© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

Wenn das Mädchen Zöpfe trägt
Der „Kampf gegen Rechts“ erreicht die Kindertagesstätten: Eine neue Broschüre der umstrittenen Amadeu-Antonio-Stiftung zeugt von Bespitzelungseifer gegenüber Andersdenkenden
Fabian Schmidt-Ahmad

Wie können „rechtspopulistische“ Eltern erkannt und ihr Einfluß auf Kinder begrenzt werden? Eine Handreichung der Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) für Erzieher, gefördert von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), wirft einige Fragen auf. Denn im Gewand einer pädagogischen Empfehlung wird hier ein politischer Kampfauftrag erteilt. Es sei wichtig, „die frühkindliche Bildung demokratisch zu gestalten“, schreibt Giffey im Vorwort der Broschüre. Wie ist diese Fürsorge für die Allerkleinsten zu verstehen?

Bei „Auffälligkeiten“ soll es sofort Einzelgespräche geben

„Wir erleben“, schreibt Giffey, „ein neues Ausmaß an menschenverachtendem Verhalten und einen deutlichen Anstieg rechtspopulistischer Bewegungen.“ Gegen eine „gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ sollten Kinder später als Erwachsene „möglichst immun sein“. AAS-Geschäftsführer Timo Reinfrank hat verstanden. „Wenn es um grundsätzliche Fragen unserer Demokratie geht, kann eine falsch verstandene Neutralität, wie sie häufig eingefordert wird, keine Lösung sein“, heißt es zum Geleit. Statt dessen geht es um Glaubensbekenntnisse: „Gerade erst haben viele Kitas die Integration von geflüchteten Kindern und häufig auch von deren Eltern mit großem Engagement erfolgreich gemeistert“, behauptet Reinfrank. Wer da so seine Zweifel hat, sollte sie für sich behalten, wenn er demnächst sein Kind abholt. So seien „rassistische, flüchtlings- und islamfeindliche Einstellungen und Äußerungen“ weit verbreitet, virulent und nicht gleich zu erkennen, warnen Enrico Glaser und Judith Rahner in ihrem Eröffnungstext. Ihre Einstellungen dagegen sind offenkundig.

„Die Vorstellung, daß Menschen nicht gleichwertig sind, ist die Grundlage für Abwertungen und das ideologische Fundament extrem rechter Haltungen“, heißt es gleich zu Beginn. Implizit wird hier behauptet, anderen werde dadurch das Menschsein abgesprochen, was selbstverständlich gegen Kritiker der illegalen Einwanderung gerichtet ist, die gerade in Kindergärten von Groß- und Mittelstädten eine merkliche Verdrängung erleben.

Ähnlich dilettantisch geht es weiter. Woran „Kinder aus völkischen Elternhäusern“ erkennen, wenn diese ihre „islamfeindlichen Einstellungen“ verbergen? Ein Tip: „Das Mädchen trägt Kleider und Zöpfe, es wird zu Hause zu Haus- und Handarbeiten angeleitet, der Junge wird stark körperlich gefordert und gedrillt.“ Oder: „Die Wortwahl der Mutter (‘Gender-Quatsch’, ‘Frühsexualisierung’, ‘richtiger Mann’) gibt Grund zu der Annahme, daß diese sich im Kontext (neu-)rechter oder fundamentalistischer Ideologien verortet oder bewegt.“

In der „konkreten Bearbeitung des  Falles“ empfehlen die Autoren, „die Mutter zu einem Einzelgespräch in die Kita einzuladen“ – wie einen Tatverdächtigen „zur Klärung eines Sachverhalts“ auf die Polizeiwache zu bestellen.

Gemeinsames Merkmal dieser zur Beobachtung ausgeschriebenen Personengruppen: „Die Vorstellung einer ethnisch homogenen, über Jahrhunderte bestehenden ‘Schicksalsgemeinschaft’ eint die rechte Szene.“ Diese sei aus deren Sicht angeblich bedroht. „Sowohl im Rechtsextremismus als auch im Rechtspopulismus, in Reichs- und Verschwörungsideologien und rechter Esoterik existiert die Angst vorm Aussterben des bedrohten ‘Volkes’.“

Also wie folgende Vorstellung beispielsweise? „Wir Deutsche sind trotz allem eine Familie, eine Schicksalsgemeinschaft“, heißt es hier. Und weiter: „Wir Deutsche müssen in den kommenden Jahren endlich zu uns selbst finden, wenn wir als Volk und Nation bestehen wollen.“ Diese „rechte Esoterik“ ist das SPD-Wahlprogramm von 1961, formuliert von Willy Brandt. Damals grenzte sich die SPD freilich noch von totalitären Ideologien ab. Was die SPD von heute betrifft, so dürfte dieser Erziehungsratgeber doch eher kulturmarxistische Machtphantasien bedienen.

