© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Tschö mit Kö!
AfD: Ein Bundesvorstand verabschiedet sich aus der Partei / „Zu viele Verbalradikale“
Christian Vollradt

Er ist dann mal weg. Steffen Königer, bis Donnerstag vergangener Woche Beisitzer im AfD-Bundesvorstand, ist aus der Partei ausgetreten. „Für mich ist jetzt ein Zeitpunkt erreicht, an dem ich mit meinem Gewissen nicht mehr vereinbaren kann, was geschieht“, sagte der brandenburgische Landtagsabgeordnete auf einer Pressekonferenz in Potsdam. 

Bisher habe er geglaubt, daß die Bürgerlichen es noch schaffen, das Ruder herumzureißen, die Verbalradikalen hinauszudrängen. Dieser Glaube sei geschwunden. „Der Flügel agiert nach dem Motto ‘Wir wollen nicht den Kuchen, sondern die ganze Bäckerei.’ Und ich habe keine Lust darauf, darin ein Krümel zu sein“, so Königer. Auch in der Arbeit seiner eigenen Fraktion gehe es meistens nur darum, „schnelle Aufreger zu generieren, die die eigene Klientel – vor allem in den Filterblasen der Sozialen Medien – befriedigen sollen.“ An der Gestaltung des Landes mitzuwirken „steht nicht selten im Hintergrund“, kritisierte der Abgeordnete. Gerade darin sehen seine ehemaligen Fraktionskollegen ein ungerechtfertigtes Nachtreten und einen „billigen Abgrenzungsversuch“. Der Potsdamer Fraktion gehe es nicht um vordergründigen Krawall; „wir sind mit viel Herzblut bei der Sache“, betont ein Mitglied im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Letztlich sei der jetzige Ausstieg des Abgeordneten aus Werder an der Havel „die Konsequenz seines vorherigen Scheiterns – sowohl in der Partei als auch in der Fraktion“. 

Ausdrücklich widersprach Königer der Interpretation, Grund für seinen Parteiaustritt sei die Tatsache, daß er bei der Europawahlversammlung das Rennen um Listenplatz 4 verloren hatte (JF 48/18). Allerdings sei der Parteitag in Magdeburg tatsächlich auch ein Auslöser gewesen. Ihn habe dort erschreckt, wieviel Beifall und zum Teil stehende Ovationen manche Verschwörungstheorien bekommen hätten. 

Natürlich stehe Königers Entscheidung im Zusammenhang mit seiner Nicht-Wahl für einen aussichtsreichen Listenplatz, meinen viele in der AfD.  Und insbesondere unter denen, die sich als Repräsentanten des moderaten, bürgerlich-konservativen Lagers innerhalb der Partei sehen, reagierte mancher sehr enttäuscht. „Stinksauer“ auf ihn sei man – das ist häufiger zu hören, verbunden mit der Bitte, so nicht zitiert zu werden. Erneut habe Königer sein Vorgehen niemandem in der Partei angekündigt. Genauso unabgesprochen habe er in Magdeburg für den Listenplatz 4 kandidiert, obwohl gemäß Absprachen im moderaten Lager Lars-Patrick Berg aus Baden-Württemberg unterstützt werden sollte. Der hatte sich bereits im ersten Wahlgang durchgesetzt. 

„Er war kein Teamplayer“, so der Vorwurf von Leuten, die Königer inhaltlich sogar nahestehen und darauf hinweisen, daß er in seiner Kritik am Zustand der AfD gar nicht so unrecht habe. Aber, so der Vorwurf, was habe sich denn bitteschön verändert zwischen dem Parteitag in Hannover, auf dem Königer sich in den Bundesvorstand wählen ließ, und dem in Magdeburg? Zitierbare Urteile fallen freilich weniger heftig aus. Die von Königer für seinen Austritt angeführten Gründe könne man so nicht stehenlassen, teilte der Sprecher der Alternativen Mitte Brandenburg, Axel Brösicke, mit. „Der Landesverband der AfD in Brandenburg gilt aus unserer Sicht als Beispiel für eine gelungene Integration der Strömungen innerhalb der AfD und ist geprägt von einer konstruktiven Zusammenarbeit“, heißt es weiter. 

So sahen es – zumindest nach außen – vor kurzem auch Königer und sein parteiinterner Widerpart, Brandenburgs Landes- und Fraktionschef Andreas Kalbitz. Beide saßen Anfang November auf einem Podium der AfD in Hannover, um über die künftige Ausrichtung der Partei zu diskutieren. Beide lobten übereinstimmend den „Brandenburger Weg“: inhaltlicher Streit – ja, aber stets sachlich und ohne persönliche Attacken. Manchem im Publikum verlief das zu harmonisch. „Ich hätte mir mehr Streit gewünscht“, meinte ein Zuhörer. Vielleicht, resümiert ein anderer rückblickend, habe Königers geringe Angriffslust daran gelegen, „daß er schon innerlich gekündigt hatte“. 

Kieler Fraktion wirft    Sayn-Wittgenstein raus

Ob er seinen Austritt auch als eine Art Fanal verstanden wissen will? Nein, dahinter stehe ausschließlich eine Gewissensentscheidung. „Erst auszutreten, wenn die AfD vom Verfassungsschutz beobachtet wird, wäre zu spät“, ergänzte Königer gegenüber der jungen freiheit. Die Hoffnung, daß aus dem „gärigen Haufen“ AfD doch noch eine konservative Volkspartei werde, habe er aufgegeben. Daher werde er „ehrliche konservativ-bürgerliche Politik“ künftig als fraktionsloser Abgeordneter machen.

Gezwungenermaßen fraktionslos wird unterdessen auch Doris von Sayn-Wittgenstein dem Landtag von Schleswig-Holstein angehören. Die Kieler AfD-Fraktion hat am Dienstag die Abgeordnete und Landesvorsitzende aus der Partei ausgeschlossen. Begründung: Sie hatte zugegeben, den Verein „Gedächtnisstätte“ unterstützt und ihm seit Jahren als Mitglied angehört zu haben. Wittgenstein habe zudem gewußt, daß zu „dessen Mitgliedern und Vertretern Holocaust-Leugner gehören“, teilte der Fraktionsvorsitzende Jörg Nobis mit. Der Ausschluß basiere auf einer politischen Ermessensentscheidung darüber, „ob die Abgeordnete durch ihr Verhalten das Ansehen der Fraktion und die vertrauensvolle Zusammenarbeit innerhalb der Fraktion nachhaltig beschädigt hat“. Dies habe man bejaht.