© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 8/23 / 15. Februar 2023

Frisch gepresst

Humboldt. Zu seinem 250. Geburtstag im Herbst 2017 angekündigt, ist das vom Germanisten Cord-Friedrich Berghahn (TU Braunschweig) edierte und zur Hälfte auch selbst verfaßte Wilhelm-von-Humboldt-Handbuch mit fünfjähriger Verspätung endlich erschienen. Doch eine solche Verspätung verschlägt nichts bei einem jener Geistesriesen Preußen-Deutschlands, dessen Bedeutung hoffentlich in dem Maße zunehmen wird, wie sich die Herrschenden im postdemokratischen Zeitalter dazu rüsten, den „mündigen Bürger“ nach dem Vorbild Chinas künftig mit Überwachungssoftware zu kontrollieren und sanktionieren. Diese eigentliche Zeitenwende liegt Lichtjahre entfernt von Humboldt, der mit seinen „Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit des Staates zu bestimmen“ 1791 eine der Gründungsschriften des europäischen Liberalismus vorlegte. Das darin entworfene Ideal des freien Individuums, das sich in einem humanen „Nachtwächterstaat“ zur autonomen Persönlichkeit „bildet“, prägt das in der Bonner Republik noch mit Ewigkeitsgarantie versehene „Menschenbild des Grundgesetzes“, mit dem die Maßnahmen des Corona-Staates inzwischen gründlich aufgeräumt zu haben scheinen. Humboldts Œuvre setzt einen einzigen großen Kontrapunkt zu diesem heraufziehenden postdemokratischen Totalitarismus, und Berghahns Handbuch vermittelt dazu eine ausgezeichnete, wenn auch leider nicht wohlfeile Einführung. (wm)

Cord-Friedrich Berghahn (Hrsg.): Wilhelm-von-Humboldt-Handbuch. Leben, Werk, Wirkung. Verlag J. B. Metzler, Stuttgart 2022, gebunden, 426 Seiten, 89,95 Euro



Breker. Rainer Hackel, Autor einer vielbeachteten Monographie über den „umstrittenen“ Bildhauer Arno Breker, berichtet in der Titelgeschichte von seinen Besuchen bei dessen Familie und im Schloß Nörvenich, wo sich das Museum Europäische Kunst und das Arno-Breker-Museum befanden. Dort lernt er auch Joe F. Bodenstein kennen, den Galeristen des „Lieblingsbildhauers des Führers“, und erfährt von Brekers Witwe schier Unglaubliches über Bodensteins fragwürdige Umtriebe. Der Galerist Bodenstein hatte ohne Erlaubnis Raubgüsse von den orginalen Kleinplastiken des Künstlers anfertigen lassen. Schließlich ließ Frau Breker alle Plastiken aus Nörvenich entfernen, um auf ihrem Anwesen in Düsseldorf ein neues Arno-Breker-Museum ins Leben zu rufen. Die Ausflüge des Autors zum mitteldeutschen Dichter und Verleger Folkward bilden nach seinen Besuchen im Wilflinger Domizil Ernst Jüngers, seiner Freundschaft mit Gertrud Fussenegger und den Frankfurtern Literaten Ernst Herhaus und Martin Mosebach den Höhepunkt des Büchleins. (W.O.)


Rainer Hackel: Arno Brekers Garten und andere Ausflüge. Engelsdorfer Verlag, Leipzig 2023, broschiert, 77 Seiten, 10 Euro