Wenigstens halten die Autoren fest: „Es kann, gerade aus demokratischer und historischer Perspektive, nicht darum gehen, Kinder ohne weiteres aus ihren Elternhäusern herauszunehmen.“ Auch sollen die „betroffenen“ Kinder nicht ausgeschlossen werden: „Ausgrenzung ist in der Arbeit mit Kindern keine Lösung.“ Statt dessen wisse man von Aussteigern: „Oft war ein Mensch für sie entscheidend, der sie als Person akzeptiert hat, aber (…) in ideologische Widersprüche verwickelt hat.“

Es besteht also auch für die AAS-Autoren noch Hoffnung, sollten sie einmal die zahlreichen ideologischen Widersprüche ihres Ratgebers zur Kenntnis nehmen. Es ist allerdings zu befürchten, daß sie einige durchaus kennen – und ignorieren. „Völkische Erziehungsstile sind in der Gegenwart (…) stark darauf ausgerichtet, Kinder zu Gehorsam und Unterordnung in eine völkische Gemeinschaft zu erziehen. Die Erziehung in den Familien ist dabei sehr auf die Ausbildung klassischer Geschlechterrollen bedacht.“

Tatsächliche Probleme in Kindergärten umgangen 

Daß heutzutage kaum eine Erzieherin mit „völkischen Erziehungsstilen“ konfrontiert ist, dürfte auch den Autoren bewußt sein. Es ist das Wort „völkisch“ lediglich durch „islamisch“ zu ersetzen, und es dürfte klar sein, bei welcher Personengruppe Erziehungsstile weit verbreitet sind, „die auf Härte, Durchhaltevermögen und Folgsamkeit ausgerichtet sind“. Der Islam taucht in der Broschüre aber ausschließlich als angebliches Opfer auf. Hilfreich dürfte diese Handreichung also nur in der Umschichtung von Steuergeld gewesen sein.

Kritik an der Handreichung kam von der AfD-Fraktion im Bundestag. „Kindergärtner und Kindergärtnerinnen benötigen eine klassische Ausbildung und keine ideologischen Handlungsanweisungen zur Unterdrückung selbständigen Denkens; schon gar nicht zur linksutopistischen Indoktrination der Kleinsten“, sagte Nicole Höchst, Abgeordnete aus Rheinland-Pfalz, gegenüber der JF.

Tatsächliche Probleme, mit denen Erzieher im Kindergarten täglich umgehen müssen, werden also tunlichst umgangen. Besser, diejenigen, die mit der Wirklichkeit konfrontiert werden, ebenfalls ins Lager der zu Beobachtenden stecken und gegebenfalls mit Entlassung zu drohen: „Für das weitere Vorgehen sollten für diesen Fall unter Umständen arbeitsrechtliche Schritte in Betracht gezogen werden.“ Oder an anderer Stelle: „Sie können darauf hinweisen, daß es dem persönlichen und beruflichen Ansehen der Erzieherin selbst schadet, gegen Geflüchtete zu hetzen.“ So kann man es auch ausdrücken.

Die Broschüre „Ene, mene, muh – und raus bist du! Ungleichwertigkeit und frühkindliche Pädagogik“ zum Herunterladen:

 https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/

 Kommentar Seite 1





Zitate aus der Broschüre: „Imaginierte europäische Kultur“

Kindergärten und den frühkindlichen Erziehungsbereich als Aktionsraum zu wählen ist seit jeher eine gezielte Strategie von Rechtsextremist*innen, um Einfluß auf die kommende Generation zu nehmen.

Die fachliche Auseinandersetzung darum, daß Geschlecht sozial konstruiert und erlernt wird und Geschlechterrollen veränderbar und je nach Zeit und Kontext anders verstanden werden, beugt vor, Kinder nach Geschlechtern zu sortieren und danach zu bewerten.

Kindern Geschlechtergerechtigkeit und die Vielfalt geschlechtlicher Identitäten und Lebensweisen zu vermitteln ist Teil des Erziehungsauftrags.

Die Verwendung des Wortes »Genderquatsch« durch die Mutter in der beschriebenen Situation verweist auf einen weiteren Kampfbegriff der Neuen Rechten: »Genderwahn«.

Sie fürchten einen kämpferischen Angriff »des Islam« auf eine imaginierte »europäische Kultur«

Gibt es zum Beispiel eine Barbie als Naturwissenschaftlerin und ist sie schwarz? Ist die Figur im Rennauto von Lego schwul? Was für Kinderbücher liegen in der Kita aus? Gibt es nur weiße  Protagonist*innen darin? Gibt es nur weiße Puppen in der Kita?