© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 50/18 / 07. Dezember 2018

Proteste gegen die Regierung in Frankreich
Die Straße bebt
Jürgen Liminski

Frankreich in der Schockstarre: Im Palais Matignon, Sitz des Premiers, ist ein Kommen und Gehen, im Palais Bourbon, Sitz des Parlaments, rauchen die Debattenköpfe, im Elysee ist es still um den Präsidenten. Das Establishment ist herausgefordert. Es herrscht vorrevolutionäre Stimmung, der dritte Stand begehrt auf. Aber es gibt, ähnlich wie  1789, keinen Abbé Sieyès, der die Forderungen des Prekariats, des dritten Stands von heute, formuliert. Es geht längst nicht mehr um den Benzinpreis. Die Forderungen sind politisch. Man verlangt, wie einst, Teilhabe an der Macht. Man fühlt sich von Macron getäuscht und verachtet. Sein Versprechen, die Steuern zu senken, hat er erfüllt – für die Reichen. Den Arbeitsmarkt hat er gelockert – für die Unternehmen. Europa will er reformieren – für die Banken. Wer Elend sät, wird Wut ernten, stand auf dem Rücken einer Gelbweste. 

Die Bewegung ist nicht mehr kontrollierbar. Die Elitären in den Palästen Matignon, Elysee und Bourbon haben keine Wahl. Die Schäden und Umsatzverluste durch die Gewalt gehen in die Milliarden. Die erhoffte Rendite der geplanten Reformen löst sich in Rauch auf, ebenso Macrons Traum vom Musterschüler Europas. Wenn es nicht bald eine politische Antwort gibt, wird der Protest breitere Solidarität finden. An den Schulen gärt es, die Bauern solidarisieren sich, der Rückhalt in der Bevölkerung bleibt stark. Die Straße bebt.