© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 47/18 / 16. November 2018

„Das ist doch aberwitzig!“
Beinahe wäre der UN-Migrationspakt am Parlament vorbeigeschleust worden. Doch der Abgeordnete Martin Hebner hat ihn erst zum Thema in der AfD-Fraktion, dann im Bundestag gemacht
Moritz Schwarz

Herr Hebner, warum wäre der Migrationspakt ohne Sie nicht ins Parlament gelangt?

Martin Hebner: Korrektur: Es war die  Fraktion, die die Debatte beantragt hat.

Aber Sie haben das Thema überhaupt erst in die Fraktion eingebracht und sind dort in der Sache nun federführend. Warum eigentlich, schließlich sind Sie weder im Auswärtigen noch im Rechtsausschuß?  

Hebner: Zum einen, weil ich im EU-Ausschuß bin und der Pakt zunächst über die EU durchgesetzt werden sollte. Die Kommission sollte ermächtigt werden, den Pakt im Namen der EU anzunehmen. Doch dann hat man doch darauf verzichtet, weil das der Einstimmigkeit bedurft hätte und zahlreiche Mitgliedsstaaten der EU-Kommission offensichtlich mißtrauten, etwa Frankreich, Italien, Tschechien oder Ungarn. Damit konnte der Pakt nur über die „Schiene“ der Uno und die einzelnen Nationalstaaten realisiert werden. Zum anderen, weil ich mich schon seit Januar mit dem Pakt befaßt habe. Im Februar war ich in der Interparlamentarischen Sitzung der EU in Brüssel – in der der Pakt behandelt wurde – der einzige deutsche Abgeordnete. Später kam nur noch ein CDU-Kollege hinzu. Kein anderer Abgeordneter eines westeuropäischen Parlaments kritisierte den Pakt. Mehrere osteuropäische Radiosender baten mich daher sofort um ein Interview. Verstehen Sie das bitte nicht als Eigenlob, ich will nur die Lage verdeutlichen: Anstatt zu tun, was Parlamentarier tun sollten, nämlich nüchtern und kritisch zu prüfen, huldigten die übrigen westeuropäischen EU-Abgeordneten dem Pakt regelrecht. Da kamen „Argumente“ wie, wir „können Migration sowenig aufhalten wie den Wind mit den Händen“, oder wir seien doch „von Natur aus alle Migranten“.

Welche Bedeutung hat es, daß der Pakt am Donnerstag vergangener Woche nun doch im Bundestag debattiert wurde?        

Hebner: Das ist ein Sieg für die parlamentarische Demokratie und eine Niederlage für die Merkelsche Politik der Hinterzimmer. Man muß sich verdeutlichen, welch enorme Auswirkungen der Pakt für unser Land haben wird! Er gehört zwingend öffentlich diskutiert, und zwar im Parlament. Ohne die AfD wäre das nicht passiert. 

Warum nicht?

Hebner: Weil etablierte Politik und Migrationslobby den Pakt gerne unbemerkt von der Öffentlichkeit – quasi unter dem demokratischen Radar – bis zu seiner Annahme am 11. Dezember in Marrakesch durchgeschoben hätten. Das aber ist vor allem dank der AfD mißlungen. Durch die Debatte im Bundestag entsprechen wir unserem Wählerauftrag.    

Aber war die Bundestagsdebatte wirklich ein Erfolg? Schließlich wurde der Antrag Ihrer Fraktion, Deutschland möge den Pakt nicht annehmen, abgelehnt. 

Hebner: Sie war ein voller Erfolg! Die nun einsetzende öffentliche Debatte belegt dies. Zudem wurde unser Antrag nicht abgelehnt, sondern „nur“ in die Ausschüsse verwiesen. Die Bundesregierung hat sich nicht getraut, eine öffentliche Abstimmung durchführen zu lassen.

Warum?

