-mäßiges Aussehen, sondern durch bis ins letzte Detail ausgefeilte Power-Point-Präsentationen bei Referaten auffiel. Jede neue Folie wurde seinerzeit mit aufsehenerregenden Effekten präsentiert und unter allgemeinem Staunen kommentiert. Manchmal hatte dieser Klassenkamerad einen etwas schrägen Humor oder schrullige Eigenarten – uns alle hat er aber mit Sicherheit schon durch so manche elend langweilige Unterrichtsstunde gerettet. In der konservativen Publizistik ist dieses sympathische Power-Point-Genie wohl die Krautzone.

Die 2017 ins Leben gerufene Redaktion rund um Florian Müller bezeichnet sich selbst im Spaß als das „reaktionärste und libertärste Meinungsmagazin Deutschlands“ und hat sich Kaiser Wilhelm II. höchstpersönlich zum Schutzpatron erkoren. Das Heft erscheint im Zweimonatsrhythmus und kostet mit 6,90 Euro etwas weniger als eine normalgroße Schachtel Zigaretten. Da Rauchen aber ohnehin schlecht ist, kann die Summe – gleich nach dem Kauf der JUNGEN FREIHEIT – auch umstandslos in die Anschaffung einer Krautzonen-Schnupper-ausgabe investiert werden. Wem das erste Lesen gefällt, kann ein Abonnement abschließen, das vom „Normalabo“ über das „Wüstenfuchsabo“ bis hin zum „Kaiserabo“ reicht und unterschiedliche kleine Gadgets wie etwa ein Sonderheft beinhaltet. Beim Durchblättern bietet die Krautzone dann auf etwa 70 Seiten neben fundierten Sachstücken und Kommentaren vor allem zahllose Grafiken und Diagramme, die dem Leser ähnliche „Ohs!“ und „Ahs!“ entlocken wie damals in der Schulzeit.

Die Krautzone führt den Ehrentitel „Katapult von rechts“

Knallig bebildert, widmen sich die einzelnen Ausgaben dabei so unterschiedlichen Themen wie etwa der Geschichte des Deutschen Kaiserreichs oder der Wirtschaftskrise, die Deutschland und Europa seit Corona erschüttert. Die aktuelle Ausgabe befaßt sich unter dem augenzwinkernden Titel „Das schwache Geschlecht“ mit den Tücken des modernen Männerbildes. Die quietschbunten Grafiken haben der Krautzone inzwischen den Ehrentitel „Katapult von rechts“ eingebracht. Statt jedoch wie das linke Magazin aus Mecklenburg-Vorpommern mit hysterischen Grafiken vor dem Klimawandel zu warnen oder wie die „heute show“ immer wieder auf denselben zehn Politikern herumzuhacken, klärt die Krautzone im Großformat über die Migrationsströme nach Europa oder die Effekte geschlechtsangleichender Operationen auf. Mit anderen Worten: Während die Katapult-Redaktion in stetiger Angst davor leben muß, aus Versehen ein Kuchendiagramm der Tagesschau zu kopieren, versucht die Krautzone all die Themen zu veranschaulichen, zu denen es bis dato überhaupt noch keine richtigen Illustrationen gab. Und macht Blinde damit politisch gesprochen wieder sehend – eine geradezu biblische Wohltat, die für selbsternannte Reaktionäre allerdings ganz schön aufklärerisch daherkommt. Die Bilanz bis hierher lautet insofern: Besser als PowerPoint.

