© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 42/18 / 12. Oktober 2018

Ein Licht am Ende des Tunnels
Frankfurter Buchmesse: Unliebsame Verlage werden schikaniert / JF hält dagegen
Martina Meckelein / Mathias Pellack

Über 7.000 Aussteller aus 105 Ländern. 300.000 Besucher, 10.000 akkreditierte Journalisten – die Frankfurter Buchmesse ist die größte ihrer Art. Ihre Zahlen lesen sich wie Superlative. Schöner Schein. Nicht nur, daß es der Buchbranche schlecht geht, hinter den Kulissen der Literatur geht es knallhart um Ausgrenzung und Ghettoisierung. Betroffen davon in erster Linie: die Wochenzeitung JUNGE FREIHEIT.

So hat die Messe sich in diesem Jahr etwas einfallen lassen, das einem handfesten Skandal gleichkommt: 30 Meter ist der Gang lang, durch den Besucher gehen müssen, um zum Stand der JF zu gelangen. „Ein raumgewordener politischer Katzentisch“, kommentierte Mariam Lau in der Zeit den zugewiesenen Ort. Zu dem Vorgehen wollte sich die Messe auf Nachfrage dieser Zeitung nicht äußern. Patrick Bahners schrieb in der FAS: „Die diskriminierende Absicht hinter der kühlen Behandlung ist offenkundig.“

Nicht das erste Mal, daß das Management ausgrenzt. Rückblick: Seit 1991 stellt die junge freiheit auf der Frankfurter Buchmesse aus; viele Jahre davon in Halle 3.0 unweit des Messestandes der Wochenzeitung Die Zeit. 2016 folgte dann der erzwungene Umzug in die Halle 4.1, wo die Buchmesse die Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS) der ehemaligen inoffiziellen Stasi-Mitarbeiterin Anetta Kahane genau gegenüber dem Stand der JF plazierte. Um „ein Zeichen“ zu setzen. Welches andere könnte gemeint sein, als das der Überwachung und Denunziation? 2017 arbeitete die AAS gegenüber dem Verlag Antaios von Götz Kubitschek.

Auf Nachfrage dieser Zeitung stellte sich heraus, daß die Stiftung für den Messestand keinen Cent zu bezahlen hatte. Die Frankfurter Buchmesse begründete diese Großzügigkeit damit, sie habe  „ein Gegengewicht zu den Themen und Publikationen des Antaios-Verlages in diesem Hallenareal schaffen“ wollen. Die Frankfurter Rundschau jubelte damals: „Rechte Populisten bekommen Contra auf Buchmesse“.

Linke bepöbelten Identitäre, es kam zu Tumulten

Was die FR unter Contra verstand, sei dahingestellt. Der Börsenverein forderte zu Beginn der Messe seine Besucher auf, „Haltung“ gegen „rechte“ Verlage zu zeigen, demonstrierte mit Pappschildern vor dem Antaios-Verlagsstand. Im Internet veröffentlichte er auch die Stand- und Hallennummern der Aussteller: „Drei dezidiert rechte Verlage werden mit einem eigenen Stand vertreten sein: Antaios (Halle 3.1, Stand G 82), Manuscriptum (Halle 4.1, Stand E 46) und die junge freiheit (Halle 4.1, A 75)“, ist auf den Netzseiten des Börsenvereins noch immer zu lesen. Ein Aufruf zur Gewalt? Damals wurde in der Nacht auf Donnerstag, noch während die Messe nur für Fachpublikum geöffnet war, der Stand des Manuscriptum-Verlages verwüstet.

Der linke Verleger Achim Bergmann bepöbelte während einer JF-Veranstaltung lautstark die Referenten. Nach einer verbalen Auseinandersetzung mit einem Zuhörer, der sich gestört fühlte, erhielt er von diesem einen Schlag ins Gesicht.

Ein Vortrag des Chefs der österreichischen Identitären Bewegung, Martin Sellner, konnte nicht stattfinden. Linke bepöbelten IB-Sympathisanten, es kam zu tumultartigen Szenen.

Angeblich sei auch ein gewisser Nico Wehnemann von der Satirepartei „Die Partei“ von „Rechten“ angegriffen und zu Boden geworfen worden. Ein Handyvideo soll das beweisen. Auf Twitter veröffentlichte der Frankfurter Stadtverordnete hinterher einen Screenshot aus dem Film und klagte, die Polizei hätte nur zugeschaut, während ein „Nazi“ auf ihm gelegen habe. Die Polizei stellte später klar: „Kein Mitarbeiter der Frankfurter Buchmesse, sondern des Sicherheitsdienstes der Messe Frankfurt.“ Der Sicherheitsmann mußte sich auf Wehnemann werfen, weil der gegen eine Absperrung sprang. Wehnemann behauptete auf Twitter am 14. Oktober 2017 munter weiter: „meiner Meinung nach ein Nazi. Er soll sich bei mir melden, dann revidiere ich.“

