© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 04/23 / 20. Januar 2023

Ach, die liebe Verwandtschaft
Clan-Kriminalität: In mehreren Städten stehen gerade kriminelle Mitglieder arabischstämmiger Großfamilien vor Gericht / Lange Dauer verursacht hohe Kosten für Steuerzahler
Jörg Kürschner

Endlose Gerichtsverfahren gegen kriminelle arabische  Großfamilien, hohe Kosten zu Lasten der Steuerzahler, jahrzehntelange Ignoranz der Politik – der provozierte Rechtsstaat beginnt sich zu wehren.  

Die größte Regierungspartei, die SPD, hat lange gebraucht, bis sie die Brisanz der ausufernden Clankriminalität erkennen wollte. Das Bundesinnenministerium hat inzwischen ein bundesweites Lagebild im Kampf gegen die Clankriminalität erstellt. Es sei absolut inakzeptabel, „daß kriminelle Angehörige von Clans in ihren Familienstrukturen abgeschottet und nach ihrem eigenen Wertesystem außerhalb unseres Rechtsstaates leben“, betonte Ressortchefin Nancy Faeser (SPD) Ende vergangenen Jahres. Niemand stehe über dem Gesetz. „Und das müssen diese Mitglieder der Clans lernen – wenn es sein muß auf die harte Tour“. Deutliche Worte.

Der Weg zu dieser Erkenntnis war lang, denn in der Berliner SPD war noch vor zwei Jahren die Abschaffung des Begriffs Clankriminalität wegen angeblicher Diskriminierung gefordert worden. Beendet ist der bizarre Begriffsdiskurs aber noch lange nicht. In Berlin blockiert eine Linkpartei-Stadträtin Razzien im entsprechenden Milieu trotz Hinweisen auf illegales Glücksspiel, Schwarzarbeit und Gewerbeverstöße. Eine lokale Familien-Größe lobte die Linke aus dem Stadtteil Neukölln prompt als „Ehrenfrau“. In Nordrhein-Westfalen strebt Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) eine neue Definition von Clankriminalität an, „die nicht stigmatisiert“.  

Vor diesem Hintergrund politischer Kakophonie haben die Clans eine Serie aufsehenerregender Straftaten begangen, wie den Juwelendiebstahl aus dem historischen Grünen Gewölbe in Dresden (2019), den Diebstahl einer Goldmünze im Wert von rund 3,75 Millionen Euro aus dem Bode-Museum in Berlin (2017) oder den Raubüberfall auf die Schmuckabteilung im „Kaufhaus des Westens“ 2014. Der größte Schaden in Höhe von knapp 114 Millionen Euro war in der sächsischen Landeshauptstadt entstanden. Kurz vor Weihnachten kam es überraschend zur Rückgabe eines Großteils der allerdings zum Teil beschädigten Diebesbeute (JF 52/22). 

Im Gegenzug wollen die Mitglieder des angeklagten Berliner Remmo-Clans Geständnisse ablegen und dürften mit einem Strafrabatt rechnen. Am vergangenen Dienstag gab ein Angeklagter vor dem Landgericht Dresden zu Protokoll: „Ich wunderte mich, daß man sich so frei und unbemerkt dort bewegen konnte und das nicht bemerkt wurde“. Der Rückgabe der Juwelen ging eine Absprache zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft unter Einbeziehung des Gerichts voraus. Prozeßbeobachtern zufolge können die insgesamt sechs Angeklagten damit rechnen, nach dem Urteil aus der Untersuchungshaft entlassen zu werden. 

Der spektakuläre Goldmünzen-Raub aus dem Bode-Museum endete für die Remmo-Cousins, die bereits zuvor kriminell aufgefallen waren, mit Jugendstrafen von jeweils viereinhalb Jahren Haft. Außerdem müssen sie 3,3 Millionen Euro Strafe zahlen. Die hundert Kilogramm schwere Goldmünze „Big Maple Leaf“ ist bis heute verschwunden und wurde vermutlich zerstückelt und verkauft.

