© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

In neuem Glanz erstrahlt
Volkstrauertag: Ein vom Verfall bedrohtes deutsches Kriegerdenkmal in Frankreich ist restauriert worden
Hinrich Rohbohm

Schon den ganzen Tag prasselt der Regen auf das graufarbene deutsche Kriegerdenkmal, das sich anmutig von den zahlreichen Gräbern auf dem Sedaner Friedhof Saint Charles abhebt. Trotz des ungemütlichen Wetters glänzen die über den acht Säulen des Monuments thronenden bronzefarbenen Lettern so, als würden sie von der Sonne angestrahlt. Erstmals wieder seit langer Zeit. Denn die Gedenkstätte ist nach jahrzehntelangem Verfall restauriert und erstrahlt nun wieder in neuem Glanz. 

Deutsche Soldaten haben sie 1915 während des Ersten Weltkriegs errichtet. Im damals als Lazarettstadt fungierenden Sedan, auf einem Hügel hinter der Front, von dem aus man die Schlachtfelder damals gut überblicken kann. Deutsche Gefallene fanden hier ihre Ruhestätte, ehe ihre Gräber in den zwanziger Jahren auf den Soldatenfriedhof Noyer-Pont-Maugis umgebettet wurden. 

Noch vor fünf Jahren hatte die Stadt Sedan 13.000 Euro für die Abrißkosten des vom deutschen Architekten Ludwig Lony gestalteten deutschen Monuments in ihren Haushalt eingestellt. Über Jahrzehnte war das Bauwerk sich selbst überlassen, den Witterungseinflüssen schutzlos ausgesetzt. Gesteinsbrocken waren aus seinen einst stabilen Mauern herausgerissen, Moos und Sträucher wucherten rund um das Dach der Erinnerungsstätte. Zahlreiche Buchstaben auf dem Fries des Bauwerks waren herausgebrochen. Niemand hatte sich im Laufe von Jahrzehnten gefunden, um das Bauwerk zu restaurieren. So lange, bis die Verantwortlichen der Stadt Sedan es aufgrund von Einsturzgefahr absperren ließen. Der Abriß des historischen Monuments drohte.

Eine Sanierung sei zu kostspielig, der Abriß aus Sicherheitsgründen notwendig, begründet die Sedaner Stadtverwaltung 2013 die geplante Maßnahme. Mehrfach hatten sich die Franzosen an das deutsche Außenministerium gewandt und um finanzielle Unterstützung für die Restaurierung gebeten. Ohne Erfolg. Das Bauwerk sei „politisch heikel“, wich das Ministerium immer wieder einer Unterstützung aus. Und während die Franzosen Jahr für Jahr am 11. November den Tag des Waffenstillstandes begingen, gerieten die gefallenen deutschen Soldaten im eigenen Land in Vergessenheit.

Auch der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge hatte sich für nicht zuständig erklärt. Zwar habe man in den neunziger Jahren mit dafür gesorgt, das Denkmal von Moos zu befreien. Eine Restaurierung habe der Verband jedoch nicht vornehmen können, weil ihn seine Satzung dazu verpflichte, erhaltene Spenden und Zuschüsse nur für Kriegsgräber zu verwenden, hieß es zur Begründung.

Die JUNGE FREIHEIT berichtete seinerzeit über den Vorgang, rief unter anderem zu Spenden für das vom Verfall bedrohte Monument auf (JF 2/14). Potentielle Sponsoren melden sich, private Initiativen beginnen sich für den Erhalt jener Gedenkstätte zu engagieren. Doch die speziellen Statuten der zuständigen französischen Institute erschweren zunächst die Bezuschussung. 

