© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

Frisch gepresst

Islamforscher. An der heute noch bestimmenden, mittlerweile aber als „eurozentrisch“ stigmatisierten Wahrnehmung des Orients und der islamischen Religion hat eine winzige Schar von Gelehrten bedeutenden Anteil, die an den Universitäten des 19. Jahrhunderts das marginale Fach der Semitischen Philologie vertrat, das aus dem Hebräisch-Unterricht entstanden war und sich verselbständigt hatte. Erst um 1900, im Kontext der forcierten imperialistischen Expansion im Nahen Osten, lockerte es seine sprachwissenschaftlichen Wurzeln und erweiterte sich zur „Kulturkunde“, die Geschichte, Gesellschaft und Religion islamischer Völkerschaften ins Zentrum ihrer Neugier rückte. In diese Übergangsphase vor dem Ersten Weltkrieg führt die Anforderungen an eine Doktorarbeit weit übererfüllende, von eminenten Kenntnissen zeugende Rostocker Dissertation Lisa Medrows, die sich drei führenden Fachvertretern dieser Zeit widmet: Ignaz Goldziher, dem ungarisch-jüdischen Pionier der Islamwissenschaft, dem Niederländer Christiaan Snouck Hurgronje und dem Deutschen Carl Heinrich Becker, dessen Anteil gerade an der kulturkundlichen Ausrichtung des Faches rückschauend oft zugunsten seiner Rolle als preußischer Kultusminister, als „Humboldt der Weimarer Republik“, vergessen wird. Zur aktuellen Debatte über die Islamisierung Europas leistet Medrows disziplinhistorischer Zugriff auf das Thema Islam einen wertvollen, wenn auch im Ton leider allzu sehr um politisch korrekte, wissenschaftlich fragwürdige „Kultursensibilität“ bemühten Beitrag. (wm)

Lisa Medrow: Moderne Tradition und religiöse Wissenschaft. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2018, gebunden, 418 Seiten, 128 Euro





Seelow. Die Tage nach Beginn der sowjetischen „Berliner Operation“ vom 16. April 1945 am Rande des Oderbruchs dürften zu den für die angreifende Armee verlustreichsten des Zweiten Weltkriegs zählen. Dabei warf Marschall Georgi Schukow, angepeitscht vom ungeduldigen Stalin, bei den Seelower Höhen zwei sowjetische Gardepanzerarmeen mit ihrer fast zwanzigfachen Übermacht gegen ausgemergelte Wehrmachts- und Volkssturmeinheiten in die Schlacht. Der Militärhistoriker und ehemalige NVA-Offizier Karl Stich hat nun, auf unveröffentlichtes Material russischer Archive gestützt, dieses blutige Drama nachgezeichnet. (bä)

Karl Stich: Der Kampf um die Seelower Höhen April 1945. Ein blutiges Drama. Helios Verlag, Aachen 2018, gebunden, 280 Seiten, Abbildungen, 26,50 Euro