Hebner: Weil dann in den anderen Fraktionen ein tiefer Riß in dieser Frage zutage getreten wäre. Mit der „Flucht“ in die Ausschüsse entgehen die anderen Parteien erst einmal einer öffentlichen Debatte des Paktes. Und was sie zudem fürchten ist eine namentliche Abstimmung im Plenum, denn danach hätten viele ihrer Abgeordneten sich in ihren Wahlkreisen wohl einiges anzuhören. Erfahrungsgemäß liegt der Antrag nun etliche Wochen im Ausschuß. Bis dahin ist der Pakt – aus unserer Sicht schlimmstenfalls – angenommen. Beziehungsweise, die Hoffnung der anderen Parteien ist, daß sich unser Antrag dann erledigt hat, weil die Zeit abgelaufen ist.      

Also will man die Bürger quasi hintergehen?

Hebner: Sicher. Die Bundesregierung will sich des Antrags unter möglichst wenig öffentlicher Aufmerksamkeit entledigen. Übrigens: Der Migrationspakt wird nur „angenommen“, nicht „unterzeichnet“, wie oft gesagt wird. Denn würde er das, hätte der Bundestag einbezogen werden müssen, was man aber, wegen der dann unvermeidlichen öffentlichen Debatte, unbedingt verhindern wollte. 

Müßte der Bundestag das nicht kritisieren?

Hebner: Natürlich. Wenn der Bundestag sich als Vertretung des Volkes ernst nehmen und Demokratie nicht nur simulieren würde, müßte er das ganz entschieden! Doch die Wahrheit ist eben, daß es den anderen Parteien doch ganz recht gewesen wäre, hätten sie den Pakt gar nicht thematisieren müssen. Die AfD-Fraktion hat hier also die Aufgabe des ganzen Parlaments übernommen.

In der Bundestagsdebatte wurde die Kritik der AfD am Pakt fast einhellig als Rassismus und Hetze bewertet. Filiz Polat von den Grünen warf Ihnen sogar „Antisemitismus“ vor, und die Sozialdemokratin Claudia Moll wünschte sich, mit Ihnen vor die Tür zu gehen. Auf welchem Niveau hat die AfD ihre Kritik formuliert, um solche Reaktionen zu provozieren?

Hebner: Unser Antrag wurde unter Einbeziehung eines Experten für Völkerrecht ausgearbeitet. Und unsere Redner haben die Kritik am Pakt im Plenum sachlich und präzise vorgetragen – wovon sich jeder Bürger im Internet überzeugen kann. Wie Frau Polat auf Antisemitismus kommt, ist nicht nachvollziehbar. Sicher sind die Reaktionen Beleg fehlender Sachargumente und Hilflosigkeit. Gleiches gilt für den Umgang mit der Petition zur Ablehnung des Paktes der einstigen DDR-Bürgerrechtlerin und früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Vera Lengsfeld. Ihr wurde vom Petitionsausschuß des Bundestags der Status einer öffentlichen Petition verweigert. Die „Begründung“ dafür lautete schlicht, diese Petition „belastet den interkulturellen Dialog“. Im Klartext: Die Petition paßt ihnen nicht!  

Ist es aber nicht eine Tatsache, daß der Migrationspakt gar nicht rechtsverbindlich ist? Die AfD behauptet ja das Gegenteil. Liegen Sie da nicht falsch? 

Hebner: Selbst der wissenschaftliche Dienst des Bundestages formuliert nicht, der Pakt sei unverbindlich, sondern spricht sibyllinisch von einem „Soll“ in bezug auf dessen Unverbindlichkeit. Die Bundesregierung traut also ihrer eigenen Aussage nicht. Man kann zudem voraussagen, daß Bundesregierung, etablierte Parteien, Einwanderungslobby und Nichtregierungsorganisationen sowie große Teile der Medien den Pakt trotz der Klausel, laut der er angeblich unverbindlich ist, vom Moment seiner Annahme an als verbindlich betrachten und seine Anwendung in diesem Sinne einfordern werden. Schließlich wurde im Rat der Europäischen Nationen im Juni unter der Dokumentennummer 9684/18 klar definiert: „Im kommenden Jahr werden sich EU und UN Seite an Seite für eine auf Regeln basierende Weltordnung einsetzen, die auf dem Völkerrecht beruht und dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte dient.“ Im Migrationspakt wird ein Migranten-Menschenrecht definiert. Der Pakt regelt die Rechte der Migranten bei der Auswahl der Zielländer, auf der Reise sowie in den Zielländern und außerdem die Steuerung ihrer Aufnahme durch die Internationale Organisation für Migration, die IOM. Im Zuge dieser Steuerung verleiht die IOM dem Migranten auch den Status „regulär“. Die Behauptung der Unverbindlichkeit des Pakts ist also widerlegt. Zudem tendiert dieser bereits mit seiner Annahme, über den Weg des sogenannten Völkergewohnheitsrechts künftig unmittelbar geltendes Völkerrecht zu sein. Desinformation über seine tatsächliche Verbindlichkeit betreiben also nicht wir, sondern die, die den Bürgern vortäuschen, es bestünden keine Gefahren bezüglich der Gültigkeit und der Auswirkungen des Migrationspaktes.

