© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 06/23 / 03. Februar 2023

Wenn in Europa die Lichter ausgehen
Literaturverfilmung: In seinem Thriller „Blackout“ beschrieb Marc Elsberg ein Horrorszenario nach einem Stromausfall. Jetzt zeigt Sat.1 den Stoff als Miniserie mit Moritz Bleibtreu
Regina Bärthel

Infernalisches Gebrüll aus Hupen und kreischendem Metall, Funken sprühen durch die finstere Nacht. Wo eben noch die Lichter der Großstadt glühten, ist plötzlich jede elektrische Beleuchtung ausgefallen – inklusive aller Ampeln. Das durch einen totalen Stromausfall auf den Straßen Mailands entstehende Verkehrschaos ist plötzlich, komplett und für einige tödlich. Mit dieser sprachlich rasant geschilderten Situation läßt Autor Marc Elsberg seinen 2012 erschienenen Wissenschaftsthriller „Blackout“ beginnen, der auch heute nichts an Aktualität verloren hat. Ganz im Gegenteil.

Detailgenau und akribisch recherchiert schildert Elsberg, welche Auswirkungen ein Blackout mit sich bringt: Umgehend sind Heizungs- und Klimaanlagen, Wasserversorgung und öffentlicher Verkehr betroffen, rasch gefolgt von Kommunikation – also jeglicher Verbreitung von Information – sowie der Versorgung mit Nahrungsmitteln. Selbst Notstromaggregate helfen nur, solange der fossile Brennstoff noch reicht, eine Möglichkeit zum Nachtanken gibt es nicht mehr. Der Roman schildert eine Katastrophe, die sich aufgrund des eng miteinander verflochtenen Stromnetzes auf den gesamten europäischen Kontinent auswirkt. Es ist ein drei Wochen andauerndes, sich immer weiter steigerndes und äußerst realistisches Szenario, das nicht zuletzt den rasanten Verfall gesellschaftlicher Strukturen zugunsten individueller Überlebensstrategien deutlich macht. Dieser Blackout, der nicht nur die Sicherheit von Kernkraft-, sondern auch von Wasserkraftwerken massiv gefährdet, wird – das darf man sicherlich verraten – von einem umfassenden Cyberangriff durch Ökoterroristen ausgelöst. Heute würde man vielleicht von Umweltaktivisten sprechen.

Unternehmen sind verpflichtet, IT-Sicherheit zu gewährleisten

Vor Cyberangriffen auf kritische Infrastrukturen wird schon seit langem gewarnt; auch eine vom Deutschen Bundestag in Auftrag gegebene Studie beschäftigte sich bereits vor gut zehn Jahren mit der Verletzbarkeit moderner Gesellschaften am Beispiel eines massiven Stromausfalls. Inzwischen verpflichtet der Gesetzgeber Unternehmen durch verbindliche Regelungen, die IT-Sicherheit zu gewährleisten. Ob diese insbesondere angesichts der zum Teil globalen digitalen Vernetzung in der Lage sind, alle Sicherheitslücken zu schließen, ja diese überhaupt zu erkennen, ist allerdings fraglich. So ist es im Roman ein IT-Spezialist mit einer Vergangenheit als Hacker und Ökoaktivist, der den Cyberterroristen auf die Schliche kommt. 

Pikanterweise sind es ausgerechnet Smart-Meter, die dem digitalen Paulus erste Hinweise auf die lebensbedrohliche Attacke geben. Diese bestehen aus einem digitalen Stromzähler und einem Kommunikationsmodul, das den Zähler per Internet mit dem Netzbetreiber verbindet. Auch in Deutschland werden sie – sofern dem „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende“ (GNDEW) zugestimmt wird – bald zur Pflicht. Sie gilt dann ab einem jährlichen Verbrauch von 6.000 Kilowattstunden, aber auch für Nutzer eines eigenen Ladepunktes für das Elektroauto, einer Wärmepumpe oder einer Solaranlage.

Der aktuelle Verbrauch der einzelnen Smart-Meter wird übrigens permanent an den Netzbetreiber übertragen und ermöglicht diesem Eingriffe in die Versorgung des Kunden – zum Beispiel zur „Glättung von Verbrauchsspitzen und einem optimalen Einsatz vorhandener Speicherkapazitäten“. Wenn es also zu Engpässen in der Stromerzeugung kommt, wie zum Beispiel bei einer Dunkelflaute, könnten Verbraucher nicht nur von der Versorgung gekappt, sondern deren häusliche Speichermedien bis hin zur Batterie des Elektroautos zur kurzfristigen Netzstabilisierung angezapft werden, worauf auch ein Beitrag in der erweiterten Premiumausgabe des Romans „Blackout“ von 2021 hinweist. Das klingt nach Energiezuteilung und vergesellschafteten Stromspeichern. Meinte die damalige Kanzlerkandidatin Baerbock vielleicht dies, als sie vom „Netz als Speicher“ sprach?

Doch genug der Horrorszenarien und zurück zu „Blackout“. Marc Elsbergs 800 Seiten starker Thriller ist spannend und mitreißend, zugleich aber auch ein höchst informatives Lehrstück rund um Stromerzeugung und -verteilung, das mehr als zwei Millionen Leser erreichte und in 15 Sprachen übersetzt wurde. Die Verfilmung nach dem Drehbuch von Kai-Uwe Hasenheit und Lancelot von Naso kann die interessant vermittelten technischen Erläuterungen selbstredend nicht transportieren und setzt filmgerecht stärker auf emotionale Aspekte und spektakuläre Bilder. Auch die quasi gesamteuropäische Multiperspektive der Vorlage, was Orte und Figuren anbelangt, wurde stark begrenzt. Moritz Bleibtreu verkörpert den IT-Spezialisten mit Hackervergangenheit perfekt, Heiner Lauterbach ist der Hauptkommissar der Terrorismusbekämpfung auf den Leib geschrieben. Marie Leuenberger als deutscher Krisenstabsleiterin Frauke Michelsen wurden zwei Kinder hinzugeschrieben, was zum Konflikt zwischen Mutterschaft und verantwortungsvollem Posten führt. Nicht zuletzt genannt sei Herbert Knaup als machtorientierter und aalglatter Innenminister.

Buch wie Verfilmung machen das Publikum mit Sicherheit sensibler gegenüber der Störanfälligkeit des europäischen Stromnetzes. Leider wird in beiden Versionen nicht thematisiert, daß auch die fragwürdige deutsche „Energiewende“ einiges zu dieser Anfälligkeit beiträgt – ganz ohne terroristische oder aktivistische Angriffe.

Die nächsten „Blackout“-Folgen laufen am 2. und 9. Februar jeweils um 22.20 Uhr auf Sat.1

 www.sat1.de