© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Zeitschriftenkritik: Forschung Frankfurt
Rückschau auf Achtundsechzig
Werner Olles

Zahlreiche Rückblicke auf das Jahr 1968 sind in den vergangenen Monaten (auch in dieser Zeitung) erschienen. Bücher, Veranstaltungen, Artikel und Essays haben das „Jubiläum“ zum Anlaß genommen, die Protagonisten der Studentenrevolte, die Hauptschauplätze in Berlin und Frankfurt sowie  die damaligen Auseinandersetzungen unter die Lupe zu nehmen: kritisch-aufklärerisch, nostalgisch oder auch subjektiv-selektiv geprägt. Tatsächlich ist besonders der Mai 1968 längst zur Zeitgeschichte geworden, an die die damals Beteiligten jeweils ihre eigenen Erinnerungen haben, egal auf welcher Seite der Barrikade sie vor fünfzig Jahren standen. 

Die Frankfurter Goethe-Universität gehörte 1968 zu den Hauptschauplätzen der „Kulturrevolution“, und die Auseinandersetzungen, die dort stattfanden, waren im Vergleich zu anderen Universitätsstädten wie Heidelberg, Tübingen oder München härter und radikaler. Die Redaktion des zweimal jährlich erscheinenden Wissenschaftsmagazins der Goethe-Universität Forschung Frankfurt hat daher ihr aktuelles Themenheft (1/2018) den 68ern gewidmet und Zeitzeugen zu Wort kommen lassen, deren Beiträge „einen weiteren, frischen Blick auf 1968 und die Geschehnisse davor und danach erlauben“. Das Titelbild zeigt einen Schnappschuß von Studenten während der Rektoratsbesetzung am 30. Mai 1968, über den die Besetzer naturgemäß nicht erbaut waren und eine abwehrende Haltung einnehmen. 

Charakteristisch waren die Debatten mit den Vertretern der Frankfurter Schule Theodor W. Adorno, Max Horkheimer und Jürgen Habermas. Letzterer warf den SDS-Studenten „linken Faschismus“ vor, doch zählte gerade die „Kritische Theorie“ zu den intellektuellen und politischen Quellen weit über Frankfurt hinaus. Herbert Marcuse, der „Philosoph der Jugendrevolte“ (Habermas), dessen voluntaristische Ideologie der „Strategie der direkten Aktion“ großen Einfluß auf die 68er ausübte, trug zur Verhärtung der Fronten bei, während Adorno und Horkheimer sich von den militanten Aktionen distanzierten. Der Politikwissenschaftler und SPD-Politiker Carlo Schmid brach seine Vorlesung nach gewalttätigen Störungen des SDS ab („Ich lasse mich zu Diskussionen nicht nötigen!“), und Rektor Walter Rüegg nannte die Protestformen gegen die geplanten Notstandsgesetze der Großen Koalition „Einübung faschistischer Terrormethoden“.

Während der Philosoph und Germanist Rolf Wiggershaus das gestörte Verhältnis der Studentenbewegung zu den kritischen Theoretikern untersucht, befassen sich weitere Beiträge mit den „nationalen Akteuren als transnationale Ikonen eines globalen Phänomens“ (Steffen Bruendel), der Politik des Bewußtseins – LSD und andere Drogen bei den 68ern“ (Bernd Werse) und – sehr verdienstvoll – der „Geschichtsklitterung der Frankfurter Linken“ (Klaus Walter).

Kontakt: Goethe-Universität, Abteilung Marketing und Kommunikation, Theodor W. Adorno-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main. Das Einzelheft kostet 6 Euro, ein Jahresabo 12 Euro. 

 www.forschung-frankfurt.de