© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 45/18 / 02. November 2018

„Verwahrlost dank der Politik“
Bis vor kurzem war Petra Paulsen eine Unbekannte. Dann schrieb sie einen offenen Brief an Kanzlerin Merkel und wurde schlagartig bekannt, ihr Buch ein Bestseller. Heute sieht die Hamburger Lehrerin die Bildung, unsere Jugend und das Land in akuter Gefahr
Moritz Schwarz

Frau Paulsen, wie groß ist der Disziplinverlust an unseren Schulen?

Petra Paulsen: Es ist schwer, das zuverlässig einzuschätzen, denn natürlich habe ich keinen Gesamtüberblick, sondern nur begrenztes eigenes Erleben, dort wo ich unterrichtet habe. Andererseits stehe ich mit Kollegen anderer Schulen im Austausch, die meine Erfahrungen bestätigen. 

Und die sind? 

Paulsen: Ich habe eingeführt, daß die Schüler aufzustehen haben, komme ich ins Klassenzimmer. Eher üblich ist aber, daß sie es nicht beachten, tritt der Lehrer ein. Man kann eine geschlagene Viertelstunde vorne stehen, ohne daß sie reagieren, viele kümmert es einfach nicht. Natürlich aber nicht alle, es gibt immer auch Schüler, die lernen wollen. 

Können Sie quantifizieren, wie groß der Disziplinverlust ist, wenn Sie Ihre Erfahrungen heute mit der Zeit vergleichen, als Sie Schülerin waren? 

Paulsen: Nein, denn dafür haben sich zu viele Faktoren – ja im Grunde die ganze Gesellschaft – zu sehr gewandelt. Ich kann nur sagen, er ist erheblich! Und die Lage an den Schulen heute hat nichts mehr mit der zu tun, die 1986 herrschte, als ich Abitur gemacht habe.  

In Ihrem Buch beschreiben Sie die Disziplinlosigkeit nicht nur während, sondern auch außerhalb des Unterrichts: „beschmierte und verklebte Tische, mit Papier, Müll und Lebensmittelresten übersäte Fußböden, zugemüllte Grünanlagen, zerstörte Unterrichtsmaterialien, Naßräume in ekel-, wenn nicht krankheitserregendem Zustand, mit allem möglichen verstopfte Abflüsse und Toiletten, mit Absicht neben die Klos gesetzte Kothaufen. Erschreckend wenig Respekt gegenüber Mitmenschen,Gewalt gegen Schüler, Lehrer und sogar Schulleiter, die Toleranzgrenze ist oft niedrig und die Situation kann innerhalb von Bruchteilen eskalieren etc.“

Paulsen: Das sind Erfahrungen auch von Kollegen anderer Schulen. An meiner Schule ist die Lage noch erträglich, sie zählt nicht zu den berüchtigten Brennpunktschulen. Doch auch hier ist einiges los: zum Beispiel der Aufmarsch von vierzig, fünfzig Schülern in der letzten Woche. Zwei Tage zuvor hatte es eine Schlägerei gegeben, und das sollte wohl die Revanche werden, was verhindert werden konnte. Später kam vermutlich wegen dieses Vorfalls die Polizei. 

Waren es Schüler mit oder ohne sogenanntem Migrationshintergrund?

Paulsen: In diesem Fall allesamt „mit“. Es sei „eine Sache der Asylanten unter sich“ gewesen, erklärte mir dazu ein Schüler, auch mit Migrationshintergrund, der aber nicht daran beteiligt war. 

Spielen die Schüler „mit“ für den Disziplinverlust an den Schulen eine größere Rolle als die Schüler „ohne“?

Paulsen: Nein, das nimmt sich nichts. Und es gibt auch andere Beispiele: So wurden die Fassaden unserer Schule massiv beschmiert, unter anderem mit „ACAP“ – der Abkürzung für „All Cops are Bastards“, zu deutsch „Polizisten sind Schweine“ – und mit Hakenkreuzen.  

Also deutsche Täter?

Paulsen: Bis heute wissen wir nicht, wer es war – wir vermuten möglicherweise Ehemalige als Täter. Das Problem mit Schülern aus anderen Kulturen ist nicht, wie Sie in Ihrer Frage vermuten,  daß diese per se schlimmer wären als deutschstämmige Schüler. In beiden Gruppen finden Sie anständige und lernbegierige, wie lernunwillige und sozial auffällige Schüler. Das Problem liegt also nicht auf der Ebene der Individuen, sondern der Kultur: Mit dieser kommen zusätzlich zur sowieso prekären Lage, die hausgemacht ist und für die die Zuwanderer nichts können, weitere Schwierigkeiten an unsere Schulen: Diese ergeben sich aus einem völlig anderen Bild der Migranten von Familie, Religion, der Rolle der Frau, der aufgeklärten deutschen Kultur etc. Nur ein Beispiel, das ich gerade erlebt habe: Eine 16jährige bat mich um ein Gespräch. Sie habe „aus Versehen“ Geschlechtsverkehr gehabt und wolle – wegen ihrer Familie – wissen, ob man das Hymen wieder schließen könne. Für eine deutsche Familie wäre die Sache wohl kein Problem, aber in ihrer Kultur ist es das. Und es landet in der Schule, obwohl es da nicht hingehört, weil das Mädchen nicht weiß, an wen es sich sonst wenden könnte. Ein deutsches Mädchen würde in so einer Angelegenheit wohl eher in der Familie Rat suchen als bei der Lehrerin. Doch für dieses Mädchen war gerade das völlig unmöglich. Das wurde erst recht klar, als ich sie fragte, ob sie ihr Kopftuch denn freiwillig trage und die Antwort nein war. Und zu den vielfältigen kulturellen Problemen kommt mit der Migration natürlich noch ein erhebliches Sprachproblem an die Schulen, außerdem der Import fremder Konflikte und Radikalismen sowie zum Teil auch antideutsche Einstellungen. Natürlich hätten wir ohne Migration etliche Probleme weniger. Und dennoch stellt sie nur eine Problemquelle unter vielen dar, und es wäre ungerecht und vor allem verfehlt, ihr alle Probleme an den Schulen in die Schuhe zu schieben.

