© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Ein treuer Freund Deutschlands
Nachruf auf den früheren US-Präsidenten George Herbert Walker Bush: Seine Rolle bei der Wiedervereinigung Deutschlands bleibt unvergessen
Detlef Kühn

Dem 41. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika, George Herbert Walker Bush, der am 30. November im Alter von 94 Jahren verstarb, war nur eine Wahlperiode im Amt vergönnt, von Januar 1989 bis Januar 1993. Vor allem seine Außen- und Sicherheitspolitik rechtfertigt es, daß seiner besonders in Deutschland dankbar gedacht wird. Ohne die Hilfe des mächtigsten Mannes der Weltmacht USA wäre die Wiedervereinigung der Deutschen nach über 40 Jahren Teilung wohl nicht in weniger als einem Jahr zu bewerkstelligen gewesen.

In der zweiten Hälfte der achtziger Jahre waren Erosionserscheinungen im kommunistischen Lager nicht mehr zu übersehen. In der Sowjetunion wirkten sich die systembedingten Schwächen nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf die militärischen Möglichkeiten negativ aus. Michail Gorbatschow verordnete Glasnost und Perestroika (Transparenz und Umbau). Das Selbstbestimmungsrecht der Völker erkannte er auch bei den Satellitenstaaten der Sowjetunion an. Als am 9. November 1989 die Mauer fiel, blieben die sowjetischen Truppen in der DDR in ihren Kasernen. Die Wiedervereinigung der Deutschen war plötzlich eine reale Möglichkeit.

Diese Aussicht löste bei den Nachbarn der Deutschen nicht nur Freude aus. Im Dezember 1989 reiste der französische Staatspräsident François Mitterrand demonstrativ als erster Staatschef in die DDR, um die dortige Führung zu ermutigen und auszuloten, wie man ihr helfen könne. Er und die britische Ministerpräsidentin Margaret Thatcher versuchten auch, die Sowjets zum Eingreifen zu bewegen, was Gorbatschow allerdings ablehnte.

Über den US-Präsidenten hörte man in Bonn nichts dergleichen. Bush erinnerte sich, daß schon sein Vorgänger im Amt des Präsidenten, Ronald Reagan, 1987 bei einer Rede in Berlin vor dem Brandenburger Tor den sowjetischen Staatschef Gorbatschow aufgefordert hatte, die Mauer einzureißen. Nun erklärte sein Botschafter Vernon Walters in Bonn schon frühzeitig einem Journalisten, die USA hätten sich schließlich den Deutschen gegenüber verpflichtet, sie bei der Wiedervereinigung zu unterstützen: „Wenn sie jetzt möglich wird, dann freuen wir uns.“ Dieselbe Verpflichtung waren zwar auch die Nato- und EU-Partner Frankreich und Großbritannien eingegangen. Hier war die Freude über die Entwicklung in Mitteleuropa aber durchaus geteilt.

In der Endphase der Verhandlungen über die Modalitäten der Vereinigung spielte vor allem der künftige militärische Status Deutschlands eine Rolle. Die Bundesrepublik war schließlich Teil der Nato, die DDR gehörte dem System des Warschauer Pakts unter Führung der Sowjetunion an. Sollte man Deutschland jetzt in die Neutralität entlassen? Wer hatte daran ein Interesse? In dieser Situation ergriff Bush die Initiative. Er traf sich im Sommer 1990 in Reykjavik mit dem sowjetischen Parteiführer. Dem Vernehmen nach fragte er Gorbatschow, was ihm lieber sei: ein frei agierendes Deutschland oder ein irgendwie eingebundenes. Gorbatschow soll sich für ein eingebundenes Deutschland entschieden haben. Bush daraufhin: „Okay, dann binden wir es in die Nato ein. Das ist auch in Ihrem Interesse.“ Gorbatschow akzeptierte das, weil er keine andere Wahl hatte. Der Warschauer Pakt war zerbröselt, die Sowjetunion durch den Austritt der baltischen Staaten geschwächt Ein Jahr später wurde sie sang- und klanglos aufgelöst.

George H. W. Bush hat diese Entwicklung zum Ende des Kalten Krieges aktiv begleitet und mit den Mitteln der Diplomatie gestaltet. Die Wähler in den USA haben ihm seine erfolgreiche Außenpolitik nicht gedankt, sondern ihm die Wiederwahl aus innenpolitischen Gründen verweigert. Wir Deutsche dürfen ihm ohne Einschränkung dankbar sein.