© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

Gut beraten ohne Schein
Im Schwangerschaftskonflikt nicht allein: In Deutschland arbeiten Hunderte von Initiativen, die werdenden Müttern etwas viel Besseres anbieten wollen als die billigste Lösung
Christian Rudolf

Die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland entspricht in etwa dem Geburtendefizit. Die Statistik führt für 2017 exakt 101.209 Abtreibungen an. Jedes Jahr wieder ist die Zahl der Abbrüche vergleichbar hoch. Hinter jeder Abtreibung steht eine werdende Mutter, die keinen anderen Ausweg sehen konnte. Ihre Zwangslage davor und ihre Leiden danach entziehen sich jeder Statistik und Tabelle.

An dieser subjektiven Alternativlosigkeit der Abtreibung setzen Schwangerenberatungsstellen an, die ohne Wenn und Aber solidarisch mit der Mutter und ihrem ungeborenen Kind sind. Wegen dieses Grundsatzes stellen sie keine Beratungsscheine nach Paragraph 218a StGB aus, die zur straffreien Abtreibung berechtigen. Die auf dieser Seite gegebene Übersicht kann nicht den Anspruch haben, vollständig zu sein. Sie listet die größten oder bekanntesten Vereine, deren Arbeit für den Nächsten beinahe ausschließlich durch Spenden und bürgerschaftliches Engagement möglich gemacht wird. Die Zahl der Menschen in unserem Land, die mit Güte und Liebe verzweifelten Schwangeren zuhören und mit Tatkraft Lösungswege für ein Leben mit Kind erarbeiten, fügte sich auch in keine Tabelle.





Beratungsstellen im Schwangerschaftskonflikt

ALfA – Aktion Lebensrecht für alle e. V. 

Vorsitz: Alexandra Linder

Augsburg

 www.alfa-ev.de

1977 von Studenten gegründet als Reaktion auf die Neuregelung des § 218 mit Einführung der Indikationenregelung 1976. Die älteste westdeutsche Lebensrechts-Bürgerinitiative unterhält heute bundesweit 30 Regionalverbände, vorwiegend im Südwesten mit Schwerpunkt in Bayern, Baden-Württemberg und NRW. Im Osten gibt es in Leipzig und Cottbus Anlaufstellen. Wenn gewünscht, suchen die Beraterinnen die Schwangere auch zu Hause auf. Neben praktischen Hilfen (Tagesmutter, Babysitter, Hilfe im Haushalt, Begleitung) unterstützt ALfA junge Mütter mit Patenschaftsaktionen: Ein Sonderkonto steht für Baby-Erstausstattung, Kinderwagen, Hilfen zum Lebensunterhalt, Mietkaution usw. bereit. Je nach Einzelfall kann diese Begleitung bis zum 3. Geburtstag des Kindes gehen.



vitaL

Vorsitz: wie ALfA

 www.vita-l.de

 www.abtreibung.de

ALfA betreibt und finanziert die kostenlose und vertrauliche 24/7/365-Notrufnummer VitaL. Die 0800-Nummer ist seit 2001 geschaltet und aus Deutschland und Österreich erreichbar. Motto: „Du bist ungewollt schwanger, aber du bist nicht alleine.“ Ob Schock, ob Tränen, das Gefühl „Bloß nicht jetzt!“, totale Überforderung – die Beraterinnen hören zu und wissen: „In den meisten Fällen ist die Kraft einer Frau viel größer als ihre Angst.“ Für medizinische oder juristische Fragen steht ein Netzwerk von Fachleuten bereit. Auch über E-Mail kontaktierbar.

Telefon: 0800 / 36 999 63



Kaleb

Kooperative Arbeit Leben ehrfürchtig bewahren

Vorsitz: Sonja Fritzsch

Chemnitz

 http://kaleb.de

Dachverband von ursprünglich mehr als 40 dezentral arbeitenden Lebensrechtsgruppen aus der ehemaligen DDR, 1990 nach der deutschen Wiedervereinigung von aktiven Christen in Leipzig gegründet. Heute bundesweit organisiert mit 35 regionalen Anlaufstellen und Schwerpunkten in Chemnitz und Dresden.  Neben Beratung Unterstützung durch Kleiderkammern, Geldzuwendungen, Eltern-Kind-Gruppen und Erziehungskurse.

Kaleb steht für „Kooperative Arbeit Leben Ehrfürchtig Bewahren“, aber auch für den treuen Gefährten des Mose, der sich gegen schwere äußere Widerstände ganz an Gott hielt.



Pro Femina e. V.