Am Ende der Frankfurter Buchmesse zog Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, eine positive Bilanz: „In den vergangenen Tagen hat sich die Buchbranche lebendig und vielfältig gezeigt und einen starken Appell für Meinungsfreiheit und Pluralismus, für eine offene und tolerante Gesellschaft von Frankfurt aus in die Welt gesendet.“

Buchbranche verliert massiv Kunden im Publikumsmarkt

Das sah allerdings die Amadeu-Antonio-Stiftung anders – und forderte ein neues Konzept gegen „rechte“ Verlage. Im Interview mit der taz sagt deren Geschäftsführer Timo Reinfrank: „Ich fand es bemerkenswert, daß die Buchmesse selbst eine Demonstration gegen Rassismus durchgeführt hat. In Zukunft wird das leider nicht mehr ausreichen. Man muß inhaltlich-organisatorisch, mit Sicherheitskräften und Anwälten agieren und massiv vom Hausrecht Gebrauch machen.“

Im Frühjahr 2018 agierte dementsprechend die Leipziger Buchmesse. Direktor Oliver Zille hatte schon 2006 versucht, die junge freiheit von der Messe auszuschließen. Die Begründung damals: Ihre Anwesenheit behindere die ordnungsgemäße Durchführung der Buchmesse. Die JF setzte sich erfolgreich durch. Doch 2018 zog die JF ihre Anmeldung zurück. Der Grund: JF-Geschäftsführer Dieter Stein warf Zille vor, mit der von linksradikalen Verlagen initiierten Aktion „#verlagegegenrechts“ zu kooperieren. Durch eine einseitige und ungünstige Standplazierung in einem von der Messe konstruierten „rechtsextremen Block“ von Verlagen sei eine Messeteilnahme absolut rufschädigend und wirtschaftlich sinnlos, so Stein.

Jetzt übertrifft die Frankfurter Buchmesse noch die Leipziger Separierung durch Ausgrenzung ihrer langjährigen Kunden und Spießrutenlauf für ihre Gäste. So soll Meinungsvielfalt unsichtbar und unhörbar gemacht werden.

Dabei hat die Branche andere Probleme. In den ersten neun Monaten dieses Jahres verzeichnete der Buchhandel nach Angaben des Börsenvereins einen Umsatzrückgang um 1,1 Prozent. Bereits im vergangenen Jahr schrumpfte der Markt um 1,6 Prozent. Dem Buchmarkt brechen durch Internet und soziale Medien die Kunden weg. Zwischen 2013 und 2017 hat die Branche 6,4 Millionen Käufer – 18 Prozent der Kunden – im Publikumsmarkt verloren. Der Umsatz lag im vergangenen Jahr bei 9,1 Milliarden Euro – ein Minus von 1,6 Prozent. 2013 betrugen die Erlöse noch gut 9,5 Milliarden Euro. „Verlage und Buchhandlungen arbeiten intensiv an neuen Ideen, um Menschen für Bücher zu begeistern“, sagte der Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Alexander Skipis, gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die Branche erwarte die Buchmesse daher „voller Tatendrang“.

Wir auch. Zu finden in Halle 4.1, Stand R3. Immer dem langen, schmalen Gang nach.


„Ich bin über die schäbige und diskriminierende Behandlung Ihrer Zeitung durch die Leitung der Frankfurter Buchmesse bestürzt und empört. Auf diese Art setzt das Management der Messe sich selbst ins Zwielicht und leistet dem Meinungsklima in Deutschland einen Bärendienst.“

Thilo Sarrazin, Bestsellerautor


„Ich kritisiere die feige Geschäftsführung der Messe Frankfurt, die der Buchmesse eine solche ungerechte, stigmatisierende Behandlung durchgehen läßt. Unglaublich, daß Ihnen solches widerfährt.“

Moritz Hunzinger, Professor für Public Relations


„Die Demokratie wird schwer beschädigt, wenn kritische Verlage oder Stimmen ausgegrenzt, behindert, benachteiligt oder sogar diffamiert werden. Demokratie lebt von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit verschiedenen Positionen.“

Hans-Joachim Maaz, Psychoanalytiker


„Unsere freie und demokratische Gesellschaft basiert auf Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit. Sie kann und muß es aushalten, wenn es links oder rechts der politischen Mitte Meinungen gibt, die von der Mehrheit nicht geteilt werden, solange diese sich innerhalb des demokratischen Spektrums und innerhalb der Schranken von Recht und Gesetz bewegen.“

Sylvia Pantel, CDU-Bundestagsabgeordnete


„Die Buchmesse steht mit diesem Umgang in der Tradition des deutschen Kulturwesens seit langer Zeit. Der „offene Dialog“ wird doch ausschließlich hinter vorgehaltener Hand in versteckten Biotopen geführt.“

Stephan Paetow, früherer Focus-Vize-Chefredakteur


„Es ist empörend, wie man auf der Frankfurter Messe mit der JUNGEN FREIHEIT umzugehen beabsichtigt. Warum scheut die Messe den Dialog mit einem ihr anscheinend unbequemen Medium? Offenkundig deshalb, weil ihr die Argumente fehlen.“

Hans Hugo Klein, Richter am Bundesverfassungsgericht a. D.


