© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

Gustav Heinemann als Geburtshelfer
Vor 50 Jahren gründete sich die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) mit dem politischen Segen des SPD-Justizministers
Karlheinz Weißmann

Im Frühsommer 1967 erschien in der Juristenzeitung ein Artikel Gustav Heinemanns mit dem Titel „Wiederzulassung der KPD?“. Der Verfasser, damals Justizminister, erwog in dem Text die Möglichkeit, die gestellte Frage mit einem „Ja“ zu beantworten, erklärte aber zuletzt, daß das 1956 vom Bundesverfassungsgericht ausgesprochene Verbotsurteil gegen die Kommunistische Partei Deutschlands nicht aufgehoben werden könne. Die Zulassung einer anderen kommunistischen Partei sei allerdings möglich.

Die deutlichste Kritik an der Position Heinemanns übte die liberale Öffentlichkeit. Im Spiegel, in der Zeit, aber auch in den Kreisen progressiver Juristen hielt man die Illegalität der KP für einen Ausdruck vordemokratischer Gesinnung. Auch das war ein Indiz für den politischen Klimawechsel, der sich anbahnte. Noch 1964 hatte die Parteiführung der SPD die Wiederzulassung der KPD entschieden abgelehnt, kurz zuvor war von dieser Seite sogar ein Verbot der wichtigsten Ersatzorganisation – der Deutschen Friedensunion (DFU) – verlangt worden.

Dieser Haltung lagen im Kern dieselben Argumente zugrunde, die schon während der Zeit der Weimarer Republik das Reichsgericht vertreten hatte, das die KPD ausdrücklich als „staatsfeindliche“ Organisation betrachtete. Sie agierte im Auftrag einer fremden Macht, der Sowjet-union, und unterstützte aktiv Maßnahmen, die den Umsturz der bestehenden Ordnung zum Ziel hatten. Während das Reichsgericht allerdings vor Konsequenzen zurückgescheut war, zog das Bundesverfassungsgericht die notwendige Folgerung aus dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie“, das vier Jahre zuvor schon für die Feststellung der „Verfassungswidrigkeit“ der Sozialistischen Reichspartei (SRP) ausschlaggebend gewesen war.

Allerdings trafen die Maßnahmen im Fall der SRP wie der KPD bereits geschwächte Gegner der Bundesrepublik. Die KPD, die nach eigenen Angaben bei Kriegsende mehr als 130.000 Mitglieder gehabt hatte und diese Zahl 1947 auf mehr als 300.000 steigern konnte, sah sich bis 1952 wieder auf den alten Stand zurückgeworfen. Im Verbotsjahr blieben gerade einmal 78.000. Von denen konnte man nach dem Verbot zehn Prozent zusammenhalten, deren Führung sicherheitshalber in Ost-Berlin saß und von dort aus für Geld, logistische Unterstützung und fallweise für Disziplinierung sorgte. Da es den Kommunisten nicht möglich war, in der Bundesrepublik offen aufzutreten, arbeiteten sie verdeckt, suchten nach Tarnorganisationen wie der DFU, arbeiteten an Allianzen mit anderen „demokratischen“ Kräften und infiltrierten den vorpolitischen Raum.

Wie erfolgreich diese Strategie war, ist schwer einzuschätzen. Aber ohne Zweifel hat sie ihren Teil zur Entstehung der „Außerparlamentarischen Opposition“ (APO) in den sechziger Jahren beigetragen und jene intellektuelle Atmosphäre mit vorbereitet, die im unerwarteten Wiederaufleben aller möglichen marxistischen und anarchistischen Weltanschauungen ihren Ausdruck fand. Obwohl es sich dabei um lauter divergierende Ansätze handelte, gab es Bestrebungen, die radikale Linke in einem Verband zusammenzuführen. Das kam einerseits dem Kontrollbedürfnis des Staates entgegen, der sich außerdem eine weitere Entspannung im Verhältnis zu DDR und Sowjetunion erhoffte, die regelmäßig gegen das KP-Verbot protestierten, nährte andererseits die Hoffnungen des KP-Untergrunds, den Linksruck, der durch die Gesellschaft, vor allem aber durch die junge Generation ging, zum eigenen Vorteil zu nutzen.

Entsprechende, seit 1967 eingeleitete Bemühungen in diese Richtung schlugen allerdings fehl. Weder kam es zur Bildung einer neuen Sammlungsbewegung links der SPD aus Kommunisten, heimatlosen Sozialisten und Undogmatischen, noch führte das Beharren der KP-Veteranen zum Erfolg, die die alte Partei einfach wiederhergestellt sehen wollten. Denn gegen diese Absicht leistete das Justizministerium hinhaltenden Widerstand, bot aber gleichzeitig (mit Wissen des Bundeskanzlers Kiesinger) Beratung in bezug auf die Programmatik einer alternativen Organisation. Maßgebend für diese Entscheidung war das achte Strafrechtsänderungsgesetz vom Mai 1968, das festlegte, daß man die Unterstützung kommunistischer Ersatzgruppierungen zukünftig erst dann verfolge, wenn der Tatbestand rechtskräftig festgestellt wurde. Damit war der Weg gebahnt für die Schaffung einer legalen kommunistischen Organisation in der Bundesrepublik, die am 24. September 1968 unter der Bezeichnung „Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP) zustande kam.

Daß die DKP-Führung faktisch aus ehemaligen KPD-Kadern bestand und diese darauf beharrten, es handele sich nicht um eine Neugründung, sondern lediglich um die „Neukonstituierung einer kommunistischen Partei“, war für die Entwicklung der DKP sowenig maßgeblich wie die formelle Anerkennung des Grundgesetzes. Den Ausschlag gaben vielmehr die strikte Abhängigkeit von DDR und Sowjetunion, das sklavische Bekenntnis zum Marxismus-Leninismus und die absurde Vorstellung, daß die Arbeiterschaft die entscheidende revolutionäre Kraft im Klassenkampf gegen den „Monopolkapitalismus der BRD“ sei. Der Partei gelang es jedenfalls nie, irgendwelchen Einfluß auf die Masse der Bevölkerung zu gewinnen, nur ihre „Bündnispolitik“ – im Hinblick auf Gewerkschaften und diverser „Bewegungen“ – und die Subversion im intellektuellen Bereich zeitigten gewisse Erfolge. 

In den Zusammenhang gehörte auch die Einflußnahme des der DKP angegliederten Marxistischen Studentenbundes Spartakus (MSB), der stärksten linken Gruppierung an den westdeutschen Hochschulen in den siebziger und achtziger Jahren, die bis zu 20 Prozent der Stimmen bei Wahlen zu studentischen Gremien auf sich vereinigen konnte. Die Erfolge des MSB hatten allerdings nichts zu tun mit dem, was die Mutterpartei zu erreichen imstande war, die bei Bundestagswahlen niemals mehr als 0,3 Prozent der Stimmen erreichen konnte (1972) und es auf Landesebene im besten Fall auf 3,1 Prozent (Bremen 1972) brachte.