© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Nicht nur der Strom soll teurer werden
Subventionspolitik: Der Bundesrechnungshof bilanzierte den Stand der Umsetzung der Energiewende
Henning Lindhoff

Der Bundesrechnungshof (BRH) hat in einem Sonderbericht den Umgang des Bundeswirtschaftsministeriums mit der Energiewende scharf angegriffen. Ungeachtet erheblicher Aufwendungen, die sich 2017 auf 34 Milliarden Euro beliefen, „werden die meisten der nationalen Ziele für 2020 nicht erreicht“, erklären die Prüfer in ihrem 50seitigen Bericht. Die Behauptung des Ministeriums von Peter Altmaier (CDU), daß das derzeitige Koordinierungssystem effektiv und effizient sei, werde durch den erheblichen Rückstand bei der Erreichung der deutschen Klima- und Umweltziele 2020 untergraben.

Trotz 26 neuer Gesetze und 33 neuer Verordnungen seien die Ergebnisse ernüchternd: „Der enorme Aufwand, der betrieben wird, aber auch die großen Belastungen für Bürger und Wirtschaft – all das steht in krassem Mißverhältnis zu dem bisher dürftigen Ertrag bei der Umsetzung der Energiewende.“ Neben der Forderung nach Koordinationsgruppen innerhalb des Altmaier-Ministeriums sowie zwischen den Ministerien, Bund und Ländern empfahl der BRH, detaillierte Regeln auf der Grundlage eines breiten Rechtsrahmens zu verabschieden und die Verwendung eines „nicht planwirtschaftlichen“ CO2-Preisplans als Instrument zur Umsetzung der Energiewende zu prüfen – was praktisch auf eine zusätzliche Abgabe hinausliefe.

Der von dem früheren Unions-Fraktionsdirektor Kay Scheller geführte BRH stellt die Energiewende selbstverständlich nicht in Frage, aber ihm fehlt der Überblick über die Gesamtkosten. Die Bundesregierung müsse die Kostentransparenz, Effizienz und Koordination der Energiewende verbessern, um das Vertrauen der Bürger zu erhalten. In den vergangenen fünf Jahren seien mindestens 160 Milliarden Euro aufgewendet worden – das entspricht der Hälfte eines Bundeshaushalts: „Steigen die Kosten der Energiewende weiter und werden ihre Ziele weiterhin verfehlt, besteht das Risiko des Vertrauensverlustes in die Fähigkeit von Regierungshandeln.“

Nötig seien bessere Indikatoren zur Überwachung der Kosten- und Versorgungssicherheit, eine bessere Koordination und mehr Anreize. Ohne stärkere, vor allem steuerrechtliche Eingriffe werde die nationale und internationale Öffentlichkeit „den Eindruck gewinnen, daß Deutschland nicht in der Lage ist, die Energiewende zu organisieren und umzusetzen“, warnen die BRH-Prüfer. Eine neue CO2-Steuer müsse die heutigen Regulierungen und Subventionen ersetzen. Das wäre FDP pur: „Ich bin dafür, daß wir CO2 einen Preis geben, damit die wirtschaftlich effektivsten Formen der Vermeidung genutzt werden. Und zwar europaweit und in allen Sektoren des Lebens“, drohte Parteichef Christian Lindner im Januar in der Passauer Neuen Presse. Das sei alternativlos, denn „das ist eine Überlebensfrage der Menschheit“.

Die Idee einer CO2-Steuer ist keineswegs neu

Den BRH-Präsidenten macht traurig, daß die „Führungsrolle“ beim Klimaschutz verlorenging: „Deutschland begann stark und sieht heute international relativ schwach aus.“ Die Situation sei „unbefriedigend“, denn der Klimawandel sei ein wesentlicher Treiber für Migration, Armut und extreme Wetterereignisse, glaubt der Unions-Jurist Scheller.

Der von Simone Peter geführte Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) unterstützt die BRH-Forderung nach einer CO2-Steuer. Dies verschaffe erneuerbaren Energiequellen einen Vorteil gegenüber fossilen Brennstoffen im Strom- und Heizungssektor, so die Ex-Grünen-Chefin. Das aktuelle System aus Abgaben, Steuern und Umlagen behindere in heutiger Form eine intelligente Ausrichtung der Energiewende, zum Beispiel bei der Kopplung der Sektoren Strom, Wärme und Mobilität. Es sei jetzt wichtig, „Deckel und Bremsen für erneuerbare Energien“ zu entfernen.

Die Idee der CO2-Steuer ist keineswegs neu. Die Grünen fordern sie, die SPD versuchte vergeblich, sie im neuen Koalitionsvertrag durchsetzen. Nur die AfD und die Linken lehnen eine zusätzliche CO2-Steuer aus unterschiedlichen Gründen konsequent ab. Für den Flugverkehr wäre eine CO2-Steuer tödlich. Die Union redet sich mit Verweis auf den CO2-Emissionshandel in der EU (ETS) heraus. Doch das ETS verteuert seit zehn Jahren den CO2-Austoß für Kraftwerke und in einigen Industriesektoren.

Angela Merkel warb bereits am 17. Juni 1997 in der Frankfurter Rundschau für eine Art CO2-Steuer: „Energie ist heute zu billig“, behaupete die damalige Bundesumweltministerin. „Es müssen aus meiner Sicht gezielt die Steuern auf Energie angehoben werden, sei es über Mineralöl, Heizgas oder Strom.“ Merkels damalige Forderungen sind inzwischen längst teure deutsche Realität, es wird nur anders genannt: In diesem Jahr spülen Energie- und Stromsteuer 37 bzw. 6,9 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt – das ist das Dreieinhalbfache des ungeliebten Solidaritätszuschlages.

Hinzu kommen die 24,2-Milliarden-Kosten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Der Strompreis hat sich seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt, er ist der höchste in der EU. Etwa drei Viertel der EEG-Umlage zugunsten der politisch gehätschelten Wind-, Solar und Biogasbranche tragen die Privathaushalte, der Mittelstand und öffentliche Einrichtungen. Ein Teil der Industrie ist – dank guter Lobbyarbeit – teilweise oder ganz von der Umlage (6,792 Cent pro Kilowattstunde plus Umsatzsteuer) befreit. Die EEG-Umlage kann bei Einführung einer CO2-Steuer nicht einfach gestrichen werden: Ohne den dadurch garantierten Festpreis für die Ökostrom-Produzenten würden diese meist pleite gehen – und mit ihnen die finanzierenden Banken und „grünen“ Geldanleger.

Sonderbericht „Koordination und Steuerung zur Umsetzung der Energiewende durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie“: bundesrechnungshof.de/