„Ohne die Beweggründe der Messeleitung zu kennen, nehme ich an, daß sie Werbung für die JF machen will. Denn die Ghettoisierung bedeutet doch nichts anderes als: Dort sind die Guten!“

Nicolaus Fest, Journalist, Ex-Bild-am-Sonntag-Vizechef


„Daß die JF so gut aufgemacht ist und die Auflage ständig steigt, wird natürlich von den Konkurrenten neidisch registriert, die jetzt versuchen, die Zeitung schlechtzumachen.“

Hans Wall, Unternehmer


„Die Toleranz derjenigen, die ständig für sich Toleranz einfordern, ist immer dann schwach ausgeprägt, wenn es darum geht, andere Meinungen tolerieren zu sollen.“

Hans-Jürgen Irmer, CDU-Bundestagsabgeordneter


„Die Behandlung der jungen freiheit durch die Frankfurter Buchmesse ist auffällig unfair und ein Affront gegen die Meinungsfreiheit in Deutschland.“

Helmut Markwort, Ex-FocusHerausgeber


„Frei nach Rosa Luxemburg: Toleranz bedeutet nicht, Gleichgesinnte zu tolerieren, sondern Andersdenkende. Wer Menschen oder Verlage mit anderen Meinungen – im Falle der Messe auch buchstäblich – an den Rand drängt, offenbart, daß er das Wesen von Freiheit, Demokratie und Toleranz nicht verstanden hat.“

Boris Reitschuster, Journalist, Rußland-Experte


„Wenn die Freiheit der Meinung auf der Buchmesse durch offenkundige Diskriminierung nicht gewährleistet ist, dann ist dies ein bedenklicher Vorbote einer Entwicklung, die eigentlich niemand in Deutschland mehr erleben will.“

Ingo Resch, Verleger


„Eine Gesellschaft, die kein anderes oder/und ihr gegenüber kritisches Denken mehr erträgt, dieses gar kriminalisiert, ist geistig am Ende. Besteht für die Messe überhaupt noch die Freiheit, einen Dialog mit unterschiedlichen Positionen zu ermöglichen, ohne sich damit selbst Angriffen von Politik, Medien und Linksextremen auszusetzen?“

Wulf D. Wagner, Architekturhistoriker


„Unsouverän, kleinmütig, verkniffen. Gefallsucht gegenüber dem vermeintlichen Mainstream.“

Wolfgang Herles, Journalist, Schriftsteller, ehemaliger ZDF-Moderator („Das Blaue Sofa“)





Pressestimmen

Begründet wird die Verlegung des Standes mit dessen Sicherheit und jener der Besucher, aber man spürt die wahre Absicht, und man ist verstimmt. (...) Niemand erwartet eine Vorzugsbehandlung für rechte oder linke oder sonstwie umstrittene Verlage, aber eine offensichtliche Benachteiligung kann nur begrüßen, wer sich seiner eigenen Liebe zur Meinungsfreiheit nicht so ganz sicher ist.

Andreas Platthaus in der FAZ, 9. Oktober


Fundamentalisten jeglicher Couleur stellen in Frankfurt aus, Staatsverlage aus Diktaturen und Exilverlage mit dem publizistischen Mut der Verzweiflung. Immer wieder kommt es an solchen Ständen zu Handgreiflichkeiten. Aber nur die „Junge Freiheit“ wird an einem toten Punkt plaziert. Die diskriminierende Absicht hinter der kühlen Behandlung ist offenkundig. 

Patrick Bahners in der FAS, 7. Oktober


Der Verlag der Wochenzeitung Junge Freiheit soll (...) in einer Art Schlauch verschwinden, einer Sackgasse am Rande der Halle 4.1, in der ansonsten Antiquariate untergebracht sind. Ein raumgewordener politischer Katzentisch. Nichts für Flaneure also.Mariam Lau in der Zeit, 3. Oktober


... Tatsächlich entlarvt dieses Vorgehen die Bekundungen der Messe als große Heuchelei, wenn sie sich rühmt, sie versammele in Frankfurt „Menschen, die ihre Ideen verhandeln wollen, einen konstruktiven Dialog zu drängenden Fragen beginnen und sich auf Augenhöhe auch mit anderen Perspektiven auseinandersetzen“. Pustekuchen. Nichts da mit „auf Augenhöhe“. Durch Ausgrenzung will man rechtsintellektuelle Konsensstörer erledigen.

Thorsten Meyer auf Tichys Einblick, 7. Oktober


Vielleicht wünscht sich der Direktor der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, in diesen Tagen manchmal einen Harry-Potter-artigen Zauberstab, mit dem er die unliebsamen Schlagzeilen und Gäste einfach verschwinden lassen könnte. 

Marc Reichwein in der Welt, 9. Oktober


Na klar, wir haben Meinungsfreiheit, wir haben Pluralität, ihr könnt auch kommen, aber ihr kriegt den Tisch am Klo. Das ist eine britisch-elegante Lösung, wie man solche Leute rauskickt. 

Freitag-Herausgeber Jakob Augstein in einem Video-Streitgespräch mit Jan Fleischhauer, 4. Oktober