© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Die EU verlangt von Italien eine strengere Haushaltsdisziplin
Mit dem Rücken zu Wand
Thorsten Polleit

Italien ist in einer prekären Lage: Bei 133 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) liegt die öffentliche Verschuldung. Die Zinslast beläuft sich auf mehr als vier Prozent des BIP – und ist damit größer als der jährliche Einkommenszuwachs. Anders gesagt: Italien verdient seine Kreditkosten nicht mehr und muß die Zinsen aus der Substanz oder durch neue Kredite bezahlen. Das läßt sich nicht ewig fortführen. Seit der Euro-Einführung ist die Wirtschaft im Schnitt nur um weniger als 0,5 Prozent pro Jahr gewachsen. Seit 2008 ist sie um durchschnittlich 0,5 Prozent pro Jahr geschrumpft – inoffizielle Wirtschaftsaktivitäten nicht mitgerechnet.

Im ersten Quartal 2018 lag die Arbeitslosenquote der Männer bis 24 Jahren bei 31,4 Prozent, bei den Frauen waren es 37,2 Prozent. Das Land leidet unter einer chronischen Investitionsschwäche. Politiker und Keynesianer empfehlen nun, eine schuldenfinanzierte Nachfrageausweitung.

Marktorientierte Ökonomen fordern hingegen Reformen. Die Italiener müßten sich einer Roßkur unterziehen, die die Preise und Löhne so lange absinken läßt, bis das Land preislich gesehen wieder für Investoren attraktiv geworden ist. Dies wäre allerdings mit einer schweren „Bereinigungsrezession“, Firmenkonkursen und noch höherer Arbeitslosigkeit verbunden. Die Lage müßte sich erst verschlechtern, bevor sie besser werden kann. Wenn aber die keynesianische Politik nicht wirkt, der politische Wille und die Leidensfähigkeit fehlt, um einen Reformweg zu beschreiten, was dann? Drei Entwicklungen sind dann denkbar.

Erstens: Italien wird zum dauerhaften Subventionsfall, finanziert von den übrigen Euro-Ländern. Die wirtschaftliche Rückständigkeit Italiens würde zementiert, möglicherweise sogar noch verschärft, so daß sich eine dauerhafte Subventionierung durch die anderen Euro-Länder politisch nicht durchsetzen läßt.

Zweitens: Italien tritt aus dem Euro aus und führt eine „neue Lira“ ein. Die wertet ab und verschafft Italiens Produzenten preisliche Wettbewerbsfähigkeit.

Drittens: Die EZB kauft die italienischen Staatsschulden auf. Das würde allerdings einen Inflationsschub auslösen. Ungerechte Verteilungswirkungen, die die Menschen in den verschiedenen Staaten in unterschiedlicher Weise treffen, wären die Folge.

Das wiederum setzt politische Zentrifugalkräfte innerhalb der Währungsunion frei. Wie man es dreht und wendet: Italien stellt ein Megaproblem für den Euroraum dar. Es hat das Potential, ihn zu sprengen. Eine schwierige Entscheidung. Die ökonomische Vernunft hat jedoch eine Empfehlung: Kein Gelddrucken für Italien, aber dem Land freistellen, entweder aus dem Euro auszutreten oder einen Schuldenerlaß mit seinen Gläubigern auszuhandeln.






Prof. Dr. Thorsten Polleit ist Volkswirtschaftler und Präsident des Mises-Instituts.

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