© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Eine Herkulesaufgabe für Moon
Gespräche zwischen Süd- und Nordkorea: Nach dem Gipfel von Pjöngjang sind die Erwartungen groß
Detlef Kühn

Südkoreas Präsident Moon Jae-in hat sich eine politische Herkulesaufgabe aufgeladen. Denn er vermittelt im Atomwaffenstreit zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un, die nach ihrem spektakulären Treffen im Sommer in Singapur bald in Sprachlosigkeit verfallen waren. 

Zugleich unternimmt er einen erneuten Versuch, das Problem der Teilung Koreas, Ergebnis eines verheerenden Bürgerkriegs vor über 70 Jahren, endlich einer friedlichen Lösung näherzubringen. An dieser Frage sind mehrere seiner Amtsvorgänger in den vergangenen zwanzig Jahren gescheitert. 

Spekulationen über Kims Interessen

Noch immer besteht rechtlich Kriegszustand zwischen Nord und Süd. Nur ein Waffenstillstandsvertrag aus dem Jahr 1953 verhindert seitdem die Fortsetzung der Kampfhandlungen. An militärischen Zwischenfällen auch ernster Art wie der Versenkung eines  südkoreanischen Kriegsschiffes fehlte es dennoch nicht.

Natürlich hängen die beiden aktuellen Problemkreise – einerseits die atomare Aufrüstung des Nordens, andererseits die Bemühungen Moons um Milderung der Teilungsfolgen im Süden – auch eng zusammen. Fortschritte in einem Bereich gibt es nicht ohne solche im jeweils anderen. Das macht das Ergebnis des Gipfeltreffens zwischen Moon und Kim in Pjöngjang so interessant. 

Kim hat in einer gemeinsamen Erklärung mit Moon konkrete Abrüstungsschritte im atomaren und Raketenbereich beschrieben, die er vornehmen wolle, wenn entsprechende Gegenleistungen erbracht werden. Was Kim Jong-un darunter versteht, ist einstweilen noch Gegenstand von Spekulationen. Eine davon: der Süden soll im Norden investieren. Allerdings haben Trump und sein Außenminister Mike Pompeo bereits ihre Bereitschaft erklärt, auf dieser Basis weiter mit Nordkorea zu verhandeln. 

Sicherlich ist bei Gegenleistungen auch das wirtschaftlich leistungsfähige Südkorea gefragt, das sich grundsätzlich dazu bereit zeigt. Das setzt aber voraus, daß die von den Vereinten Nationen gegen Nordkorea verhängten Sanktionen zumindest gelockert werden, was wiederum eine entsprechende Bereitschaft Trumps erfordert. Also eine komplizierte Gemengelage von unterschiedlichen Interessen, bei denen außer den unmittelbar Beteiligten mindestens noch China, Rußland und Japan mitreden wollen.  

Vor diesem Hintergrund können sich die weiteren Ergebnisse des Moon-Besuchs in Pjöngjang durchaus sehen lassen. Die Sonderwirtschaftszone in Kaesong, nördlich der Waffenstillstandslinie gelegen und nur knapp hundert Kilometer von der südkoreanischen Hauptstadt Seoul entfernt, soll wiederbelebt werden. 

Die Präsidentin Park, Moons Vorgängerin im Amt, die abgesetzt wurde und jetzt wegen Korruptionsvorwürfen im Gefängnis sitzt, hatte sie im Rahmen der Sanktionspolitik geschlossen. Dies wurde von Beobachtern als Fehler betrachtet; denn damit wurde die wichtigste Begegnungsmöglichkeit von Tausenden nordkoreanischen Arbeitern mit Südkoreanern unterbunden.

Gemeinsame Geschichte wird wiederentdeckt

In Kaesong, einstmals die Hauptstadt des historischen Koreas, wird jetzt ein Verbindungsbüro der südkoreanischen Regierung eingerichtet, das dem Vernehmen nach der Staatssekretär im Vereinigungsministerium leiten wird.Darin liegt natürlich viel Symbolik, die aber vielleicht doch dazu beitragen kann, daß sich zwischen beiden Kontrahenten das gewisse Mindestmaß an Vertrauen entwickelt, das für weitergehende politische Absprachen unerläßlich ist. In diese Richtung zielte auch der gemeinsame Besuch der Moon- und Kim-Eheleute auf dem „heiligen“ Vulkan Paektusan unmittelbar an der nordkoreanisch-chinesischen Grenze, der in den Geschichtsmythen der Koreaner eine überaus bedeutende Rolle spielt.