© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Umwelt
Solidarität mit den Ziegen
Volker Kempf

Vor fünf Jahren attackierte der erste Wolf unweit des württembergischen Bad Wildbad im Nordschwarzwald eine Schafherde. Inzwischen kamen weitere hungrige Einzelgänger hinzu. Doch die Ziege, die vor Weihnachten in der Gemeinde Münstertal gerissen wurde, fiel einem Hund zum Opfer. Aber ein Blick auf die Erfahrungen in Ostdeutschland, der Schweiz und Polen zeige, daß „wir ein oder mehrere Rudel auch im Schwarzwald haben werden“, prognostizierte Meinrad Joos, Präsident des Schwarzwaldvereins, in der Badischen Zeitung. Der älteste Gebirgs- und Wanderverein ist allerdings auch im Naturschutz aktiv. Für den früheren Forstchef des Regierungspräsidiums Freiburg ist es daher ein „Dilemma“, sich auch für den Abschuß von Wölfen alles offenzuhalten. Dafür braucht es aber eine Änderung im Jagdgesetz, mit der erst nach der Landtagswahl 2026 zu rechnen sei. Zwei Wölfe seien nachweislich im Südschwarzwald unterwegs – und da beginnt die Solidarität mit den Ziegen und ihren Besitzern.

Ist der Wolf auch klug genug, sich keinem Naturkindergarten zu sehr zu nähern?

Den Schwarzwald mit Zäunen zum Schutz vor Wölfen zu versehen sei nicht praktikabel, das bedeute für Wildtiere allgemein eine Ausgrenzung und verschärfe den Verbiß im Wald. Auch für Wanderer seien Zäune auf weiter Flur hinderlich. Es wird wohl wie in Niedersachsen darauf hinauslaufen, daß Wölfe, die sich nicht damit begnügen, Wildtiere zu erbeuten, zum Abschuß freigegeben werden. Solidarität werden die Wolfsjäger dann aber kaum erwarten können, es sei denn, Isegrim stört den besonders geschützten Auerhahn. Der Wolf bleibt im Schwarzwald ein umstrittener Gast. Er dürfte nur eine Chance haben, sich dort nachhaltig anzusiedeln, wenn er es sich mit den Menschen nicht verscherzt. Die Intelligenz dafür habe der Wolf, so Joos mit Verweis auf wissenschaftliche Studien. Ob der Wolf auch klug genug ist, sich keinem Naturkindergarten zu sehr zu nähern, wird sich zeigen müssen. Denn sonst dürfte die Diskussion eine andere Dynamik gewinnen.