© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Satire für Erwachsene
Wie würden wohl die berühmten „Fünf Freunde“ heutzutage leben, wenn sie groß wären?
Verena Rosenkranz

Sie gelten als eine der erfolgreichsten Kinderbücherreihen weltweit, Fernsehserien und Filme brachten die Abenteuer der „Fünf Freunde“ auf die Leinwand, und Tausende Jugendliche nahmen sich an der illustren Gruppe mit dem Findlingshund ein Vorbild. Während die Helden früher noch Kinder waren, wären sie heute längst Erwachsene und die phantasievollen Abenteuer um Schmuggler oder Burgen wären den Problemen der westlichen Gesellschaft gewichen. 

Und die können mitten in der Wohlstandsgesellschaft des Jahres 2018 in einer multikulturellen Großstadtumgebung ganz schön knifflig sein. Genau das hält nun eine Neuauflage in zwei Bänden der „Fünf Freunde“ fest. 

Der etwas andere Blickwinkel des humoristischen Autors Bruno Vincent in Zusammenarbeit mit der englischen Original-Autorin Enid Blyton stellt die zwei Burschen und zwei Mädchen mitsamt ihrem Hund Timotheus vor neue Probleme: In den Büchern „Fünf Freunde werden Helikoptereltern“ und „Fünf Freunde essen glutenfrei“ werden die selbstauferlegten Hürden ihrer Generation im modernen Alltag satirisch beschrieben. Nicht unbekannte Räuber, gefährliche Wanderungen oder seltsame Geräusche im Dunklen sind es, die die nun erwachsenen Freunde auf Trab halten. Neben der täglichen Dosis politisch korrektes Feingefühl wird von ihnen erwartet, die Trends der Zeit mitzumachen. Nach Experten leiden bereits 40 Prozent der Bevölkerung unter einer Unverträglichkeit von Gluten, die fünf Freunde ebenso.

Besorgt greifen alle zu Elternratgebern

Die neuen Kapitel des Kinderbuchklassikers ranken sich deswegen auch um das mittlerweile allgegenwärtige Thema Ernährung. Bei einem Geburtstagspicknick voller Hürden, weil jeder eine andere Unverträglichkeit hat, fassen die Freunde einen guten Vorsatz: Sie wollen sich nur noch vorbildlich und den Allergien des Jahres 2018 angepaßt ernähren. 

Doch das erfordert eine Menge Planung. Das Abenteuer beginnt beim Einkauf und der anschließenden Zubereitung. Sie müssen nun lernen, wie man Speisen ohne das angeblich hochgiftige Klebereiweiß herstellt. Anstatt Pasta werden aus Zucchini mittels „Spiralschneider“ abenteuerlich sogenannte „Zoodles“ hergestellt. 

Auch der mittlerweile lethargisch gewordene Hund muß mitmachen. Ihm wird schon im Bucheinband eher lustlos ein glutenfreies, veganes Brötchen vorgesetzt. An Glückstagen findet er am Küchenboden noch Kürbisspaghetti. Was auch Auswirkungen auf seine Darmtätigkeit hat und den vier Zweibeinern das neue gesunde Zusammenleben zusätzlich erschwert. Als sich Verzweiflung bei der Bande breitmacht, werden sie von einem „Ernährungsexperten“ jedoch bestätigt und motivieren sich, das Wagnis weiter durchzustehen. Sie wollen schließlich „clean“ werden von all dem Zucker, Fett und ungesunden Nahrungsmittel, die sie ständig in ihre geschundenen Körper reingestopft haben.

Ähnlich „abenteuerlich“ geht es auch im zweiten Band zu. Dort versuchen die fünf Freunde den Nachwuchs ihres Cousins und seiner osteuropäischen Frau bestmöglich zu hüten. Was in unseren Breitengraden mindestens den Anforderungen von Helikoptereltern entspricht, um nicht das Prädikat „Rabeneltern“ davonzutragen. Als die beiden Brüder Julian und Dick sich abends auf ein Bier in die Kneipe nebenan schleichen wollen, eskaliert die Situation allerdings, als einer von beiden im Dunkeln auf ein Spielzeug tritt. Sein schmerzerfüllter Schrei weckt das Baby, und Anne verbietet ihnen für die nächste Zeit jeglichen Alkoholkonsum. 

Besorgt und überfordert greifen alle einen Elternratgeber nach dem anderen auf und halten jede der beschriebenen Maßnahmen für einleuchtend. Sie versuchen alles davon umzusetzen: errechnen akribisch die Milchmenge für einen ganzen Tag, wechseln nach Youtube-Anleitung die Windeln und verfallen in schiere Panik, wenn etwas nicht so läuft wie in den Büchern beschrieben. 

Dann muß Google herhalten, um eine ganze Palette an möglichen Ursachen für das Verhalten des Babys auszuwerfen. Das Resultat führt zu der Vermutung, es könne sich um eine angeblich tödliche Krankheit handeln. 

Ein amüsanter, nachdenklich stimmender, aber ebenso zutreffender literarischer Fingerzeig für unsere hypochondrische, verweichlichte Gesellschaft, in der wir es tatsächlich verlernt haben, uns auf unser Bauchgefühl zu verlassen – sei es in punkto Ernährung oder auch Erziehung. Wie sollen unsere Kinder nur überleben, wenn nicht stets ein besorgtes Elternteil beide Händchen hält? Und wie konnten die fünf Freunde bei all ihren gefährlichen Abenteuern ohne Erziehungsberechtigten in der Nähe überhaupt so alt werden?

Immerhin sitzen auf den zahlreichen Illustrationen noch die ordentlichen Scheitel, Blusen, Hemden und Jacketts wie zu früheren Zeiten.

Wenn aus den Helden der Kindheit urbane Hipster-Erwachsene werden: Bruno Vincent und Enid Blyton, „Fünf Freunde werden Helikoptereltern“ (oben, 112 Seiten, 9,99 Euro) und „Fünf Freunde essen glutenfrei“ (unten, 112 Seiten, 9,99 Euro), Riva Verlag