© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

Knapp daneben
Die Lufthansa schweigt nicht
Karl Heinzen

Dieses Land muß ein Land bleiben, mit dem man positive Bilder verbindet“, seufzt Carsten Spohr in aller Öffentlichkeit. Der Vorstandsvorsitzende der Lufthansa weiß, wovon er spricht. Bereits mehr als 10.000 Flüge, die sein Konzern zu verantworten hat, waren in diesem Jahr stark verspätet oder mußten ganz gestrichen werden. Vor allem die Tochter Eurowings hat sich hier einen Namen gemacht. Berichte über Touristen, die zum krönenden Abschluß ihres Urlaubs darauf warteten, daß man sie endlich nach Hause fliegt, sorgten weltweit für Schadenfreude.

Natürlich hat Spohr, dafür wird er schließlich bezahlt, für die Misere so manche Ausrede parat. Die Triebwerke der A320neo sind zu reparaturanfällig. Die Flughäfen ächzen vor Überlastung. Manchmal macht ein Gewitter, das heißt der Klimawandel, den Piloten zu schaffen. Früher, als es noch Air Berlin gab, verteilten sich die Probleme wenigstens auf mehrere starke Schultern.

Wie nur soll die Lufthansa ein Zeichen setzen, daß sie anders ist, daß sie zu denen gehört, die mehr sind?

Nun, da die Lufthansa das Gros der Hinterlassenschaften des ausgetricksten Konkurrenten zu tragen hat, ist man mitunter schon so an seine Grenzen geführt, daß den Kunden die Lust am Billigfliegen vergeht und man diesem Bedürfniswandel durch höhere Preise Rechnung zu tragen versucht. So sehr Spohr Fehlerkultur vorlebt und dabei insbesondere die Fehler der anderen nicht unerwähnt lassen kann, hat er doch Wichtigeres im Blick, wenn er von Bildern spricht, die Deutschland im Ausland schaden. Auch er will zu Chemnitz nicht schweigen.

Doch wie soll die Lufthansa ein Zeichen setzen, daß sie anders ist, daß sie zu denen gehört, die mehr sind? Spohr könnte verkünden, daß man Chemnitz nicht mehr anfliegt. Allerdings würden dann böse Zungen wohl erwidern, daß dies heute ja auch nicht geschieht. Auch könnte Spohr Schutzsuchenden anbieten, sie kostenlos nach Deutschland einzufliegen, wenn Maschinen nicht ausgebucht sind. Hier ist jedoch Vorsicht geboten. Die Engelsgeduld, die sich leiderprobte deutsche Fluggäste angewöhnt haben, kann von Passagieren aus anderen Kulturkreisen, in denen Leistungsversprechen etwas zählen, nicht erwartet werden.