© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

„Feinde unserer Kultur“
Drohungen gegen Journalisten: Die Deutsche Welle erntet in der islamischen Welt heftige Kritik
Ronald Berthold

Ein Moderator der Deutschen Welle (DW) ist zum Feindbild radikaler Moslems geworden. Mit einer Schonungslosigkeit, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ungewöhnlich ist, begibt sich Jaafar Abdul Karim für den Auslandssender auf die Spur mittelalterlicher Ansichten in islamischen Ländern. Der Haken: Die Sendungen werden in Deutschland so gut wie nicht wahrgenommen. Würden sie das, müßten sie eine Warnung sein, noch mehr Menschen aus diesem Kulturkreis die Einwanderung zu ermöglichen.

Geschaut wird der arabischsprachige „Shababtalk“ im Orient. Das Format richtet sich an die junge Generation: „Shabab“ heißt „Jugend“. Mit dem Format ist der DW ein Hit gelungen. Denn mit seinen Sendungen gibt der 37jährige Moderator das Lebensgefühl eines Teils der Jugend wieder. Und Karim ermöglicht Diskussionen über Themen, die im Islam tabu sind. Deswegen lösen sie Empörung bei den Imamen aus.

Sicherheitsmanagement für gefährdete Mitarbeiter

Das alles so gekommen ist, war vor ein paar Jahren noch nicht vorherzusehen. Zu Beginn der Flüchtlingskrise galt Jaafar Abdul Karim als großer Migrantenversteher. Viele Zuschauer interpretierten die Interviews des Moderators als Teil der Propaganda, möglichst viele muslimische Männer ins Land zu lassen. An diesen Einschätzungen war auch etwas dran. „Sie haben Sicherheit und eine Unterkunft gesucht – und gefunden. Jetzt wollen sie sich einbringen, wollen arbeiten oder studieren“, sagte Abdul Karim 2015 nach der Reportage aus einem Flüchtlingsheim. In ihrer Pauschalität war das eine Fehleinschätzung, der bis heute die meisten Journalisten erliegen.

Aber Karim hat weitergemacht – und die Menschen vor Ort interviewt. Als der DW-Reporter junge Männer in der jordanischen Hauptstadt Amman fragte, was sie tun würden, wenn ihre Schwester arbeiten ginge, kamen Antworten wie: „Ich würde sie erschießen“ oder „Ich würde sie töten!“ Der Zuschauer erkennt, wie eng junge arabische Männer den Ehrbegriff definieren und welch grausame Konsequenzen er haben kann. Was unausgesprochen im Raum steht: Die Klientel mit den radikalen Ansichten ist eben jene, die massenhaft als „Flüchtlinge“ nach Deutschland einwandert.

Karim fragte auch, wer ihnen das Recht gebe, die Schwester zu töten, wenn sie nicht gehorche. Antwort eines Befragten: „Mein Vater, mein Onkel, meine Verwandten.“ Der Reporter enthüllt das archaische Weltbild, weil er nachhakt: „Glaubst du nicht, daß das falsch ist? Wie kannst du jemanden töten?“ Wie selbstverständlich antwortet der Jordanier: „Es ist nicht falsch! Es ist unsere Ehre!“ Andere Araber äußern sich vor Karims Kamera ähnlich. In diesen Fällen outete der Reporter das Weltbild, in dem er die Männer auf der Straße einfach reden ließ. 

Anders sah es kürzlich im Sudan aus. Dort veranstaltete die DW einen „Shababtalk“ zum Thema Frauenrechte und ließ eine junge unverhüllte Frau mit einem Imam diskutieren. Irgendwann sagte die 28jährige: „Die Kleidung, die ich trage, ist Teil meiner Menschlichkeit und meiner Wahlfreiheit – und nicht der Wahl der Gesellschaft mit ihren kranken und rückständigen Traditionen.“

Die Sendung schlug erst nachher Wellen. Denn während der Übertragung war der muslimische Geistliche zu perplex und zuwenig schlagfertig, um der jungen Frau Paroli zu bieten. Anschließend jedoch holte er zum großen Schlag gegen die Deutsche Welle aus: „Wir müssen auf der Hut sein, denn diese Medien wollen uns schlecht darstellen!“ Die „Kooperation mit internationalen TV-Stationen, die gegen uns sind“, sei „gefährlicher, als Waffen zu tragen“, sagte er. Die Fernsehmacher aus Deutschland beschimpfte er als „Feinde unserer Kultur“.

In den Moscheen ging die Hetze beim darauffolgenden Freitagsgebet weiter – sowohl gegen die couragierte Sudanesin als auch gegen Karim. Dieser sei gekommen, „um den Atheismus zu verbreiten, die Basis unserer Religion in Frage zu stellen und Ungläubige zu unterstützen“. Daraus entwickelten sich so ernstzunehmende Morddrohungen, daß die DW ihren Reporter aus dem Sudan abziehen mußte. 

DW-Intendant Peter Limbourg räumte danach in der FAZ ein, daß der Sender ein „Sicherheitsmanagement“ etabliert habe. „Rund um die Uhr“ kümmere man sich um die Mitarbeiter, „die in gefährlichen Gegenden unterwegs sind“. Der Furor muslimischer Gläubiger scheint dann doch bedrohlicher zu sein, als der vermeintlicher „Rechter“ bei Karims Bericht von einer Pegida-Demo 2015. Damals machte er Schlagzeilen, weil er einen Schlag im Nacken verspürte. Eine Empörungsflut war die Folge. Von der Gefahr, in der er sich heute befindet, erfährt der Medien-Konsument dagegen so gut wie nichts.