Dabei hat das Magazin für manchen Mitarbeiter tatsächlich schon im Klassenzimmer angefangen. Krautzone-Redakteur Philip R. beispielsweise hat die Zeitschrift seit der zweiten Ausgabe mitgestaltet. Das war während seiner Abiturzeit. „Wir fanden, daß die rechte Publizistik damals etwas angestaubt war“, erzählt der Journalist im Gespräch mit der jungen freiheit. Der harte Kern der Krautzone habe sich teilweise schon aus den Kreisen des libertären Magazins eigentümlich frei gekannt. Um die über ganz Deutschland verstreute Redaktion zu managen, würden regelmäßig alle Register der modernen Kommunikationstechnik gezogen. „Viele Kollegen sind nebenher noch berufstätig. Da wird über das Cover der nächsten Ausgabe schon mal per Abstimmung über den Messengerdienst am Handy entschieden“, erläutert R. Die Redaktion selbst ist zwar „nur“ fünf Mann stark, vereint aber mittlerweile schon weit mehr als ein Dutzend Kolumnisten auf sich. Darunter befinden sich auch illustre Namen wie etwa Reinhild Boßdorf von der konservativen Fraueninitiative „Lukreta“ oder Schlomo Finkelstein vom „Honigwabe“-Podcast. Ein solches Audioformat hat die Zeitschrift ebenfalls aufzubieten. Wöchentlich unterhalten sich die Redakteure im Krautzone-Podcast ungezwungen und wohltuend flapsig über all das, was gerade so ansteht im deutschen Medienrummel. Über 100 Folgen sind auf diese Weise schon zustande gekommen. Manch Podcaster schafft das nicht einmal ohne die zusätzliche Arbeit an einer Zeitschrift.

Diese unverstellte Jugendlichkeit merkt man der Redaktion sofort an. Damit sind nicht nur die witzigen Sprüche gemeint, die dem Leser auf so ziemlich jeder Seite der Krautzone in die Augen springen, sondern auch der Umstand, daß das Magazin in den sozialen Netzwerken liefert. Kaum ein Tag vergeht auf Instagram oder Twitter, an dem die Truppe um Chefredakteur Florian Müller nicht fleißig an neuen Memes für das Publikum arbeitet. Tagespolitik wird beständig zugespitzt, karikiert und mit Popkultur verquickt. Diese Strategie garantiert Lacher auch außerhalb der konservativ-libertären Ecke des rechten Lagers. Damit tritt die Krautzone auch den lebendigen Gegenbeweis zu der – durch die historische Faktenlage ja durchaus naheliegende – These an, daß konservativer Journalismus heute zu Unkenrufen und schlechter Laune verurteilt sei. „Uns Jungen fällt schon auf, daß die konservativen Medien meistens auf sehr ernst getrimmt sind“, schildert der Krautzonen-Redakteur seinen Eindruck. „Ich denke, daß diese apokalyptische Stimmung viele Leute eher abschreckt. Es ist wichtig, auch mal über sich selbst lachen zu können.“

Beim Merchandising erweist sich Wilhelm II. als Dauerbrenner

Man kann den Humor der Krautzone indes auch anders deuten. Nämlich als kluges Reiten auf der kapitalistischen Welle all dessen, was sich gut verkauft. Dazu gehören witzige Gags ebenso wie lässiges Infotainment in Form von quietschigen Erklär-Grafiken und -Tabellen. Selbst die Königsdisziplin des marktradikalen Wirtschaftens hat die Krautzone mittlerweile für sich gemeistert, nämlich das Merchandising. Beim Verkauf von Krautzone-Stickern und -Tassen hat sich dabei augenscheinlich herausgestellt, daß Wilhelm II. sich hervorragend als Werbeträger eignet – eine Erkenntnis, die wirklich nur im konservativen Milieu aufkommen konnte. Das mit einer Sonnenbrille aufgepeppte Konterfei des letzten deutschen Kaisers ziert als „Kaiser Chillhelm“ Basecaps, Poster und T-Shirts. „In manchen Monaten verdienen wir mehr Geld mit unserem Merchandising als mit der eigentlichen Zeitschrift“, amüsiert sich R. Einen echten Kassenschlager habe man zuletzt mit einem Quartett zum „Who is Who“ des rechten Milieus auf den Markt gebracht. Auf dem ironisch gehaltenen Kartenspiel sind sowohl Joseph Ratzinger als auch Donald Trump, sowohl Ellen Kositza als auch JF-Chefredakteur Dieter Stein verewigt. Was er der jungen freiheit an Merch raten würde? „Poster gehen immer“, sagt der Kraz-Journalist R. nach einigem Nachdenken. Zum Beispiel von Graf Schenk von Stauffenberg. Das würde, so sein fachmännisches Urteil, sicher sehr gut bei den JF-Lesern ankommen.

Foto: Der „Krautzonen“-Serviervorschlag: Mit Fleischwurst und Bier aus dem Stiefel genießen