© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

Dem Krieg folgten die Verwerfungen
Zeitgeschichtliche Forschungsstelle Ingolstadt: Mitglieder und Freunde der Institution trafen sich zu ihrer traditionellen Herbsttagung
Klaus Fritsch

Alle halbe Jahre wieder das gleiche Ritual: Während im zweiten Stock der Ingolstädter Volkshochschule Mitglieder und Freunde der Zeitgeschichtlichen Forschungsstelle (ZFI) zu ihren Tagungen zusammenkommen, beginnt draußen, von der Lokalpresse wohlwollend begleitet, ein von Linken, Linksextremisten und Grünen inszeniertes politisches Spektakel. Das Aktionsbündnis „Ingolstadt ist bunt“ macht sich gar nicht erst die Mühe, das ZFI-Programm zu studieren, es befindet einfach mit inquisitorischem Furor, „Geschichtsrevisionisten“ dürften keine städtischen Räume überlassen werden.

Woher sie ihr Wissen über die angebliche Gefahr beziehen, bleibt ihr Geheimnis. Alle Referenten der traditionellen Herbsttagung hielten sich strikt an historische Fakten. Der promovierte Zeithistoriker Helmut Golowitsch (Linz) bot unter dem Titel „Zwischen Freiheitskampf und Autonomielösung“ einen Überblick über die Geschichte Südtirols von der germanischen Landnahme bis heute. Er beschrieb den Bündnisverrat und den italienischen Überfall auf den eigenen Bundesgenossen im Jahre 1915 und erinnerte an die Blutbäder des Ersten Weltkrieges an der Südfront mit 1,2 Millionen Todesopfern: „Aus diesem Geschehen erwuchs aber auch die Ideologie des extrem nationalistischen Faschismus, welcher wiederum die Geburt des Nationalsozialismus inspirierte.“ Golowitsch: „Vor allem die von Mussolini und Hitler gemeinsam aufgezwungene Option stellte die Südtiroler vor eine schreckliche Wahl: Verbleib in der Heimat bei Verlust des Volkstums und der eigenen Kultur oder Auswanderung in die Fremde bei Bewahrung des Volkstums.“ Der Kriegsverlauf stoppte die bereits begonnene Aussiedlung, nach 1945 verhinderte Rom jedoch die Rückkehr von etwa 70.000 Südtirolern. Der Referent hielt den Westmächten vor, die „unselige faschistische Politik der Entnationalisierung, Unterdrückung und gezielten Unterwanderung“, wie sie nach 1945 von Rom fortgesetzt wurde, toleriert zu haben. Erst der Widerstand der sechziger Jahre habe „zielführende österreichisch-italienische Verhandlungen“, mit denen eine verbesserte, wenn auch rechtlich nur unzulänglich abgesicherte Autonomie erreicht wurde, erzwungen. Fazit: Der Wunsch nach Selbstbestimmung ist bis heute nicht erloschen.

1918 scheiterte ein „Verständigungsfrieden“

Claus Hörrmann, Vizevorsitzender im Landesverband Sachsen der Sudetendeutschen, widmete sich ausführlich der Geschichte des Münchner Abkommens von 1938; „ein reines Durchführungs-abkommen für ein vorher beschlossenes Abtretungsabkommen“ zugunsten Deutschlands. Daran sei Hitler überhaupt nicht beteiligt gewesen, sondern nur die Briten, Franzosen und Tschechen. „In der Öffentlichkeit wird das nicht erwähnt.“ Hörrmann erinnerte daran, daß die von Masaryk und Benesch gegründete Tschechoslowakei ein „ausgesprochener Nationalitätenstaat“ war. Aber die tschechische Führungsriege habe die Meinung des Auslandes manipuliert, indem sie „statistische Angaben entstellten, Landkarten fälschten“ und so den Eindruck erweckten, die Tschechen seien die einzige staatsbildende Nation. Als „Unwahrheit“ geißelte der Referent die noch immer kursierende Behauptung, nach „München“ seien tschechische Einwohner des Sudetenlandes vertrieben worden: „Niemand wurde vertrieben, jeder, der wollte, konnte bleiben.“

Mit der militärstrategischen und politischen Lage des Deutschen Reiches im Herbst 1918 setzte sich Oberst a.D. Klaus Hammel auseinander. Er warf die Frage auf, ob es die Möglichkeit gegeben habe, zu einem „Verständigungsfrieden“ zu kommen. Hierbei sei einzugestehen, daß diese Friedensversuche auch durch überzogene territoriale deutsche Forderungen „im Hinblick auf Belgien, die Westgrenze und die Wiederherstellung Polens belastet worden sind“. Allerdings habe es auch außerordentliche deutsche Vorleistungen gegeben, zum Beispiel die 1916 abgegebene Erklärung, die territoriale Integrität Polens wiederherzustellen. In schroffer Form sei 1917 ein aus Deutschland und Österreich-Ungarn stammender Friedensvorschlag zurückgewiesen worden. „Die gleiche Reaktion erfuhren Vermittlungsversuche von US-Präsident Wilson am 18. Dezember 1916 und am 22. Januar 1917. Danach traten die USA in den Krieg ein.“

Zum Abschluß der ZFI-Tagung sprach der Jurist und Oberst d. R. Rainer Thesen über „Legende und Wirklichkeit der Befehlsunterworfenheit der Soldaten im Zweiten Weltkrieg“ und zitierte ausführlich aus diversen Urteilen. Sein Resümee: „Die heutzutage wohlfeile Behauptung, Soldaten der Wehrmacht hätten praktisch ohne Risiko verbrecherische Befehle verweigern können, denn es seien ja keine Fälle bekanntgeworden, in denen ein Soldat wegen der Verweigerung eines solchen Befehls verurteilt, ja sogar hingerichtet worden sei, ist schlicht und einfach falsch.“