Welche sind die anderen Problemquellen?      

Paulsen: Da wären zum Beispiel die vielen oft in der Ideologie der Achtundsechziger wurzelnden pädagogischen Experimente. Ich zum Beispiel unterrichte gerne im Frontalunterricht im Mix mit anderen Methoden, um Inhalte mit einer gewissen Autorität effektiv zu vermitteln. Dann ist da die Verwahrlosung der Schulen dank der Politik, die sich nicht um die Probleme kümmert und die Schulen nicht mal angemessen mit Mitteln und Personal ausstattet, statt dessen Mißstände ignoriert oder schönredet. Und da ist die von der Politik gezielt betriebene Umwandlung der Schulen von Einrichtungen der Bildung zu solchen gesellschaftlicher Umgestaltung: Integration, Inklusion, Erziehung – lauter Dinge, die eigentlich nichts mit der Schule zu tun haben, sollen heute von ihr geleistet werden und zwar vorrangig. Daß das Lernen dabei in den Hintergrund tritt, wird von der Politik ganz bewußt in Kauf genommen. Aber es ist nicht nur die Politik, es ist auch unsere Gesellschaft: etwa die Auflösung der klassischen Familie, in der sich die Mutter, oder ein Elternteil, um die Kinder kümmern kann. Doch selbst in Familien, die nicht geschieden sind, müssen oft beide Geld verdienen. Folge: Niemand kümmert sich angemessen um Hausaufgaben und Schulprobleme. Dazu ist man gar nicht in der Lage, wenn man abends erledigt von der Arbeit kommt und dann noch den Haushalt schmeißen muß. Und da ist – als ganz wesentlicher Faktor – unsere atomisierte Ego-Gesellschaft, in der jeder nur noch sich sieht, was natürlich auch in der Schule ausgelebt wird, und die jede Menge verhaltensauffällige Kinder hervorbringt. 

Woher kommt diese „Ego-Gesellschaft“?

Paulsen: Wenn ich die Bücher von Autoren wie etwa Thomas P. M. Barnett lese, wonach Kultur und Tradition abgeschafft gehören, wundert mich diese Entwicklung nicht. Die Folge solchen Bestrebens ist natürlich, daß der Individualismus in den Mittelpunkt tritt: Jeder soll sich ausleben, wie er will. Ein Gemeinschaftsgefühl und damit ein Gefühl der Verantwortung für das Gemeinsame kann sich da natürlich nicht mehr bilden. Und wie soll ohne Kultur und Tradition Heimat entstehen? Die ja zu einem Gefühl der Identifikation führt, ohne das den Leuten natürlich egal ist, was mit der Gesellschaft außerhalb ihres unmittelbaren Umfelds passiert. 

Wo führt all das hin? 

Paulsen: Das kann sich jeder selbst ausrechnen – angesichts dessen, daß wir ein Land ohne Rohstoffe sind, dessen einziges Kapital Wissen, Arbeitsdisziplin und gesellschaftlicher Zusammenhalt ist, die allesamt im Verfall begriffen sind.   

Sie wurden bekannt, als Sie 2017 öffentlich dagegen protestiert haben. Wie kam das? 

Paulsen: Durch die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin – in der sich die ganze Verantwortungslosigkeit und Realitätsverweigerung im Großen spiegelt, die ich als Mutter und Lehrerin im Alltag erfahre. Der konkrete Anlaß, uns näher damit zu beschäftigen, war die Nachricht von den 71 Migranten, die im August 2015 in Österreich tot in einem abgestellten Kühllaster gefunden wurden. Meine Tochter und ich waren absolut entsetzt und fragten uns, wie das möglich war. Ich begann mich der Problematik zu widmen und stieß im Netz auf all die alternativen Medien, von denen ich zuvor nie gehört hatte. Und die auf Aspekte hinwiesen, die in den etablierten Medien nie vorkamen und mir in mancher Hinsicht die Augen öffneten.            

