© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Blick in die Medien
Beim Kino hört der Spaß auf
Tobias Dahlbrügge

Filmstars und Cineasten sind in heller Aufregung. Der Grund ist Netflix. Bislang wurde der Streamingdienst von den „Kulturschaffenden“ der anspruchsvollen Kinokunst als Produzent von Serien verlacht. Doch nun verfolgt die erfolgreiche Netzplattform einen perfiden Plan: Laut der Interessenvertretung AG Kino, die sich selbst „Gilde deutscher Filmkunsttheater“ nennt, will Netflix „die Grundpfeiler des Kinos zerstören“ und ist ein „tödlicher Feind“.

Die Branche macht nun Druck auf die Berlinale, bloß keine Netflix-Filme zuzulassen.

Hintergrund: Netflix dreht nicht mehr nur Serien, sondern auch Spielfilme. Um mit den eigenen Produktionen auch an internationalen Filmfestspielen teilnehmen zu können, müssen diese zuvor – so ist das Regelwerk – im Kino gelaufen sein, sonst gibt’s keinen Oscar.

Darum bietet Netflix Kinobetreibern und Filmverleihern seine Produktionen zur Vorführung an, um diese anschließend in Venedig, Cannes oder Berlin als Wettbewerbsbeitrag einreichen zu können. Dafür ist Netflix bereit, viel Geld zu zahlen, möchte im Gegenzug aber attraktive Vorführzeiten eingeräumt bekommen. Hauptstreitpunkt ist, daß Netflix seine Filme sofort nach Erscheinen auf dem Streamingportal vermarkten will und nicht erst einige Monate ausschließlich in den Kinos.

Bei den Filmfestspielen in Venedig gewann Netflix mit Alfonso Cuaróns mexikanischem Gesellschaftsbild „Roma“ bereits den begehrten Goldenen Löwen. Das erbost die deutsche Filmbranche, die sich als Gralshüter der Kinokultur betrachtet. In Cannes wurde Netflix die Tür zugeknallt, nun macht die Branche Druck auf die Berlinale, Netflix-Filme auf keinen Fall zuzulassen. 

Der Kino-AG-Chef fordert im Namen von 400 Arthouse-Kinos, nur Streifen zu zeigen, „die eine exklusive Erstauswertung auf den großen Leinwänden der Kinos vorsehen“, denn Netflix „gefährdet alle Akteure entlang der Wertschöpfungskette“. Von da weht also der Wind.