© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

„Spanien ist erwacht, Gott sei Dank“
Vox: Die rechtskonservative Partei führte bis dato ein Schattendasein – nun mischt sie Andalusien auf
Gert Bachmann

Santiago Abascal jubilierte. „Dank den 400.000 Andalusiern, die dem Vox-Projekt ihr Vertrauen geschenkt haben. Wir werden sie nicht enttäuschen. Andalusien für Spanien“, rief er seinen Parteifreunden zu. Vox habe nun die Schlüssel Andalusiens in der Hand, um den Sozialismus zu vertreiben und den Kommunismus à la Chávez abzuschrecken.

„España Viva“ skandierten diese am Sonntag abend und feierten die „Reconquista“. Die national-konservative  Vox erhielt 391.000 Stimmen (10,9 Prozent) und eroberte zwölf Sitze im 109 Sitze zählenden andalusischen Parlament  – ein Ergebnis, das die Erwartungen und vor allem Umfragen weit übertraf. „Meine herzlichen Glückwünsche an unsere Vox-Freunde“ twitterte Rassemblement-National-Chefin Marine Le Pen in Richtung der „jungen und dynamischen Bewegung“.

Migrationsdruck auf Andalusien ausschlaggebend   

„Spanien zuerst“, „Gemeinsam machen wir Spanien groß“, „Wer kommt, um die Hand aufzuhalten und nicht um Spanien groß zu machen, muß wieder gehen,“ waren die Losungen Abascals im Vorfeld der Wahl. Wer ist der Mann, der sich mit Trumpscher Rhetorik anschickt, einen der letzten blinden Flecken des Rechtspopulismus in Europa nur mehr für Historiker interessant zu gestalten?

Santiago Abascal war vor seiner Vox- Zeit Mitglied des konservativen Partido Popular. Auch sein Vater war ein baskischer Konservativer, der jahrzehntelang Morddrohungen der ETA ausgesetzt gewesen ist. Um die Standhaftigkeit seines Vaters zu untermauern, bedient sich Vox, die „Partei des kleines Mannes“, des alten Schlagers „Resistire“.

„Ich werde standhalten. Aufrecht gegen alles. Ich werde mich in Eisen verwandeln“, dröhnt es bei den Parteiveranstaltungen aus den Boxen. Ein Text, der einem Marschlied gleicht, im Spanischen jedoch durchaus charttauglich erscheint.

Vox, „die Stimme“, wurde 2014 gegründet. Bei den Parlamentswahlen 2016 erzielte sie etwa 50.000 Stimmen. In den Umfragen schwankte Vox noch kurz vor der Wahö zwischen 1,5 und fünf Prozent – ausreichend für einen Sitz im spanischen Parlament. 

Punkten konnte Vox aufgrund des steigenden Migrationsdrucks  auf Andalusiens Küste. Gerade angesichts der regelrechten „Refugees welcome“-Politik der sozialistischen Regierung unter Führung von Pedro Sánchez. 

„Es hat sich etwas verändert“, erklärt  Abascal gegenüber Reuters. Sprach er früher vor einigen Dutzend Anhängern, kommen heute Tausende zu seinen Veranstaltungen, wo ihm frenetischer Jubel samt einem rot-gelb-roten Fahnenmeer entgegenbrandet. Vergleichbar einem Stierkämpfer. Ein Bild, mit dem die Regie der Veranstaltungen bewußt kokettiert. 

„Das lebende Spanien ist erwacht. Gott sei Dank.“ Ein Terminus, der sich wie ein roter Faden durch die Reden Abascals zieht. „Jemand muß Spanien schützen vor der Bedrohung des katalanischen Separatismus, der illegalen Migration und den Angriffen auf die traditionelle Familie“, erklärt der 42jährige.  

Die nächste Bewährungsprobe ist die EU-Wahl 2019. Erste Kontakte zum Rassemblement National von Marine Le Pen sind bereits geknüpft. Lega-Chef Matteo Salvini ist das große Vorbild Abascals.  

Mit Steve Bannons Projekt „The Movement“, dem Versuch einer europaweiten Koordination populistischer Parteien, befindet man sich im Austausch, aber unter Vorbehalten. „Wir wollen kein Satellit werden. Wir tragen nur für die nationalen Interessen Spaniens Verantwortung“, zieht Abascal eine rote Linie für die internationale Zusammenarbeit. Auch die Mitgliedschaft in der Eurozone stellt Vox nicht in Frage.

In Andalusien ist Vox nun Zünglein an der Waage. Zwar gewann die sozialistische PSOE unter Führung von Susana Díaz die Wahlen. Doch der Verlust von 14 Sitzen wiegt schwer. Ihre 33 Abgeordnetensitze, zusammen mit den 17 von Adelanta Andalucía (ein Bündnis der linken Parteien Podemos und der Vereinigten Linken), sind weit entfernt von der absoluten Mehrheit von 55 Sitzen.

Dagegen, so El País, berieten die Kandidaten der konservativen Volkspartei (PP; 26 Sitze) Juan Manuel Moreno und Juan Marín von der bürgerlich-liberalen Ciudadanos (21 Sitze) bereits über die Regierungsbildung. Eine Kooperation mit Vox sei nicht ausgeschlossen, so das Madrider Blatt.