Die Wende im Umgang mit dem Denkmal kommt 2016. „Da fand ein Umdenken statt“, sagt der Euskirchener Geschichtsexperte Reinhold Weitz. Der pensionierte Lehrer hatte sich ebenfalls für eine finanzielle Unterstützung des Kriegerdenkmals eingesetzt, warb im örtlichen Rotary-Club um Spenden. 7.000 Euro kamen zusammen. Gegenüber der JF erklärt Weitz, wie wichtig die Rolle privater Initiativen zum Erhalt des Monuments gewesen ist. „Die Franzosen sagten: Wir restaurieren das Denkmal nur, wenn sich die deutsche Seite da auch beteiligt.“ 

Hatte es 2013 noch geheißen, die Restaurierung würde bis zu 100.000 Euro kosten, fiel sie nun mit 275.000 Euro deutlich höher aus. Selbst die Zuwege zum Monument wurden nun mit wiederhergerichtet. Zwei Drittel der Kosten wurden aus den verschiedensten Quellen von französischer Seite beigesteuert. Das letzte Drittel sollte aus Deutschland kommen. „Allein 50.000 Euro mußten durch Spenden beigetragen werden“, erklärt Weitz. 

„Die Tatsache, daß nur durch Zufälle und private Initiativen der Abriß verhindert werden konnte, ist schon auffällig“, merkt Reinhold Weitz nicht zuletzt im Hinblick auf die lange zögerliche Rolle des deutschen Außenministeriums kritisch an. Schon in den sechziger und siebziger Jahren habe Frankreich bei der deutschen Regierung immer wieder eine notwendige Restaurierung angesprochen. Vergeblich. Doch auch von französischer Seite gab es zunächst Vorbehalte. Vor allem Sedans sozialistischer Bürgermeister Didier Herbillon stand dem Vorhaben lange kritisch gegenüber. „Inzwischen dürfte auch er seine Meinung geändert haben“, ist Weitz überzeugt. 

Entscheidend für das Umdenken der Verantwortlichen ist nicht zuletzt auch die wirtschaftliche Situation der Ardennen-Region. Die von den Kriegen in ihrer Vergangenheit leidgeprüfte Gegend, die zusätzlich unter der Deindustrialisierung der vergangenen Jahrzehnte leidet, beginnt den Kulturtourismus für sich als attraktiven Wirtschaftsfaktor zu entdecken. Gemeinsam mit einem Dutzend weiterer Bauwerke soll das deutsche Denkmal Bestandteil eines Kriegsensembles werden, das dann als Weltkulturerbe eingestuft werden könnte. Einen entsprechenden Antrag an die Unesco haben die örtlichen Politiker bereits auf den Weg gebracht. Nun gewinnt das einst stiefmütterlich behandelte Monument plötzlich an regionalpolitischer Bedeutung. 

Ursprünglich sollte es vergangenen Sonntag sogar im Beisein von Staatspräsident Emmanuel Macron eingeweiht werden. Doch letztlich entschied man sich in Paris für die feierliche Einweihung eines anderen Denkmals in der Region, welches den nordafrikanischen Regimentern gewidmet ist.

Auch das deutsche Kriegerdenkmal soll noch in diesem Jahr eingeweiht werden. Als Mitinitiator für die Restaurierung erhält auch Reinhard Weitz eine Einladung. „Es ist einfach großartig, eine Bereicherung für unsere Stadt und ein Zeichen der Aussöhnung ehemaliger Kriegsgegner“, schwärmt ein älterer Sedaner Friedhofsbesucher vom frisch renovierten Denkmal. Viele in der Ardennenstadt denken wie er. Wie selbstverständlich gedenken die Franzosen der Gefallenen des Krieges. Im französischen Staatsfernsehen liefen vorigen Sonntag den ganzen Tag über Live-Berichterstattungen anläßlich der Hundert-Jahr-Feiern zum Ende des Ersten Weltkriegs. Paraden wurden nicht nur in Paris, sondern in zahlreichen Städten Frankreichs abgehalten. 

In Sedans Nachbarstadt Charleville, in der während des Ersten Weltkriegs Kaiser und Generalstab residierten, gedenkt man des letzten Soldaten, der hier am 11. November 1918 gefallen war. Und am deutschen Kriegerdenkmal ist nach langer Zeit der Verwitterung in bronzefarben glänzenden Buchstaben wieder zu lesen: „Kämpfend für Kaiser und Reich, nahm Gott uns die irdische Sonne; / Jetzt vom Irdischen frei, strahlt uns sein ewiges Licht. / Heilig die Stätte, die ihr durch blutige Opfer geweiht habt! / Dreimal heilig für uns durch das Opfer des Danks.“

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