Vorsitz: Kristijan Aufiero

Heidelberg

 www.profemina.org

Aus dem Verein „Die Birke“ heraus wurde 2009 das Projekt 1000plus gegründet, um Frauen im Schwangerschaftskonflikt da abzuholen, wo sie nach Informationen suchen: im Internet. Die Netzseite, die durch ihre Modernität besticht, bietet eine Fülle von Informationen, darunter ein „FAQ Abtreibung“, einen Online-Schwangerschaftstest sowie einen Online-Fragebogen zur Abtreibung, auf den nach Wunsch eine individuelle Rückmeldung gegeben wird. Pro Femina berät Frauen auf vielen Kanälen: mit einem Online-Bera-tungsteam im Pro-Femina-Forum, per E-Mail, tagsüber an Wochentagen telefonisch für Anrufer aus den deutschsprachigen Ländern, persönlich in den Beratungsstellen in Heidelberg, München und bald in Berlin. Die Beratung will mit Empathie von der Problem- zur Lösungsorientierung kommen. Darüber hinaus wird individuell zugeschnittene Hilfe angeboten: Beziehungsberatung, eine Tagesmutter für ein Jahr, ein zinsloses Darlehen für die Mietkaution einer größeren Wohnung oder Zuschüsse zum Lebensunterhalt.



Aktion Leben e. V.

Vorsitz: Walter Ramm

Weinheim

 www.aktion-leben.de

Nach Neuregelung des § 218 im Jahr 1976 entstand in Lindenfels im Odenwald die erste westdeutsche Modellklinik für Schwangerschaftsabbrüche unter der Leitung des Abtreibungsarztes Dr. Josef Zwick. Dagegen protestierte der Christliche Arbeitskreis Absteinach/Odenwald aus jungen katholischen Familien. Daraus entstand 1979 mit sieben Personen die Aktion Leben. Beratung von Frauen im Schwangerschaftskonflikt telefonisch und durch Hausbesuche, vorwiegend in der Region. Besonderheit: Seelsorge durch Priester in Zusammenarbeit mit Psychologen nach Abtreibung, Behandlung von Post-Abortion-Syndrom. Schwerpunkt der Arbeit liegt in der Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.



Weißes Kreuz e. V.

Vorsitz: Anka Reifert

Ahnatal bei Kassel

 www.weisses-kreuz.de

Das Weiße Kreuz berät konsequent auf biblisch-evangelischer Grundlage. Im Schwangerschaftskonflikt gibt es vielfache Hilfsangebote: von Beratung und Seelsorge die ganze Bandbreite finanzieller und materieller Unterstützung vor und nach der Geburt – Haushaltshilfen, Baby-Erstausstattung, Windelpatenschaften, Wohnungssuche. Die Beratungsstellen des Weißen Kreuzes sind über das gesamte Bundesgebiet verstreut. Das Weiße Kreuz wurde 1890 in Berlin aus der evangelischen Erweckungsbewegung heraus gegründet. Schwerpunkt der Arbeit liegt auf Sexualerziehung und Sexualethik, die auf biblischer Grundlage den Menschen als ganzen in den Blick nimmt.





Gehsteigberatung

Helfer für Gottes kostbare Kinder Deutschland e. V.

München

 www.kostbare-kinder.de

Mitarbeiter des 1999 gegründeten katholischen Vereins möchten Schwangere im letzten Augenblick noch erreichen – auf dem Weg vor der Abtreibungspraxis durch ein Gesprächsangebot, durch einen Handzettel. Ein Verbot der Gehsteigberatung durch die Stadt München wurde 2012 vom Verwaltungsgericht aufgehoben. Das Gericht bescheinigte den Lebensschützern, daß der Verein die Frauen immer angemessen und respektvoll angesprochen habe. Darüber hinaus unregelmäßig Gebetsvigilien in zwei Dutzend deutschen Städten für die Ungeborenen, für die Eltern, für das an Abtreibungen beteiligte Personal.



Hilfe bei Post-Abortion-Syndrom

Rahel e. V.

Vorsitz: 

Rheinstetten

 http://www.rahel-ev.de

Ein Schwangerschaftsabbruch, der als Lösung für ein Problem gedacht war, kann sich seinerseits zu einem großen Problem entwickeln. Entzündungen im Unterleib, Migränen, Depressionen, Schuldgefühle. Ein Tabu, über das öffentlich niemand spricht und von dem das Umfeld nichts ahnt. Die Mitarbeiter von Rahel haben nach eigenen Angaben alle eine Krise nach Abtreibung durchlitten. Rahel will Raum für die Trauer geben ohne professionell-psychologischen Anspruch. Austausch über Telefon, E-Mail oder persönlich.





Stiftungen

Stiftung Ja zum Leben

Stiftungsvorsitzende: Marie Elisabeth Hohenberg  

Meschede 

 http://ja-zum-leben.de

Fördert verschiedene Schwangerenberatungsstellen und Pro-Life-Organisationen. 31 verschiedene Träger erhielten 2017 insgesamt 120 Einzelbeträge. Fast die Hälfte der Fördergelder flossen an das zusammen mit den Vereinen Die Birke und Pro Femina ins Leben gerufene Projekt „1000plus“. Die Stiftung ist der Deutschland-Verantwortliche bei der Europäischen Bürgerinitiative „One of Us“. Die Förderstiftung (Mitglied im Bundesverband Lebensrecht) wurde 1988 von Johanna Gräfin von Westphalen gegründet. Nach dem Tod des langjährigen Geschäftsführers Manfred Libner leitet Rainer Klawki seit 1. September die Stiftung.




