© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Von Mitläufern und einem Sektenguru
Geschlechterrevisionismus: Mit „Aus meiner Haut“ kommt schon wieder ein LGBT-Propagandafilm in die Kinos. Wie schlimm wird es diesmal?
Dietmar Mehrens

In deiner Haut möchte ich nicht stecken“, sagen wir, wenn jemand in eine Situation geraten ist, die wenig Anlaß zu Optimismus bietet. Tatsächlich geht es in Deutschland ja, wie das „Gesundheitsmonitoring“ des Robert-Koch-Instituts belegt, einer wachsenden Zahl von Menschen so. Eine von ihnen ist Leyla (Mala Emde, bekannt aus dem Antifa-Porträt „Und morgen die ganze Welt“, JF 45/20). Sie läßt sich zwar nichts anmerken, ist aber in ihrer Beziehung mit Tristan (Jonas Dassler) nicht so glücklich, wie es den Anschein hat, als man sie zu Beginn des Films in zärtlicher Zugewandtheit auf einem Kutter sitzen sieht. Leyla und Tristan sind auf dem Weg zu einer abgelegenen Insel, auf der eine seltsame Sekte ihr Unwesen treibt und ein gönnerhafter Guru (Edgar Selge) esoterische Paartherapien anbietet.

Durch Seelenmigration in einen anderen Körper schlüpfen

„Leyla, wo sind wir hier?“ wird Jonas ein paar Filmminuten später irritiert fragen, als er mit Leyla allein auf ihrem Zimmer ist. Der schräge Experimentalfilm von Alex und Dimitrij Schaad, bekannt geworden durch die Linksextremisten-Satire „Die Känguru-Chroniken“ (JF 11/20), braucht ganz schön lange, um darauf eine halbwegs vernünftige Antwort zu geben. Zuvor stellen die Schaads ihre Zuschauer erst einmal vor jede Menge Rätsel: Warum trägt der Sektenguru ein Tuch um den Kopf und nennt sich Stella? Zu welchem Zweck werden Leyla und Tristan bei dem festlichen Begrüßungsabendessen mit Fabienne (Maryam Zaree) und Mo (Dimitrij Schaad) zwei andere Teilnehmer dieser skurrilen Gruppen-Paartherapie zugelost? Was hat es mit dem Partnertausch auf sich, von dem Mo faselt, um sich anschließend demonstrativ zu Leyla zu setzen? Und was meint Stella, wenn er seinen Gästen ankündigt, sie würden bald die Erfahrung machen, ein völlig anderer Mensch zu sein?

Erst nachdem sie gemeinsam in ein rituelles Bad gestiegen sind und eine Einblendung verdeutlicht, daß Leyla jetzt Fabienne, Fabienne jetzt Leyla, Tristan jetzt Mo und Mo jetzt Tristan ist, wird ersichtlich, was Stella mit dem von ihm angekündigten Identitätswechsel meint: das Schlüpfen der Seele in einen anderen Körper. Was vor 25 Jahren in dem Reißer „Im Körper des Feindes“ mit Nicolas Cage und John Travolta nur durch Chirurgie möglich war, passiert hier durch Seelenmigration. Aber ein Reißer ist dieser Film weiß Gott nicht.

Während Tristan sich im Körper von Mo mit Fabienne im Körper von Leyla vergnügt, erklärt Stella Leyla im Körper von Fabienne, wie sie wieder in Einklang mit sich selbst kommen kann. So absurd, wie sich das Ganze anhört, ist es auch. Und spätestens wenn Tristan, jetzt wieder im eigenen Körper, nicht aus der Haut fährt, als er mit Leyla schlafen soll, obwohl die jetzt auf eigenen Wunsch im Körper des depressiven Roman (Thomas Wodianka), also eines Mannes, steckt, ist klar: Was eine Satire auf den grassierenden Gender-Mumpitz und die Mär von den gesellschaftlich konstruierten Geschlechterrollen hätte werden und dessen groteske Abwegigkeit vor Augen führen können, nimmt sich leider viel zu ernst und möchte der kranken Irrlehre offensichtlich sogar noch propagandistisch Schützenhilfe leisten.

Es lohnt sich, die ideologischen Hintergründe ein wenig auszuleuchten, denen „Aus meiner Haut“ seine Entstehung verdankt. Unsichtbar auf dem Regiestuhl saß nämlich die esoterische Grundkonstante der linksgrünen Transformations-Ideologie. Alles im Kosmos sei demzufolge im Fluß und der Kosmos selbst dieser Fluß, ein gigantisches organisches Wesen, in dem alles mit allem verbunden ist. Wo aber alles mit allem verbunden ist wie die Glieder einer unendlichen Kette, können diese Glieder ihre Positionen tauschen, ohne daß das große Ganze dadurch aus dem Tritt gerät.

Die Filmreklame macht auch gar keinen Hehl aus dieser Verbindung zum New-Age-Denken und nennt den Film eine „Liebesgeschichte, in der die Grenzen der Identitäten zerfließen und immer wieder neue Persönlichkeiten entstehen. Mit dem Erleben eines anderen Körpers ändert sich alles: Es formen und entwickeln sich Beziehungen und in den emotionalen Wanderungen zwischen Körper und Seele lösen sich nicht nur eingefahrene Rollenmuster auf: Genderfragen werden überflüssig [...].“

Platz für den neuen Menschen des Regenbogen-Zeitalters

Bei so viel Esoterikfibel-Jargon sieht man die Flowerpower-Blumen förmlich um sich herumtanzen. Zwar sagt Stella im Film zu Leyla: „Du bist der Mensch, der du bist, weil du den Körper hast, den du hast“, aber genau dieses Fundament allen Nachdenkens über die eigene Identität wird anschließend weggerissen, um Platz zu machen für den neuen Menschen des Regenbogen-Zeitalters. Zur Belohnung gab es für die üppig geförderte BR-/Arte-Koproduktion prompt den LGBT-Löwen („Queer Lion Award“) von Venedig, mit dem neuerdings auf den großen Filmfestspielen Werke ausgezeichnet werden, die sich in besonderer Weise um die Ziele des Geschlechterrevisionismus verdient machen. 

Bizarrer Kommunitäten, in deren Fängen denjenigen, die sich in sie verirren, am Ende Grauen und Vernichtung drohen, hat sich das Medium Film übrigens schon öfter angenommen. Im „Wicker Man“ (1973; vgl. DVD-Tip JF 19/22) und dessen Neuaufguß von 2006 sowie in dem schwedisch-amerikanischen Horrorfilm „Midsommar“ von 2019 gerieten naiv-ahnungslose Helden in die Klauen von religiösen Extremisten, die sich als Meuchelmörder entpuppten. Auf der Insel, die Leonardo DiCaprio in Martin Scorseses „Shutter Island“ (2010) betrat, mußte man sich ebenfalls auf das Schlimmste gefaßt machen. Auch das Märchen der Gebrüder Schaad wäre vermutlich zu retten gewesen, wenn die Regisseure sich für einen sektenkritischen Gruselfilm mit satirischen Einschlägen entschieden hätten und nicht für ein ideologiedurchseuchtes Gendersekten-Werbevideo in Problemfilm-Ästhetik.

Transformations-Dogmatiker werden trotzdem jubeln, alle, die es dagegen mit dem Motto des Künstlers Jonathan Meese halten, den Kopf schütteln. Der hatte in einer Kunstaktion für den Spiegel 2020 proklamiert: „Kunst verzichtet immer auf Mitläufer und Gurus.“


Kinostart ist am 2. Februar 2023