© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. KG www.jungefreiheit.de 02/23 / 06. Januar 2023

Partei der nützlichen Idioten
„Antirassismus“-Programm: CDU-Politiker wettern gern gegen eine „Woke“-Ideologie – die einige ihrer Parteifreunde munter mitfinanzieren
Björn Harms

Daß die Grünen mit aller Macht die Gesellschaft umbauen wollen, dürfte vielen nicht neu vorkommen. Unterstützt in ihrem Streben nach „Diversity“ und dem Kampf gegen „struktruellen Rassismus“ stehen der Partei auf Bundesebene die Koalitionspartner von SPD und FDP getreu zur Seite, ganz zu schweigen von der finanziell bestens ausgerüsteten „Zivilgesellschaft“. Als oppositionelle Kraft zum „woken Wahnsinn“ spielt sich neben der AfD zuletzt häufiger auch die Union auf. Doch ist das glaubhaft? Gerade die CDU fungiert in Bund und Ländern immer wieder als Steigbügelhalter radikal-linker Ideologie.

Erst Ende November stellte Brandenburgs Landesregierung, beinahe unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit, ein „Handlungskonzept gegen Rassismus“ vor. Beschlossen wurde der Antirassismus-Plan von den Koalitionspartnern aus SPD, den Grünen – und der CDU. Die enthaltenen Forderungen klingen mittlerweile vertraut: Mehr Geld und mehr Vielfalts-Projekte seien nötig, mehr Antirassismus-Schulungen müßten in der Verwaltung und im Bildungswesen durchgeführt werden. Doch der Plan stellt noch kühnere Behauptungen auf: So bemängeln die Autoren des Papiers, daß in der universitären Lehre „weiße Perspektiven oftmals als objektiv dargestellt werden“. Zudem wünscht man sich für die Justiz eine „diversitätsorientierte Organisationsentwicklung“, unter anderem deshalb, weil dort „überwiegend weiße Menschen tätig“ seien, was zu Angstzuständen bei Opfern rassistischer Gewalt führen könne.

Federführend tätig bei dem Papier war neben „Rassismusforschern“ wie Elisabeth Kaneza, die beim Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung (JF 52/20) arbeitet, unter anderem Peggy Piesche, 1968 im thüringischen Arnstadt geboren. Sie ist nicht nur eine zentrale Figur des woken Vorfelds der Grünen, sondern leitet mittlerweile auch den „Fachbereich politische Bildung und plurale Demokratie“ der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb), der wohl wichtigsten Insitution der politischen Jugend- und Erwachsenenbildung. Piesche soll mit ihrem Fachbereich eine „intersektionale politische Bildung“ für junge Menschen aufbereiten. Intersektionalität ist die Grundprämisse der „Critical Race Theory“ und beschreibt im Grunde eine Opferhierarchie: Migrantische und LGBTQ-Personen stehen oben, der böse, weiße Cis-Mann ganz unten (siehe Kasten). Der ehemaligen Referentin des Gunda-Werner-Instituts, einer Einrichtung der grünennahen Heinrich-Böll-Stiftung, geht es seit Jahren darum, das „Konzept der Intersektionalität auch in Deutschland und Europa zu verankern“. Dies bedeute „nicht nur eine akademische, sondern vor allem auch aktivistische Arbeit“ zu leisten. Wie aber sieht dieser vom Steuerzahler finanzierte Aktivismus aus? Die Institutionen müssen ausgehöhlt und umgebaut werden. „Wir brauchen Quoten“, fordert die Expertin für „Kritische Weißseinsforschung“ und „Black Feminist Studies“. Denn: „Das System will sich freiwillig nicht verändern.“

Objektivität als Merkmal einer „rassistischen Kultur“

Piesche lebt ihre anti-weiße Agitation in zahlreichen Publikationen und Talkrunden ganz offen aus. Sie forderte unter anderem beim Offenen Kanal Merseburg-Querfurt eine „30-Prozent-weiße-Männer-Quote“ in der Verwaltung. Menschen mit der falschen Hautfarbe müssen also „gegangen“ werden. Dinge wie „Individualismus“, „Perfektionismus“ oder „Objektivität“ sind in Piesches Weltsicht ohnehin klare Merkmale einer rassistischen „White Supremacy Culture“. So jedenfalls beschrieb sie es in einem Facebook-Post. Dank der großzügigen Fördermittel vom Bund, ausgebaut unter der Vorgängerregierung aus Union und SPD, kann ihr Fachbereich bei der bpb derzeit mit Geld um sich werfen. Zehn Antirassismus-Projekte mit jeweils 40.000 Euro bis 150.000 Euro Fördersumme wurden allein im vergangenen Jahr ausgeschrieben. Insgesamt flossen 2021 an den Fachbereich „Politische Bildung und plurale Demokratie“ 619.823,87 Euro, im Jahr 2022 wurde die Millionenmarke geknackt (1.154.268,91 Euro), wie das Bundesinnenministerium auf Anfrage der JUNGEN FREIHEIT mitteilte.