Wo sehen Sie solche noch? 

Hebner: Überall im Vertragstext. Rechtliche Begriffe werden im Pakt umdefiniert. Nationale Souveränität, innere und äußere, wird nur noch auf innere Souveränität beschränkt. Die äußere Souveränität wird im Rahmen des Pakts an die Uno beziehungsweise an deren Unterorganisation IOM delegiert und seine Einhaltung von dieser kontrolliert. Nationale Souveränität bleibt nur noch als Verwaltungshoheit im Rahmen der zwingenden Regeln des Pakts bestehen. So lassen sich Diasporagesellschaften künftig auch mit Parallelgesellschaften übersetzen, was sicher nicht von Nutzen für unser Land ist. Der Pakt postuliert die Gleichberechtigung der Kulturen der Migranten neben der unseren – mit Integration hat das nichts zu tun. Und noch etwas: Wir hatten zwei Arbeitstreffen mit dem Auswärtigen Amt: zum einen mit der für die Verhandlung des Pakts inhaltlich zuständigen Abteilung, zum anderen mit der Rechtsabteilung. Erstaunlich war, daß das Auswärtige Amt mit uns übereinstimmt, daß der Pakt keinesfalls rechtlich verbindlich sein darf, weil er inhaltlich hochbrisant ist und enorme Risiken für unser Land birgt. Warum verhandelt man denn dann überhaupt so einen Vertrag und glaubt, ihn folgenfrei annehmen zu können? Beim zweiten Treffen im Auswärtigen Amt mit dem zuständigen Mitarbeiter für Völkerrecht konnte von diesem die Rechtsposition der Bundesregierung bezüglich „rechtlich nicht bindend“ schlicht nicht belegt werden. Nun, was heißt all das im Klartext? Doch nichts anderes, als daß die Bundesregierung sich offenbar selbst nicht darüber im klaren ist, was sie da für Deutschland am 11. Dezember annehmen wird. Das ist doch aberwitzig! Und dann wagt die Regierung Merkel es, den Bürgern zu versichern, daß das alles völlig ungefährlich sei.   

Sie werfen dem Pakt vor, zu Masseneinwanderung zu führen. Davon steht allerdings nichts rechtsverbindlich im Vertrag.

Hebner: Doch, und zwar weil er uns dazu verpflichtet, an der Bewältigung sogenannter regulärer Migration mitzuwirken. Was aber ist reguläre Migration? Das ist jene Migration, die von der IOM als solche definiert wird. Diese erklärt also künftig, was regulär und was irregulär ist. Die Begriffe „legal“ und „illegal“ werden so ersetzt – sie kommen im Pakt gar nicht mehr vor. Sicher, der Vertrag selbst besagt nicht, daß reguläre Migration zwingend auch Einwanderung nach Deutschland bedeutet. Aber die Sogwirkung unserer Sozialleistungen hat – faktenbasiert – einfach dazu geführt, daß wir von allen europäischen Ländern die meisten Migranten aufgenommen haben. Und laut Pakt dürfen wir reguläre Migranten an der Grenze nicht mehr zurückweisen, sie nicht in Ankerzentren unterbringen und falls sie geschleust werden nicht wegen Rechtsbruch gesetzlich belangen. Stattdessen müssen wir ihnen Ausweispapiere verschaffen, ihre Integration fördern und ihnen Zugang zu sozialer Sicherung in gleichem Umfang wie unserer einheimischen Bevölkerung gewähren.  

