© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Viele Aktivisten haben Blut geleckt
Frankreich: Präsident Emmanuel Macrons halbherziger Aufschub bei der Kraftstoffsteuer stößt auf Skepsis
Friedrich-Thorsten Müller

Nach einem dritten Protestwochenende der „Gelbwesten“ mit einer sechsstelligen Teilnehmerzahl gibt Frankreichs Regierung klein bei. Wie Premierminister Edouard Philippe am Dienstag mitteilte, wird die für Januar geplante Erhöhung der Kraftstoffsteuer um zunächst sechs Monate verschoben. Präsident Emmanuel Macron will bis dahin den Dialog mit der Protestbewegung suchen und diese geplante Maßnahme besser erklären. 

In der Praxis dürfte sich das aber mehr als schwierig gestalten. Nachdem Macron zunächst den Dialog mit den „Gelbwesten“ verweigert hatte, wollte er sich diese Woche nach Gesprächen mit Politikern aller Parlamentsparteien auch mit Vertretern der Protestbewegung treffen.

Diese sagten das Treffen aber kurzfristig ab, da sie persönlich von radikalen Kräften aus der eigenen Bewegung bedroht worden seien. Fragwürdig ist der Erfolg eines Dialogs auch, weil viele Aktivisten inzwischen „Blut geleckt“ haben. 

Zwei Gelbwesten zu Haftstrafen verurteilt

Benjamin Cauchy, einer der Protestführer, bezeichnete die Zugeständnisse der Regierung lediglich als „ersten Schritt“, wobei man sich aber nicht „mit Krümeln abfinden“ werde. Gefordert wird eine generelle Entlastung der Mittelschicht.

Vorangegangen war ein Wochenende mit teilweise bürgerkriegsähnlichen Zuständen vor allem in der Hauptstadt Paris. Dort wurde unter anderem auf den Champs-Élysées der Triumphbogen gestürmt. Die Eindringlinge zerschlugen dabei ein Gipsmodell aus den dreißiger Jahren und köpften eine Napoleon-Büste aus Marmor. Außerdem wurden Graffiti auf das Pariser Wahrzeichen gesprüht. Der Schaden geht in die Hunderttausende. Aber auch in vielen anderen Städten kommt es weiterhin zu Protesten, und die anhaltenden Blockaden von Raffinerien zeigen ihre erste Wirkung. Bereits 440 Tankstellen in Frankreich meldeten Lieferengpässe oder mußten ganz geschlossen werden.

Nach Angaben des Innenministeriums haben sich am Wochenende 136.000 Menschen an den Protesten beteiligt. Dabei kam es zu mindestens drei Todesfällen und 263 Verletzten, darunter mehr als die Hälfte in Paris. Insgesamt 400 Demonstranten wurden festgenommen. Die Vorsitzende des Rassemblement National (RN), Marine Le Pen, machte für die Ausschreitungen Linksextremisten verantwortlich, die sich unter die Demonstranten gemischt hätten.

Indes hatte die Brandschatzung der Präfektur von Puy-en-Velay am vergangenen Samstag bereits ein erstes juristisches Nachspiel. Am Montag verurteilte ein Schnellgericht zwei „Gelbwesten“ wegen Ausschreitungen zu dreimonatigen Haftstrafen.