© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 05/23 / 27. Januar 2023

92 Menschenschmuggler festgenommen
Bulgarien: Das Balkanland mit der Grenze zur Türkei will im Kampf gegen die Zunahme der illegalen Migration noch effizienter werden
Josef Hämmerling

Bulgarien entwickelt sich immer mehr zum Einfallstor von Migranten aus dem Nahen Osten nach Deutschland. So haben alleine zwischen Januar und dem 27. November 2022 mehr als 153.000 Personen versucht, die bulgarisch-türkische Grenze zu überqueren. Gegenüber 2021 bedeutet dies eine Verfünffachung, erklärte die Sprecherin des Generalstaatsanwalts, Siika Mileva. 

Grund hierfür sei „die lange Unterbrechung der institutionellen Beziehungen zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Innenministerium, die auf politischen Angriffen gegen die Justiz beruhte“, führte Mileva aus. Dadurch seien „im Kampf um den Schutz der bulgarischen Grenze und der nationalen Sicherheit“ auch vier bulgarische Polizisten gestorben“.

Mitte Januar kam es daraufhin zu einer konzertierten Aktion der bulgarischen Sicherheitsbehörden. Dabei wurden 624 Standorte überprüft sowie 4.202 Pkw und Lkw. Von den 7.019 überprüften Personen wurden 92 wegen Beteiligung an illegalem Menschenschmuggel festgenommen. 

Lediglich bei vier Angeklagten kam es zu Freisprüchen

„Die gemeinsamen Aktionen fanden in ganz Bulgarien statt und konzentrierten sich auf eine Reihe von Netzwerken, die Migranten von der Türkei über Bulgarien nach Serbien und dann nach Westeuropa schmuggeln. Die Hauptorganisatoren der Netzwerke, die auf dieser Route aktiv sind, sitzen in Bulgarien, Serbien und der Türkei“, heißt es in einer von der europäischen Polizeibehörde Europol veröffentlichten Erklärung.

Wie ernst das Problem ist, zeigen die folgenden Zahlen: Allein im Jahr 2022 wurden Mileva zufolge 1.006 Ermittlungsverfahren eingeleitet, 523 Anklageschriften wurden dem Gericht vorgelegt, gegen 940 Personen wurde Anklage erhoben und 590 Personen wurden wegen Veruntreuung verurteilt. Lediglich bei vier Angeklagten kam es zu Freisprüchen. Auch wurden im Landesinneren Bulgariens immer mehr illegale Migranten aufgegriffen. Hierbei handelte es sich zumeist um Personen aus Afghanistan, Syrien und Marokko.

Transportmittel der Schmuggler waren Lieferwagen, Wohnmobile und Busse. Die Preise für den kompletten Schleuserservice in größeren Gruppen lagen zwischen 2.000 und 3.000 Euro pro Person. Wurden die Migranten in einer kleineren Gruppe von fünf bis sechs Personen geschleust, dem sog. „VIP-Package“, beliefen sich die Summen auf bis zu 10.000 Euro. Die Zahlungen für die gesamte Reise erfolgten, nachdem der Hauptveranstalter aus der Türkei bestätigt hatte, daß die Migranten die bulgarisch-serbische Grenze erreicht hatten.

Dabei kam es Europol zufolge auch zu mehreren Todesfällen bei den bulgarischen Sicherheitsbehörden. So wurden im August 2022 bei einem Zwischenfall mit einem Bus, der illegale Migranten transportierte, zwei Polizeibeamte im Dienst getötet. Später im selben Jahr wurde ein Beamter der bulgarischen Grenzpolizei während einer regulären Patrouille an der Grenze zur Türkei erschossen. „Diese Vorfälle deuten auf eine Zunahme sowohl der Schmuggelaktivitäten als auch der Gewalttätigkeit der beteiligten kriminellen Netzwerke hin“, schlußfolgert Europol. 

Gleichzeitig bestritten die bulgarischen Behörden Vorwürfe über Gewalt und die illegale Zurückdrängung von Asylbewerbern. Diese waren in einer gemeinsamen Recherche des britischen Senders Sky News und Lighthouse Reports erhoben worden. Danach sollen aufgegriffene illegale Migranten unter menschenunwürdigen Umständen untergebracht und gequält worden sein. In einer Antwort Sofias an den Europarat heißt es hierzu: „Bulgarien hält sich strikt an das internationale humanitäre Recht und die Menschenrechte. Alle Maßnahmen zur Sicherstellung einer wirksamen Grenzverwaltung und -kontrolle werden unter Wahrung der Grundrechte und -freiheiten aller Personen, einschließlich des Asylrechts, durchgeführt.“