© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 43/18 / 19. Oktober 2018

Das Schweigen der Hashtag-Feministinnen
Schläge, Tritte, Vergewaltigungen: Überproportional häufig suchen Frauen mit Migrationshintergrund Zuflucht in Frauenschutzeinrichtungen vor Gewalt in der Familie
Martina Meckelein

Erniedrigung. Schläge. Tod. So verrückt es sich anhört: Die größte Chance für Frauen im Alter zwischen 16 bis 44 Jahren zu Tode zu kommen ist keine Krankheit oder ein Unfall – es ist Gewalt. Das ist kein Histörchen und keine feministische Hetze, das ist die Aussage der Weltgesundheitsorganisation. Sicherheit gibt es für Frauen nirgendwo – auch nicht innerhalb ihrer eigenen vier Wände. Seit 2012 läßt sich in Deutschland sogar ein kontinuierlicher Anstieg der Opferzahlen von Partnerschaftsgewalt feststellen, so das Bundesfamilienministerium. Gleichzeitig stieg im siebten Jahr in Folge der Anteil der Frauen mit Migrationshintergrund, die in den Frauenhäusern um Hilfe und Schutz ersuchen, deutlich an.  Und dementsprechend auch die Zahl der Ablehnungen. Eine Tatsache, die die Bundesregierung nicht bestätigen will, weil angeblich belastbares Zahlenmaterial fehlt. Eine Bestandsaufnahme über Verleugnung, Bedrohung und falsch verstandene Toleranz.

„Die Gesellschaft der grundguten Multikulturalismus-Fanatiker muß endlich aufhören, den Rassismus und die Diskriminierung von Frauen mit Islamhintergrund mit Vielfaltstoleranz zuzudecken“, sagt Nicole Höchst von der AfD-Fraktion im Bundestag, gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Deshalb engagiert sie sich für die Rechte von Frauen mit Migrationshintergrund. „Wir Deutschen machen uns an diesen Frauen und Mädchen schuldig, wenn wir ihnen ihre Rechte nicht gewähren und auch entsprechend durchsetzen.“

Höchst, die Mitglied im Bundestagsfamilienausschuß ist, hat jahrelang als Lehrerin am Berufskolleg Rheydt-Mülfort in Mönchengladbach gearbeitet. „Dort sammelte ich eigene Erfahrungen mit Klassen mit hohem Ausländeranteil mit Islamhintergrund. Das ging von ‘Du bist eine Frau. Frauen haben in meiner Kultur nichts zu sagen’ bei Arbeitsanweisungen im Unterricht bis hin zu Hilfegesuchen von türkischen Mädchen, die unterschiedliche Probleme hatten. Die einen befürchteten, in den Sommerferien in der Türkei mit ihrem Cousin verheiratet zu werden, die anderen hatten konkrete Ängste, Bestrafung durch ihre Familie erleiden zu müssen. Auch Bedrohungen habe ich selbst erlebt bei Herausgabe einer zu Recht mit ungenügend bewerteten Klassenarbeit: ‘Ich weiß, wo du wohnst, ich schlitz deine Kinder’.“

Gefährderansprachen durch die Polizei gibt es nur selten

Bei solch einem Verhalten Frauen und Mädchen gegenüber stellt sich die Frage, ob Frauen in Migrationsfamilien stärker Gewalt ausgesetzt sind als in Familien ohne Migrationshintergrund. Untersucht werden muß auch, welchen und ob überhaupt die verschiedenen Religionen Einfluß auf Gewalt gegen Frauen haben. Ist die steigende Anzahl von Migrantinnen in Frauenhäusern ein Indiz für strukturelle Gewalt in Migrantenfamilien?

Opfer von sogenannter Partnerschaftsgewalt sind zu 80 Prozent Frauen. Das zeigt die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS). Wobei zu beachten ist, daß sie nur das Hellfeld abdeckt. 2016 wurden 133.080 Opfer erfaßt, davon waren knapp 109.000 Frauen und Mädchen, so das Bundesministerium für Familie. Knapp 70.000 Frauen wurden Opfer einfacher, 12.000 Frauen Opfer gefährlicher Körperverletzungen. Die PKS verzeichnet für 2016 darüber hinaus 357 Totschlags- und Morddelikte gegen Frauen vor dem Hintergrund Partnerschaftsgewalt. Gewalt gegen Frauen im familiären Umfeld ist nicht neu, sondern jahrtausendealt und kultur- und religionsübergreifend.

Erst vor 42 Jahren haben die ersten Frauenhäuser in Deutschland eröffnet. Sie wurden als Zufluchtsstätte für vergewaltigte Mädchen und Frauen in Köln und Berlin 1976 gegründet. Obwohl 2002 das Gewaltschutzgesetz verabschiedet wurde, das Täter und nicht die Opfer aus der Wohnung verweist, fliehen heute immer noch jährlich 17.000 Mütter mit ihren Kindern, insgesamt etwa 34.000 Menschen, in die rund 370 Frauenhäuser und 25 Frauenschutzwohnungen.

