© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

„Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Finanzbürokratie“
Grundsteuerreform: Bundesfinanzminister Olaf Scholz plädiert für ein wertabhängiges Modell, das beim Immobilienpreis ansetzt / Bayern für Flächenmodell
Christian Schreiber

Olaf Scholz hat eine undankbare Aufgabe: Der Finanzminister soll eine Steuer reformieren, die einen Teil der Wähler künftig höher belastet, deren Ertrag aber den Kommunen zusteht. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom April die bisherige Wertermittlung für die Grundsteuer verworfen. Für die Diskussionen mit den Bundesländern bringt der SPD-Vize zwei Bewertungsansätze ein: das wertun­abhängige „Flächenmodell“ und ein Modell, das sich am aktuellen Immobilenwert als Grundsteuer-Basis orientiert.

Scholz präferiert das zweite Modell, auch weil es seiner Meinung nach keiner Verfassungsänderung bedarf. Als früherer Hamburger Bürgermeister will er zudem, daß den Kommunen weiterhin hohe Einnahmen zufließen: Alles in allem sind das rund 14 Milliarden Euro jährlich – Tendenz stark steigend. 2010 waren es noch knapp elf Milliarden gewesen. Hamburg langte mit 238 Euro pro Kopf und Jahr am kräftigsten hin. Thüringen mit im Schnitt 77 Euro am wenigsten.

Diese Tendenz würde das wertabhängige Modell noch verschärfen. Deswegen will Scholz verhindern, daß Mieter und Eigentümer, die in teuren Gegenden noch relativ günstig wohnten, stärker belastet werden: „Ich möchte, daß diejenigen Grundeigentümer belohnt werden, die eine geringe Miete nehmen.“ Auch für den Vorschlag, Hausbesitzern zu verbieten, die Grundsteuer auf die Mieter umzulegen, sei er „offen“.

Was deutsche Mietervereine und Linke jubeln läßt, kommt bei Eigentümern naturgemäß schlecht an. Immobilienverbände und Unternehmensvertreter, die künftig mit höheren Grundsteuern rechnen müssen, stellen Scholz’ wert­abhängiges Modell aber auch grundsätzlich in Frage: Es sei „Irrsinn und Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Finanzbürokratie, die ihresgleichen sucht“, erklärte der Präsident des sächsischen Landesverbandes von Haus & Grund, René Hobusch, im MDR. Die Einführung von Wertfaktoren werde das Wohnen künftig verteuern.

Nettokaltmiete, Wohnfläche, Bodenrichtwert und Baujahr

Ein Blick in die USA zeigt, daß die Wohnkosten auf jeden Fall schwanken würden. Die dortige Property Tax richtet sich nach dem öffentlich einsehbaren Gutachterschätzwert des Immobilienobjekts. Vor der Finanzkrise waren daher die lokalen Grundsteuern hoch, in der Krise niedrig. Derzeit steigen sie. In „sozialen Brennpunkten“ sind die US-Grundsteuern niedrig, in prosperierenden Gegenden, entsprechend der Nachfrage, hoch. Insofern wäre das Scholz-Modell „marktwirtschaftlich“.

Scholz braucht für seine Pläne eine Mehrheit im Bundesrat. Karlsruhe verlangt zwar bis Ende 2019 eine Neuregelung, aber die Grundsteuer darf noch bis Ende 2024 nach den alten Regeln erhoben werden. In den alten Bundesländern stammen die Einheitswerte für die Berechnung aus dem Jahr 1964, in den neuen Bundesländern reichen sie bis 1935 zurück. Ab dem Jahr 2020 müssen die Daten aktuell erhoben werden. Ab 2025 soll dann die Grundsteuer B nach den neuen Regeln gelten.

Das von CSU und Freien Wählern regierte Bayern will am wertunabhängigen Modell festhalten, das ausschließlich Grundstücksgröße und Wohnfläche berücksichtigt. Ansonsten würden die Abgaben für Hausbesitzer und Mieter (Stichwort: Nebenkosten) in München oder in den Universitätsstädten explodieren. Aus der Berliner Verwaltung hieß es dagegen, eine wertabhängige Komponente werde „grundsätzlich“ begrüßt.

„Bei der Berechnung sollten Faktoren wie Nettokaltmiete, Wohnfläche, Bodenrichtwert und Baujahr eine grundlegende Rolle spielen, damit Besitzer billiger Immobilien nicht genausoviel Steuern zahlen müssen wie Inhaber teurer Häuser und Wohnungen“, erklärte Schleswig-Holsteins grüne Finanzministerin Monika Heinold bei NDR Info. Die AfD verlangt die Abschaffung der Grundsteuer: „Das Wohneigentum muß endlich auch in Deutschland europäisches Niveau erreichen“, so der Bundestagsabgeordnete Marc Bernhard. „Wir müssen ein Modell finden, das umsetzbar ist. Wir können auf gar keinen Fall den Kommunen am Ende dieses Zeitraums sagen, wir haben es nicht geschafft“, meinte hingegen die finanzpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Antje Tillmann.

 bundesfinanzministerium.de