© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 48/18 / 23. November 2018

Auf der Suche nach dem deutschen Islam
Islamkonferenz: Ein neues Konzept soll auch kritischen Stimmen mehr Platz einräumen / Erstmals seit 2009 wieder Einzelpersonen vertreten
Björn Harms

Am 28. November soll es soweit sein. Dann startet die Deutsche Islamkonferenz mit einer Auftaktveranstaltung in ihre mittlerweile vierte Phase. Zuletzt war es rund um die 2006 ins Leben gerufene Dialogplattform zwischen Staat und Muslimen ruhig geworden, auch weil der Veranstalter, das Bundesinnenministerium, keine Einzelpersonen mehr eingeladen hatte. Reaktionäre Islamverbände konnten ihren Einfluß auf die Konferenz stetig vergrößern. Die Kritik daran wuchs. Nun aber soll Veränderung her. 

Das Innenministerium verspricht eine erhöhte Teilnehmerzahl, mehr islamkritische Stimmen und intensivere Gesprächsformate. Auch strittige Themen wie die zunehmende Radikalisierung unter Muslimen sollen auf den Tisch. Bereits Mitte März hatte eine erste Planungsveranstaltung die inhaltliche, personelle und strukturelle Ausrichtung dafür festgelegt. Markus Kerber, Staatssekretär im Innenressort und verantwortlich für die Organisation der Konferenz, wandte sich mit deutlichen Worten an die Öffentlichkeit: „Es gibt einen deutschen Katholizismus, es gibt einen deutschen Protestantismus, und es gibt ein deutsches Judentum“, erklärte er. „Und wenn es einen Islam geben soll, der zu Deutschland gehört, dann müssen die deutschen Muslime ihn als ‘deutschen Islam’ definieren – und zwar auf dem Boden unserer Verfassung“.

So soll es künftig keine festen Mitgliedschaften mehr geben, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Vielmehr will das Innenministerium „themen- und anlaßbezogene, variable und flexible Formate“ etablieren. Auch für „nichtorganisierte muslimische Mitbürger“ und islamkritische Stimmen soll ein Platz reserviert werden. In den Augen vieler Kritiker ein längst überfälliger Schritt. Die Soziologin Necla Kelek etwa, von 2005 bis 2009 Mitglied der Islamkonferenz, hielt den Austausch schon für gescheitert. Nachdem ab 2009 keine Einzelpersonen mehr zugelassen worden waren, hätten reaktionäre Islamverbände unter den zehn teilnehmenden muslimischen Organisationen die Deutungshoheit gewonnen, beklagte Kelek. 

Verfassungsschutz überprüft Überwachung von Ditib

Mit diesen Organisationen habe es keine Annäherung an ein gemeinsames Wertesystem gegeben. Von der türkischen Regierung hätten sich die Verbände nie gelöst. Oberste Prämisse sei noch immer eine Abgrenzung zur deutschen Kultur. Auch deshalb forderte Staatssekretär Kerber im Berliner Tagesspiegel zum wiederholten Mal eine größere Unabhängigkeit der muslimischen Verbände von ausländischen Staaten. „Das funktioniert aber nur, wenn die Muslime hierzulande eigene, ihrem Lebensgefühl in Deutschland entsprechende Kriterien erarbeiten und entsprechendes Religionspersonal ausbilden“, mahnte er. Die Ausbildung und Finanzierung deutscher Imame gilt noch immer als eines der größten Probleme im Hinblick auf eine gelungene Integration.

Doch die erzkonservativen Islamverbände, die in letzten Jahren einen kritischen Dialog weitgehend verhinderten, deuten die jetzigen Veränderungen als Einmischung. So echauffierte sich der Vorsitzende des Islamrats, Ali K?z?lkaya: „Zweimal Islam mit Salami und Vorderschinken ohne Knoblauch. Dazu noch zwei Weizen, bitte! Innenministerium bestellt Islam nach Wunsch. Was für eine Anmaßung.“ Ähnliche Verlautbarungen kommen auch von der größten sunnitisch-islamischen Organisation in Deutschland, Ditib, die seit Beginn der Deutschen Islamkonferenz als Teilnehmerin vertreten ist. Erst im September war bekanntgeworden, daß das Bundesamt für Verfassungsschutz eine Beobachtung des Verbands prüft. Ein 66seitiges Dossier für die Landesämter listete Verbindungen von Ditib zur türkisch-nationalistischen Milli-Görüs-Bewegung und den rechtsextremen Grauen Wölfen auf. 

Doch praktisch alle Landesämter des Verfassungsschutzes scheinen die Pläne derzeit abzulehnen. Besonders die Länder mit großen Ditib-Landesverbänden wie Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Bayern sollen die Pläne als überzogen bezeichnet haben. Sollte Ditib jedoch geheimdienstlich überwacht werden, müßte der Verein wohl auch aus der Deutschen Islamkonferenz ausscheiden.