© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 40/18 / 28. September 2018

Mit alles und Soße – und scharf
Erdogan: Der türkische Präsident besucht Berlin / Moscheeverband im Visier des Verfassungsschutzes
Peter Möller

Vermutlich ist es ganz nach dem Geschmack von Recep Tayyip Erdogan. Während des Staatsbesuchs des türkischen Präsidenten Ende dieser Woche in Deutschland wird das Berliner Regierungsviertel rund um Reichstag, Kanzleramt sowie das Hotel Adlon am Pariser Platz, in dem Erdogan übernachten wird, einem Hochsicherheitstrakt gleichen. Innerhalb des Sperrkreises dürfen Anwohner während des Staatsbesuchs ihre Balkone nicht betreten, Autos und Fahrräder werden entfernt. Insgesamt werden 5.000 Polizisten aus mehreren Bundesländern im Einsatz sein.

Zu einer Posse entwickelt sich bereits im Vorfeld das von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in Schloß Bellevue geplante Staatsbankett für den Gast aus der Türkei. Eine Reihe geladener Gäste verkündete öffentlichkeitswirksam, daß sie nicht an der feierlichen Veranstaltung teilnehmen werden. FDP-Partei- und Fraktionschef Christian Lindner begründete seine Absage in der Rheinischen Post mit dem Hinweis, er wolle „nicht Teil von Erdogan-Propaganda“ sein. Auch die Fraktionsvorsitzenden der AfD, Alice Weidel und Alexander Gauland, sowie Fraktionsgeschäftsführer Bernd Baumann und Parteichef Jörg Meuthen kündigten an, auf die Teilnahme am Bankett zu verzichten. 

Auch die Parteivorsitzenden der Grünen, Annalena Baerbock und Robert Habeck, sowie die Grünen-Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter sagten ab. Einen anderen Weg wählte der frühere Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir, der seine Teilnahme ostentativ zusagte. Zur Begründung sagte der Bundestagsabgeordnete dem Tagesspiegel, er wolle damit ein Signal sowohl in die Türkei als auch in die deutsch-türkische Gemeinschaft senden, das klarmache: „Die Opposition in Deutschland gehört zur Politik dieses Landes dazu, wir sind ein fester und notwendiger Bestandteil unserer Demokratie.“

Bei aller medialen Aufregung ist der Streit um das festliche Essen bei Kerzenschein doch nur eine diplomatische Randerscheinung. Weit gewichtiger ist der Hintergrund für die Auseinandersetzung um die für Samstag geplante Eröffnung der Großmoschee in Köln-Ehrenfeld durch Erdogan. Denn in der vergangenen Woche war bekanntgeworden, daß der von der türkischen Regierung gesteuerte Moscheeverband „Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion“ (Ditib), der den Kölner Prestige-Bau errichtet hat, vom Bundesamt für Verfassungsschutz daraufhin überprüft wird, ob er verfassungsfeindliche Ziele verfolgt. 

Imame beten für den Sieg der türkischen Armee 

Bereits zuvor hatte der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), angekündigt, nicht an der Moscheeeröffnung teilzunehmen. Dies sei nicht der geeignete Ort für den von ihm für notwendig gehaltenen „kritischen Dialog“ mit der Türkei. Stattdessen soll nun Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) an dem Festakt teilnehmen. Doch bis Anfang der Woche war noch unklar, ob Ditib auf die Bedingung Rekers eingehen wird, ihr die Gelegenheit zu einem Grußwort zu geben.

Daß die drohende Beobachtung von Ditib unmittelbar vor dem Staatsbesuch Erdogans an die Öffentlichkeit gekommen ist, halten Beobachter nicht für einen Zufall. Die deutschen Sicherheitsbehörden haben seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei einen Kurswechsel des Moscheeverbandes beobachtet. Seitdem fungiert die Organisation noch offener als zuvor als Machtinstrument der türkischen Regierung in Deutschland. Nach dem Putsch 2016 ermittelte der Generalbundesanwalt zeitweilig gegen 19 Ditib-Imame, wegen des Vorwurfs, Informationen über in Deutschland lebende Gegner der türkischen Staatsführung, etwa angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung, gesammelt zu haben (JF 9/17). Brisant aus Sicht der Geheimdienstler ist, daß der Auftrag für die Bespitzelung offenbar direkt von der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet gekommen ist.

Für deutschlandweites Aufsehen hatten nach dem Einmarsch der türkischen Armee in Nordsyrien zudem Bilder aus deutschen Moscheen gesorgt, auf denen Kinder in Uniform offenbar Schlachten nachspielten. Außerdem sollen Imame in Ditib-Moscheen für den Sieg gebetet haben. Für die Behörden ein deutlicher Hinweis darauf, daß der türkische Staat über Ditib versucht, in Deutschland politischen Einfluß auszuüben.

Die mögliche Einstufung der Ditib als verfassungsfeindliche Organisation wäre nicht nur aus Gründen der Inneren Sicherheit brisant. Denn Ditib ist jahrelang von deutschen Staat finanziell unterstützt worden. So sind im vergangenen Jahr aus dem Bundeshaushalt Fördermittel in Höhe von insgesamt knapp 1,3 Millionen Euro für Projekte ausgezahlt worden. Im Jahr davor waren es sogar 3,27 Millionen Euro. Insgesamt sollen zwischen 2014 und 2017 knapp sechs Millionen Euro an den Moscheeverband geflossen sein – ausgerechnet für die Präventionsarbeit gegen religiösen Extremismus. 

Doch damit ist jetzt Schluß. Nach der Aufdeckung der Spitzelaffäre wurde die finanzielle Unterstützung zunächst drastisch zurückgefahren. Nach Angaben des Bundesinnenministeriums sollte Ditib in diesem Jahr ursprünglich noch Fördermittel in Höhe von 297.500 Euro erhalten. Doch Ende August drehte die Bundesregierung den Geldhahn dann endgültig zu. Im neuen Bundeshaushalt sind keine Zahlungen an Ditib mehr vorgesehen. 





Ditib

Die 1984 in Köln gegründete Ditib ist der bundesweite Dachverband von etwa 960 Ortsgemeinden. Eigenen Angaben zufolge ist sie „heute die mitgliederstärkste Migrantenorganisation in der Bundesrepublik“. Die in Deutschland tätigen Ditib-Imame entsendet, bezahlt und beaufsichtigt die staatliche türkische Religionsbehörde Diyanet als ihr Dienstherr. Die Entsendung der Imame nach Deutschland erfolgt gemäß der allgemeinen Vorschriften zur Arbeitsmigration. Der an allen grundlegenden Fragen beteiligte und zumeist mit endgültiger Entscheidungsbefugnis ausgestattete Ditib-Beirat besteht ausschließlich aus Diyanet-Funktionären. Sie haben auch in den Ditib-Mitgliederversammlungen ein größeres Stimmengewicht als die Vertreter der Ortsgemeinden. Zudem sind die Vorstandsmitglieder des Ditib-Bundesverbandes gleichzeitig Mitglieder des Aufsichtsrates in den Landesverbänden. Wie sich diese Verflechtung auf lokaler Ebene auswirkt, behandelt eine gerade erschienene Schrift am Beispiel des geplanten Moschee-Neubaus in Hannover-Langenhagen:

Hermann Redel: Schwachstelle Christentum. Erdogan und der türkische Ditib-Islam unterminieren Deutschland. Lichtzeichen Verlag, Lage 2018, broschiert, 150 Seiten, 9,95 Euro