„Der Rechtsstaat läßt sich nicht auf der Nase herumtanzen“

Auch beim Juwelenraub im KaDeWe waren inzwischen verurteilte Mitglieder einer arabischen Großfamilie am Werk. Mehrfach. Mit Hammer, Axt, Machete und Reizgas bewaffnet, droschen die Männer auf die Schmuckvitrinen ein. Nach nur 79 Sekunden flohen die Räuber mit 15 Uhren und fünf Schmuckstücken im Wert von insgesamt 817.000 Euro. Die Beute fehlt bis heute. Bei den Clan-Straftaten geht es längst nicht nur um schweren Raub, sondern auch um Mordaufträge, Erpressung, Geldwäsche.

Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums konzentriert sich die Clan-Kriminalität auf Berlin, Nordrhein-Westfalen, Bremen und Niedersachsen. Dort hätten sich „kriminelle Strukturen der Clankriminalität in besonderer Weise verfestigt“, heißt es im „Bundeslagebild Organisierte Kriminalität 2021“. Danach ist zwischen 2020 auf 2021 die Zahl der Gruppierungen, die der Clankriminalität zugeordnet werden, von 41 auf 47 „leicht“ gestiegen. Überwiegend sind es Angehörige kurdisch- und arabischstämmiger Großfamilien.

Es müsse die Botschaft gesendet werden, „der Rechtsstaat läßt sich nicht auf der Nase herumtanzen“, betont die zuständige Ministerin Faeser immer wieder. Unter Zustimmung der Opposition im Bundestag. Doch es gibt Unterschiede zwischen CDU/CSU und AfD. Der Forderung des AfD-Abgeordneten Bernd Baumann, „hochkriminelle Clanmitglieder ohne deutschen Paß müssen abgeschoben werden, und zwar schnell“, wollte sich die Union nicht anschließen. 

Genau hier liegt häufig das Problem. Wenn kriminelle Familienmitglieder über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügen, können sie verurteilt, aber nicht abgeschoben werden. Mitunter gelingt dies wie im Fall des Miri-Clans. Deren Chef Ibrahim Miri mußte 2019 zweimal in den Libanon abgeschoben werden, da er sofort wieder nach Deutschland zurückgekehrt war. Die beiden Abschiebeflüge sollen den Steuerzahler nach Angaben des Präsidenten der Bundespolizei, Dieter Romann, etwa 111.000 Euro gekostet haben.

Die deutschen Strafverfolger tun sich oft schwer mit einer Verurteilung von kriminellen Clanmitgliedern. Am vergangenen Montag war der 90. Sitzungstag gegen Clan-Chef Arafat Abou-Chaker und drei seiner Brüder. Vor dem Berliner Landgericht geht es nicht etwa um Mordvorwürfe, sondern „nur“ um Körperverletzung, Erpressung und Beleidigung. Allesamt Vorhalte des Rappers Bushido gegen seinen früheren Manager Abou Chaker. Die Beweislage ist schwierig, das Gericht wird vorgeführt. Bushido nutzt die Prozesse, um zwei Musikalben, seine Autobiographie und drei Fernsehdokumentationen zu verfassen. Endet der Prozeß nicht mit einer Verurteilung, muß die Staatskasse für die Anwalts- und Gerichtskosten aufkommen. Manche Rechtsanwälte berechnen 3.000 Euro pro Sitzungstag.

Aber nicht immer kommen kriminelle Clanmitglieder ungeschoren davon. Ende Dezember hat das Düsseldorfer Landgericht das Familienoberhaupt des arabischstämmigen Al-Zein-Clans wegen Geiselnahme und Sozialbetrugs zu sechs Jahren verurteilt. Zwei seiner Söhne erhielten jeweils drei Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung sowie Betrugs. Wie in Dresden war auch in Düsseldorf dem Urteil eine Absprache vorausgegangen; Geständnisse gegen Strafrabatt. Apropos Sozialbetrug. „Sie trugen Rolex-Uhren und fuhren Mercedes S-Klasse“, bemerkte der Staatsanwalt und verwies darauf, daß die Angeklagten 456.000 Euro unberechtigt vom Jobcenter bezogen haben.