© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

CD-Kritik: Yo-Yo Ma spielt Bachs Cellosuiten
Gesprächsfaden
Jens Knorr

Seit Pablo Casals die sechs Suiten für Cello solo BWV 1007-1012 aus Bachs Köthener Zeit vollständig öffentlich aufgeführt hat, gehören sie zum Kernrepertoire aller Cellisten – und zu ihrem lebenslangen Begleitschutz. Yo-Yo Ma, US-amerikanischer Cellist chinesischer Herkunft, hat den Zyklus 1983 und 1998 – für das Film-Projekt „Inspired by Bach“ – aufgenommen. Seine neue, dritte Aufnahme – Six Evolutions“ – gab den Auftakt zu einer zweijährigen Reise über sechs Kontinente, auf deren Stationen Yo-Yo Ma ihn spielen wird.

Yo-Yo Mas Interpretation geht weit über das virtuose Abspielen technisch anspruchsvoller Übungsstücke hinaus. Weil er die musikalischen Strukturelemente vollkommen in individuellen Ausdruck aufzuheben weiß, kommt er dem Geheimnis der Suiten nahe. Der Hörer ziehe Yo-Yo Mas vorherige Einspielungen zu Rate, um den Entwicklungen, „Evolutions“, die sie durch dieses Cellisten Leben genommen haben, nachhören zu können.

Kraft des Frauen lange verbotenen Instruments, das zwischen den Beinen halten und umarmen muß, wer es spielen will, führt Ma sein Gespräch mit Bach und mit dem Hörer, ohne daß der Gesprächsfaden während der zu sechs Suiten gebündelten Einzelsätze je abrisse. Das Gespräch geht über 300 Jahre hinweg um die nächsten 300 Jahre: musikalisches als Einübung in Welt-Gestalten.

Johann Sebastian Bach Yo-Yo Ma (Künstler) Six Evolutions Sony Classical 2018  www.yo-yoma.com