Sie haben darauf mit einem offenen Brief an die Kanzlerin reagiert. Allerdings schreiben etliche Bürger solche Briefe, für die sich niemand interessiert. Der Ihre aber hat Sie schlagartig bekannt gemacht. Warum?  

Paulsen: Ehrlich gesagt kann ich Ihnen das auch nicht sagen. Zunächst schrieb ich einen Rundbrief an etliche Personen mit gewissem Einfluß, wie Josef Kraus, damals Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, oder Rainer Wendt, zu dieser Zeit Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, und andere. Aus diesem Kreis kam dann die Anregung, diesen auf dem Online-Portal Epoch Times zu veröffentlichen. Monate später kam mir die Idee, der Kanzlerin einen offenen Brief zu schreiben, der meine Sorgen, Befürchtungen und Fragen, stellvertretend für so viele Bürger, artikulierte. Ich dachte allerdings, damit hätte es sich wohl. Dann aber erhielt ich zu meiner Überraschung einen Anruf vom ZDF und eine Einladung in die politische Talkshow „Wie geht’s, Deutschland?“ mit Marietta Slomka im September 2017.

Sie sagen heute, das habe Ihnen erneut die Augen geöffnet. Warum? 

Paulsen: Ja. Und, das nicht nur weil der ebenfalls eingeladene Jürgen Trittin mir nach der Sendung sagte, sie hätten seine Enkelin von der bisherigen Schule genommen. Wobei ich nicht nachgebohrt habe, warum und wohin. Sicher war es zum Wohle des Mädchens, aber das ist eben die Flucht der Begüterten aus den öffentlichen Zuständen – denen Otto Normalverdiener nicht entkommen kann. Über den Verlauf der Sendung selbst kann ich nicht klagen. Was uns aber völlig überraschte war, daß das Publikum – wie es meine Tochter, die mich begleitete und unter den Zuschauern saß, ausdrückte – offensichtlich „links gecastet“ war. Ich hatte bis dahin geglaubt, die Zuschauer solcher Sendungen seien beliebige Leute, die sich eine Karte kaufen. Tatsächlich sind es gecastete Personen, wie die ZDF-Redakteurin mir erklärte. Für mich ist eine Sendung mit einem ausgewählten Publikum im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr als eine Schau, eine Vorführung.

Die Stimmung im Saal wird also in eine bestimmte politische Richtung gelenkt?

Paulsen: Im Grunde ja, und dazu paßt auch, daß mir vor der Sendung gesagt wurde, ich solle doch bitte darauf verzichten, mein Buch zu erwähnen. Ich habe zunächst nicht begriffen warum. Hinterher wurde mir klar, daß es wohl damit zu tun hat, daß mein Buch als politisch unkorrekt empfunden wurde und man nicht darauf aufmerksam machen wollte. Vermutlich deshalb wurde es auch von den etablierten Verlagen abgelehnt und konnte erst erscheinen, als sich ein kleiner alternativer Verlag fand.

Erstaunlicherweise haben Sie es damit für mehrere Wochen in die „Spiegel“-Bestsellerliste geschafft. Wie erklären Sie sich das?

Paulsen: Das überrascht mich selbst, denn bis auf den Berliner Tagesspiegel, der es völlig unangemessen als „rechtes Buch“ verhöhnte, hat keine Zeitung davon Notiz genommen. Der Erfolg kam über das Internet und weil das Buch offenbar einen Nerv getroffen hat. 

„Deutschland außer Rand und Band“ – wieso dieser drastische Titel?

Paulsen: Weil mir der wie eine Art Eingebung wie von selbst in den Sinn kam. Er faßt sowohl zusammen, was ich im Buch zusammengetragen, wie auch das, was ich dabei empfunden habe. Und was ich empfinde, wenn ein Schüler bekümmert zu mir kommt und sagt: „Frau Paulsen, ich denke, wir haben hier bald Bürgerkrieg!“ – und gut integrierte Schüler deshalb um ihr Ansehen in der Gesellschaft fürchten. Lange dachte ich, in einem Land zu leben, in dem alles gut geordnet ist. Innerhalb weniger Monate aber brach dieses Bild zusammen, und ich mußte erkennen, daß die Politik scheinbar alles tut, um das, was unser Land ausmacht und ihm dazu verhilft, erfolgreich zu sein, zu verschleudern. Und ich kann mich immer weniger des Eindrucks erwehren, als sei das sogar regelrecht gewollt. 






Petra Paulsen, unterrichtet Biologie und Chemie an einer weiterführenden Schule in Hamburg, wo die Mutter dreier Kinder 1966 geboren wurde. 2018 erschien ihr Buch „Deutschland außer Rand und Band. Zwischen Werteverfall, Political (In)Correctness und illegaler Migration“, das sich sieben Wochen lang in der Spiegel-Bestsellerliste plazierte und dort Rang 17 erreichte. Inzwischen ist es auch als Hörbuch erhältlich.

Foto: Von Unbekannten zerstörte Schulräume in NRW: „Lange dachte ich, in einem Land zu leben, in dem alles gut geordnet ist. Innerhalb weniger Monate brach dieses Bild zusammen“

 

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