Würde der Pakt also sogar unter einer künftigen Regierung, die ernsthaft versuchte, Zuwanderung so weit wie möglich zu begrenzen, diese Wirkung entfalten?  

Hebner: Ein klares Ja. Christian Tomuschat, einer der wichtigsten deutschen Völkerrechtler und übrigens ganz und gar kein sogenannter „Rechter“, hat vorigen Donnerstag in der FAZ darauf hingewiesen, daß Deutschland nach dem Beitritt zum Pakt nicht nur im Hinblick auf künftige Umsiedlungsprogramme bei allen anderen Staaten politisch im Wort stehe, sondern daß der Pakt künftig auch für Ermessensentscheidungen deutscher Verwaltungsgerichte „wegweisende Bedeutung“ haben werde. Sie sehen also: Nicht nur zu einer politisch-faktischen, sondern auch zu einer juristischen Bindung kann es schneller kommen, als man heute denkt! Und die Bundesregierung hat bereits 2016 unter Verletzung von Artikel 59 des Grundgesetzes und unter völliger Mißachtung des grundgesetzlich geschützten Befassungsrechts des Bundestages an diesem vorbei, in der New Yorker Erklärung über Flüchtlinge und Migranten, Deutschland dazu verpflichtet, neben dem Globalen Pakt für Migranten – also dem Migrationspakt – auch einen solchen für Flüchtlinge zu verabschieden. Sprich, mit der Unterzeichnung dieser Erklärung haben die Staaten sich nicht nur zur Aushandlung dieses Globalen Paktes für Migration, sondern auch eines Globalen Paktes für Flüchtlinge verpflichtet – zu diesem Ergebnis kommt die Stiftung Wissenschaft und Politik. Um so wichtiger ist es, den ersten der beiden, den Migrationspakt, in seiner jetzigen Form abzulehnen.

Falls das mißlingt, wird dann mit der Annahme die Einwanderung sofort ansteigen?

Hebner: Wahrscheinlich nicht, vielmehr ist damit zu rechnen, daß die Bestimmungen zunächst behutsam umgesetzt werden, mit Rücksicht auf die Stimmungslage in der Bevölkerung. 

Was raten Sie Bürgern, die sich gegen die Annahme des Paktes engagieren möchten? 

Hebner: Es gibt verschiedene Möglichkeiten: Schreiben Sie an Ihren Bundestagsabgeordneten in Ihrem Wahlkreis. Aus eigenem Erleben weiß ich, daß vielen Abgeordneten nicht klar ist, welche Folgen der Pakt de facto haben wird. Und Sie sollten unbedingt die Petitionen unterstützen, die dessen Nichtannahme einfordern. Auch wenn keine davon vom Petitionsausschuß des Bundestags veröffentlicht wurde, wird man eine Petition, die über 100.000 Unterschriften erreicht, nicht mehr so einfach ignorieren können. 

Können Sie eine bestimmte empfehlen? 

Hebner: Aus Gründen der Fairneß, nein. Suchen Sie im Netz und wählen Sie die Petitionen aus, die Ihnen am besten gefallen. Zudem: suchen Sie das Gespräch mit anderen Bürgern und klären Sie diese auf. Und schließlich, nehmen Sie an Demonstrationen teil und verteilen Sie Flugblätter. Auch wenn die Chancen eher kleiner als größer sind – unmöglich ist nichts, und gemeinsam können wir etwas bewegen!    






Martin Hebner, der Diplom-Informatiker, Wirtschaftswissenschaftler und selbständige IT-Berater aus Oberbayern ist AfD-Bundestagsabgeordneter und wurde 1959 in Frankfurt/Main geboren.

Foto: Bundesadler und UN-Wappen im Zeichen globaler Migration: „Der Bundesregierung ist selbst nicht klar, was sie da für Deutschland verabschiedet“ 

 

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