Die Zahl der Diversity-Bürokraten wächst in Deutschland kontinuierlich, vor allem seit die Union im November 2020 gemeinsam mit der SPD den „Maßnahmenkatalog gegen Rechtsextremismus und Rassismus“ vorgelegt hat. Hier versprach die Große Koalition der Zivilgesellschaft, also mehrheitlich linken Lobbygruppen, umfassende Unterstützung.

Das Antirassismus-Konzept in Brandenburg ist nur ein Beispiel von vielen, das beweist, wie tief die CDU bereits in linken Begriffen und Argumentationslogiken festhängt. In Hamburg etwa soll in den nächsten Wochen die Verfassung geändert werden. Die Bürgerschaft in der Hansestadt will eine Antifaschismusklausel einführen. „Antifaschismus“ besitzt jedoch vor allem einen instrumentellen Charakter, um die Ausgrenzung konkurrierender Meinungen zu legitimieren. Es ist seit jeher ein linker Kampfbegriff, wie zuletzt auch der Historiker Karlheinz Weißmann in dieser Zeitung dargestellt hat (JF 8/22).

Mitinitiiert hat die Verfassungsänderung, die unter anderem auch „Vielfalt und Weltoffenheit“ als „identitätsstiftend für die Stadtgesellschaft“ preist, der CDU-Politiker André Trepoll. Ausgerechnet in Hamburg spielt sich jedoch CDU-Landeschef Christopher Plöß immer wieder als konservative Stimme der Union auf. Auf Twitter warf er der Ampel-Regierung zuletzt „pure Ideologie“ und „radikale Identitätspolitik“ vor. Jene woke Ideologie verantworten jedoch auch andere CDU-Landeschefs wie eben in Brandenburg, vor allem aber die CDU-Ministerpräsidenten in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, wo jeweils die Grünen als Juniorpartner mitregieren. 

In Nordrhein-Westfalen etwa schnüffelt ab Sommer 2023 unter Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eine Meldestelle gegen „Queerfeindlichkeit“ nach Abtrünnigen. Gemeldet werden sollen hier „Diskriminierungen“ gegen LGBTQ-Personen, die nicht zur Anzeige kamen. Auch wenn laut Gesetz also kein Straftatbestand vorlag, kann es sein, daß eine Person in der Datenbank landet und stigmatisiert wird. Im schwarz-grünen Koalitionsvertrag leugnet die Koalition zudem die Zweigeschlechtlichkeit und spricht lieber von „unterschiedlicher Geschlechteridentität“ beziehungsweise „trans*, inter*, nicht-binären und queeren Menschen (LSBTIQ*). In den Behörden soll künftig ein „diversitätsbewußtes Bewerbungsverfahren entwickelt“ werden, wie die Parteien den Wunsch nach einer Migrantenquote in der Verwaltung umschreiben.

Ob Hamburgs CDU-Chef Plöß ein Problem mit dieser „radikalen Identitätspolitik“ seines Parteikollegen Wüst hat? Zumindest Schleswig-Holsteins CDU-Ministerpräsident Daniel Günther dürfte sich mit derartigen Formulierungen kaum schwertun, denn ähnliche Äußerungen finden sich auch im schwarz-grünen Koalitionsvertrag im Norden. Unter anderem unterstützt die CDU den Vorschlag, ausgedachte Pronomen an den Universitäten verpflichtend zu machen. Und natürlich wird auch hier die Migrantenquote im feinsten Beamtenton umschrieben: „Das Thema ‘Diversity’ nimmt weiterhin eine zentrale Rolle im Personalmanagement der Landesverwaltung ein.“





Intersektionalität

Intersektionalität (aus dem Englischen: intersection, zu deutsch Schnittstelle) steht für das zentrale Dogma der woken Ideologie. Der Begriff will das Zusammenwirken mehrerer und zeitgleicher Unterdrückungsmechanismen verdeutlichen, die eine Person erfährt. Der Mensch wird nicht mehr als Individuum betrachtet, sondern aufgrund seiner Gruppenzugehörigkeiten bewertet. Es handelt sich somit um eine Opferhierarchie. Gemäß intersektioneller Logik steht ein heterosexueller, weißer Mann ganz unten in der Gesellschaftspyramide, da er niemals Rassismus, Sexismus oder andere Diskriminierungen erfahren haben kann. Als migrantischer Einwanderer hingegen, mit möglichst vielen Diskriminierungsmerkmalen (Frau, schwarz, homosexuell etc.), stehen einem alle Türen offen. Den Begriff „Intersektionalität“ führte Ende der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts die amerikanische Juristin Kimberlé Crenshaw ein. Heute ist die Professorin an der University of California unter anderem als Ehrenpräsidentin der in Berlin ansässigen Organisation „Center for Intersectional Justice“ tätig. Gemeinsam mit dem Gunda-Werner-Institut ehrte man Crenshaw 2019 mit einer Gala in der Hauptstadt und einer Festschrift. Redaktionell dafür verantwortlich: Peggy Piesche. (ha)