Der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) erfaßt seit beinahe zwei Jahrzehnten Statistiken über Frauenhäuser. Für 2016 kommt der Verein auf folgende Zahlen: Bei 40 Prozent der Bewohner­innen erfolgte zuvor ein Polizeieinsatz. Dabei erging nur bei fünf Prozent der Frauen eine polizeiliche Wegweisung, Gefährderansprachen fanden nur „selten“ statt, Gewahrsamsnahmen nur „sehr selten“. Der Erfolg des Gewaltschutzgesetzes ist also grundsätzlich zu hinterfragen.

Es ist also kein Wunder, daß die Gefahr für eine Frau, in oder vor der eigenen Wohnung vom Partner, Vater, Bruder oder Cousin geschlagen, vergewaltigt und/oder ermordet zu werden, ungleich größer ist als in einem Frauenhaus. Allerdings scheinen immer mehr Frauen an den Orten, die eigentlich Zuflucht sein sollen, abgewiesen zu werden. Der Grund ist beileibe nicht nur die Überfüllung der Frauenhäuser.

Die kleine Anfrage der AfD nach den Umständen der Abweisung von Frauen an Frauenhäusern (Drucksache 19/1624), beantwortete die Bundesregierung am 12. April 2018 mit der lapidaren Feststellung, daß sie dazu keine Erkenntnisse hätte, da diese Zahlen nicht systematisch erhoben würden.

Viele syrische Frauen suchen in Frauenhäusern Schutz

Nun, schon im Jahr 2012 berichtete die Frauenzeitschrift Emma von 9.000 Frauen. Der NDR berichtete, daß 2017 allein in Niedersachsen mehr als 2.600 Frauen abgewiesen worden seien. Der Verein Frauenhauskoordinierung (FHK) meldet aktuell Statistiken seines Mitgliedsverbandes, des Sozialdienstes katholischer Frauen/Caritas: „Allein die 55 Frauenhäuser des Sozialdienstes katholischer Frauen und der Caritas konnten in 2017 insgesamt 6.154 Frauen nicht aufnehmen, davon mußten 3.057 Frauen wegen Überbelegung zum Zeitpunkt der Anfrage abgewiesen werden, weitere 406 Frauen konnten wegen der fehlenden Kostenübernahme der Herkunftskommune nicht aufgenommen werden.“ Dies sagte Gisela Pingen-Rainer, Sozialdienst katholischer Frauen und Vorstandsvorsitzende der Frauenhauskoordinierung.

Die FHK wird vom Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. Eine Erkundigung bei der FHK seitens des Ministeriums wäre ohne weiteres möglich gewesen. Die Bundesregierung ist verpflichtet, Anfragen der Opposition korrekt zu beantworten.

Dabei berichtete die Frauenhauskoordinierung bereits 2010, daß Frauenhäuser überproportional häufig von Frauen mit Migrationshintergrund aufgesucht würden. Bei einem Anteil von 19 Prozent an der Gesamtbevölkerung in Deutschland machen diese in den Frauenhäusern einen Anteil von 51 Prozent aus. Seltsam wirkt es, daß der Verein damals diese Zahl umgehend relativierte: „Es gibt jedoch keinen Beleg dafür, daß Frauen mit Migrationshintergrund häufiger von (häuslicher) Gewalt betroffen sind.“ Sie verfügten eben nur über geringere soziale, wirtschaftliche und rechtliche Ressourcen, um sich vor der Gewalt ihrer Ehemänner und Partner zu schützen. In der letzten Zählung für das Jahr 2016 betrug der Anteil der Migrantinnen in Frauenhäusern bereits 65,1 Prozent. Und die von der FHK erstellte Liste der Herkunftsländer der Frauenhausbewohnerinnen zeigt, daß drei der wichtigsten elf Herkunftsstaaten der Frauen – nämlich Syrien, Afghanistan, Irak – zugleich die drei wichtigsten Asylherkunftsländer der vergangenen Jahre sind. Zehn Prozent der Flüchtlingsfrauen, die in Frauenhäusern Schutz gefunden haben, stammen heute aus Syrien; 2012 lag deren Anteil noch bei anderthalb Prozent.

Es gibt immerhin Indizien dafür, daß hilfesuchende Frauen mit Migrationshintergrund aus einem weiteren Motiv von Frauenhäusern abgelehnt werden: die gewalttätige Familie ihres Mannes, die das selbstbestimmte Handeln der Frau nicht akzeptiert. Über solch einen erschütternden Fall berichtete Agathe Harms, Leiterin des DRK-Frauen- und Kinderschutzhauses Aurich 2010 in einem Interview gegenüber der FHK. Vor der Tür möchte dann niemand von einer aufgebrachten Menge belagert werden.

Für die frauenpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion ist das ein Skandal: „Wie pervers ist das denn? Unsere Regierung kann den Hals mit sogenannten Flüchtlingen nicht voll genug kriegen, anders kann man den politischen Umgang mit dieser Thematik nicht deuten, indem Illegale zu Legalen gemacht werden sollen. Aber schützen können wir die wenigen wirklichen Flüchtlinge vor ihren Peinigern in Deutschland nicht? Hier muß wirklich dringend nachgesteuert werden.“

Foto: Im Frauenhaus Schutz gefunden vor körperlicher Gewalt durch die nächsten Angehörigen: In Deutschland gibt es 373 Frauenhäuser und 25 Frauenschutzwohnungen. Immer öfter werden Frauen mit Migrationshintergrund dort nicht aufgenommen. Das liegt nicht nur an der Überfüllung der Häuser