© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Eine Gefahr für die Sicherheit
Journalistenlegende Bob Woodward hat Brisantes über Donald Trump enthüllt: Leider ist das Empörungspotential in den USA schon aufgebraucht
Thorsten Brückner

Am 8. November 2018 jährt sich die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten zum zweiten Mal. Da war es fast schon erwartbar, daß rechtzeitig zu diesem Termin ein neues Enthüllungsbuch über das vermeintliche Chaos im Weißen Haus erscheinen wird. Und über einen Amtsinhaber, der nach Ansicht vieler linksliberaler Amerikaner nicht nur rassistisch und brandgefährlich ist, sondern auch so dumm, daß er nicht einmal die fünfzig Bundesstaaten auf der Landkarte finden würde.

Ausgerechnet die Graue Eminenz des US-amerikanischen Journalismus, Reporterlegende Bob Woodward, hat sich der Zustände im Weißen Haus angenommen. Gerade der Name Woodward ist für Trump gefährlich. Die Reputation und die Glaubwürdigkeit des Journalisten, der 1973 den Watergate-Skandal mit aufdeckte, machen das Buch zu einer Pflichtlektüre weit über das politische Washington hinaus. Auch dadurch hebt sich die Publikation von früheren Enthüllungsrecherchen wie etwa der von Michael Wolff ab. Wolffs „Fire and Fury“ sorgte zu Beginn des Jahres für Schlagzeilen (JF 3/18).

Allerdings war Wolff schon vor dem Erscheinen als ein Journalist bekannt, der es mit Fakten schon mal etwas weniger genau nimmt und für den das Adjektiv „vertraulich“ im Umgang mit Quellen seit jeher ein Fremdwort ist. Anders Woodward. Wenn nur die Hälfte der Begebenheiten stimmen, von denen er in „Fear“ berichtet, kann man in Trump ohne weiteres eine Gefahr für die Sicherheit der Vereinigten Staaten sehen.

Das Buch beginnt mit einem Paukenschlag. Woodward berichtet, wie Trumps früherer Berater Gary Kohn – im Bestreben, Schaden von den USA abzuwenden – ein Dokument von Trumps Schreibtisch klaut. Grund: Mit einer Unterschrift wollte Trump einfach mal so nebenbei das Freihandelsabkommen mit dem engen Verbündeten Südkorea beerdigen. Kohn äußerte sich zu der ihm zugeschriebenen Illoyalität ausweichend. Die Recherchen Woodwards spiegelten seine Zeit im Weißen Haus nicht akkurat wider, teilte er mit. Ein Dementi klingt anders.

Noch gefährlicher ist Woodwards Recherchen zufolge aber die Impulsivität des Präsidenten in sicherheitspolitischen Fragen. Mit den Worten „Laßt uns ihn verflucht nochmal töten“, soll Trump seinen Verteidigungsminister James Mattis angewiesen haben, den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad zu liquidieren. Mattis, der den Spitznamen „Mad dog“ trägt, zeigte sich demnach in der Situation alles andere als verrückt. „Ich werde nichts dergleichen tun“, soll er einem Mitarbeiter nach der fraglichen Unterredung mit dem Präsidenten versichert haben.

Besonders pikant sind angebliche Äußerungen Trumps über seinen Justizminister Jeff Sessions. Diesen hatte Trump in der Vergangenheit wiederholt öffentlich brüskiert und gedemütigt. In vertraulichen Gesprächen soll er kein gutes Haar an dem früheren Senator aus Alabama gelassen haben, der zu Trumps Unterstützern der ersten Stunde gehört. „Dieser Kerl ist geistig zurückgeblieben“, soll Trump über den 71jährigen gesagt haben, nicht ohne auch noch gleich eine Spitze gegen dessen Herkunft zu verteilen: „Er ist ein dummer Südstaatler.“

Schon jetzt ist absehbar, daß die Bewertung des Buches entlang der Parteigrenzen unterschiedlich ausfallen wird. Trump-Fans werden in den Zeilen das übliche Trump-Bashing sehen. Für die Gegner des Präsidenten bestätigen die Enthüllungen Woodwards nur, was sie schon immer über den Amtsinhaber gewußt zu haben glauben. Trump hat jedenfalls zu dem Buch eine klare Meinung. „Ein weiteres schlechtes Buch“, gab er im Interview mit dem konservativen Portal Daily Caller zum besten. Auch Trumps Stabschef John Kelly äußerte sich. Er mußte dementieren, den Präsidenten „verwirrt“ und „einen Idioten“ genannt zu haben. Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Sarah Huckabee Sanders, sprach von „erfundenen Geschichten“.

Das Erscheinungsdatum des Buches war bewußt gewählt: Seit dem 11. September ist es in Amerika erhältlich. Auswirkungen auf die Zwischenwahlen am 6. November scheint die Publikation aber derzeit nicht zu haben. Ein möglicher Grund: Enthüllungsberichte aus dem Weißen Haus haben sich abgenutzt. Das Empörungspotential über diese Präsidentschaft scheint aufgebraucht. Dazu kommt: Amerikaner, die Trump ihre Stimme gegeben haben, taten dies im vollen Bewußtsein, daß der New Yorker Immobilienmogul eben kein Politiker wie jeder andere sein wird.

Bob Woodward: Furcht. Trump im Weißen Haus. Rowohlt Verlag, Reinbek 2018, gebunden, 512 Seiten, Abbildungen, 22,95 Euro