Politischer, gesellschaftlicher, juristischer Einsatz

Bundesverband Lebensrecht e. V. (BVL)

Vorsitz: Alexandra Linder

Berlin

 www.bundesverband-lebensrecht.de

2001 als Zusammenschluß deutscher Lebensrechtsorganisationen in Berlin unter anderem durch die Ärztin Claudia Kaminski mitgegründet. Der BLV „erfand“ 2002 den „Marsch für das Leben“ in Berlin, der seit 2008 jährlich stattfindet, zunächst als Trauer- und Schweigemarsch für die getöteten Ungeborenen unter dem Namen „1000 Kreuze für das Leben“. Mehr als ein Dutzend Organisationen gehören dem BLV an, darunter alle auf dieser Seite genannten Stellen (außer Caritas, Pro Femina und Kostbare Kinder). Der BLV wirkt über Weiterbildungen und Symposien in Gesellschaft und Politik hinein.



Christdemokraten für das Leben (CDL) e. V. 

Bundesvorsitz: Mechthild Löhr

 https://cdl-online.net

Die CDL hatte bis vor kurzem den Status einer Sonderorganisation in CDU und CSU. 1985 von Unionsmitgliedern gegründet, um die Embryonenschutzbewegung parlamentarisch zu verankern. Landesverbände in vielen Bundesländern, breitgefächerte Öffentlichkeitsarbeit. Zahlreiche Bundestags-, Landtags- und Europaabgeordnete sowie Kommunalpolitiker engagieren sich in der CDL, die auch Parteilose aufnimmt. Auf Wunsch Angela Merkels entzogen am 27. August 2018 Präsidium und Bundesvorstand der CDU neben anderen auch der CDL den Status als CDU-Sonderorganisation.



Juristen-Vereinigung Lebensrecht e. V.

Vorsitz: Prof. Dr. Christian Hillgruber

 https://juristen-vereinigung-lebensrecht.de

Mit öffentlichen Tagungen und Publizistik bieten Juristen verschiedener Fachrichtungen Sach­informationen zu Lebensrechtsfragen: Stellungnahmen zu Gesetzentwürfen, den Auswirkungen von Gesetzen sowie der einschlägigen Rechtsprechung. 1984 in Köln von damals sehr bekannten Verfassungsrechtlern und Strafrechtslehrern gegründet, um Rechtsfragen aufzuarbeiten, die sich im Zusammenhang mit dem Schutz des ungeborenen Lebens stellen. Die Zeitschrift für Lebensrecht ist eine Fundgrube auch für Nicht-Juristen. Sie erscheint seit 1992 und ist online als PDF verfügbar.



Ärzte für das Leben e. V.

Vorsitz: Prof. Dr. med. Paul Cullen

Marktoberdorf

 https://aerzte-fuer-das-leben.de

Die Gruppe von etwa 200 Medizinern meldet sich in bioethischen Debatten seit 1995 immer wieder kritisch zu Wort. Leitbild ist der Eid des Hippokrates. Als Ärzte verweigern sie konsequent die Teilnahme an Tötungshandlungen. Der Verein betreibt Aufklärung auch über die „Pille danach“, über Präimplantationsdiagnostik (PID), In-vitro-Fertilisation, Sterbehilfe, Organtransplantation und Hirntoddefinition.





Schwangerschaftskonfliktberatung der katholischen Kirche

Caritas

Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)

Freiburg

 www.caritas.de

 www.skf-zentrale.de

Der Deutsche Caritasverband ist als Wohlfahrtsverband der katholischen Kirche bundesweit aufgestellt. Die Schwangerenkonfliktberatungsstellen der Caritas und des Fachverbandes Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) verfügen mit knapp 300 Anlaufstellen in Wohnortnähe über den besten Organisationsgrad. Kontaktmöglichkeiten auch anonym über Telefon, Webformular oder im Chat. Der SkF betreibt eine Mutter-Kind-Einrichtung und mehrere „Babyklappen“. Auf Geheiß Papst Johannes Pauls II. entschieden die deutschen Bischöfe den  „Ausstieg“ aus der staatlich anerkannten Schwangerschaftskonfliktberatung. Daher stellen die Caritas-Beratungsstellen seit 2001 keine Beratungsnachweise mehr aus, um nicht am Prozeß des Schwangerschaftsabbruchs beteiligt zu sein. Der Wegfall öffentlicher Fördermittel konnte vielfach durch kircheneigene Mittel aufgefangen werden. Schwangere im Konflikt, die sich an die Caritas wenden, verfügen nach einer Studie häufig schon über einen Beratungsschein, wünschen sich aber weiter Rat aus katholischer Perspektive.