© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 39/18 / 21. September 2018

„Ich bin kein Einpeitscher“
Opposition organisieren: Der Parlamentarische Geschäftsführer Bernd Baumann zieht Bilanz
Christian Vollradt

Herr Dr. Baumann, erlauben Sie als Hamburger, zur Umschreibung Ihrer Position als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer (1. PGF) ein Bild aus der Seefahrt zu benutzen: Wenn die Fraktionsvorsitzenden die Kapitäne und Steuerleute auf der Brücke sind, könnte man Sie doch als Leitenden Ingenieur bezeichnen, der sich um den Maschinenraum kümmert?

Baumann: Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer organisiert das politisch-parlamentarische Gefecht der AfD im Bundestag. Unter den überkritischen Augen von Presse und Altparteien mußten wir diese Gefechts-fähigkeit vom ersten Tag an herstellen – wobei 83 von den 92 Abgeordneten noch keine parlamentarische Erfahrung hatten. Über das „1.PGF“-Büro laufen nun auch sämtliche Anfragen, Anträge und Gesetzesentwürfe - also alle parlamentarischen Initiativen. Es ist insofern auch „Maschinenraum“ unserer Fraktion. Die besondere Herausforderung war, daß wir anfangs nicht wie die Konkurrenz auf gut geölte, lang erprobte Fraktionsmaschinen zurückgreifen konnten, sondern diese bei rauher See und voller Fahrt erst von Grund auf neu bauen mußten. Von außen erfahren wir heute für unseren Auftritt in den Bundestagsdebatten viel Zuspruch. So sagen zum Beispiel selbst 37 Prozent der Wähler unseres politischen Gegners FDP, sie seien mit der Arbeit der AfD- Bundestagsfraktion zufrieden oder sehr zufrieden.

Wie man hört, sind noch nicht alle Mitarbeiterstellen besetzt, auch gibt es nach einem Jahr noch keinen Fraktionsgeschäftsführer. Wo klemmt´s da?

Baumann: In nur einem Jahr ist die Zahl der Fraktionsmitarbeiter von null auf 126 gewachsen. Ein großer Erfolg! Etliche Referenten kamen aus CDU, Bundestagsverwaltung oder Ministerien – weil es dort für Konservativ-Freiheitliche kaum noch Freiraum gibt. Nur noch rund 30 Stellen sind zu besetzen. Wir liegen mit unserer parlamentarischen Leistung bereits auf Anhieb vorn dabei: Bei den parlamentarischen Anfragen (siehe Infokasten) sind wir schon auf dem zweiten Platz – deutlich vor den Grünen oder der FDP.

Der 1. PGF gilt gemeinhin ja auch als „Einpeitscher“, der für Geschlossenheit in der Fraktion sorgen und interne Reibungsverluste verhindern soll. Wie funktioniert das im „gärigen Haufen“ AfD mit 92 basisdemokratisch-selbstbewußten Abgeordneten?

Baumann: Gerade weil sich die Bundestagfraktion der AfD aus vielen selbstbewußten und beruflich bereits erfolgreichen Persönlichkeiten zusammensetzt, verstehe ich mich nicht als „Einpeitscher“. Es braucht die freiwillige, vertrauensvolle Zusammenarbeit Vieler. Meine Aufgabe erfordert dabei bisweilen diplomatisches Gespür, da man zwischen den Interessen engagierter Abgeordneter, Arbeitskreisleiter, Ausschußvorsitzender und dem Fraktionsvorstand, dem ich selber angehöre, oft vermitteln muß.

Sie arbeiten organisatorisch auch mit den PGFs der anderen Fraktionen zusammen. Angesichts des zuweilen recht rüden Umgangstons im Plenum – wie ist das Klima zwischen Ihnen und den Kollegen?

Baumann: Meine Aufgabe ist es, gemeinsam mit den anderen Ersten Parlamentarischen Geschäftsführern für einen funktionierenden Ablauf der Sitzungswochen zu sorgen. Besondere Probleme werden im Ältestentrat ausgeräumt, dem ich auch angehöre. Dies hat das erste halbe Jahr besser geklappt als gedacht. Je mehr die politischen Gegner aber in Umfragen und Wahlen unter Druck geraten, desto härter und unfairer wird von manchem die Gangart. Die Wahl unseres Kandidaten zum Bundestagsvizepräsidenten wurde uns als größter Oppositionsfraktion verwehrt. Auch die Besetzung wichtiger Gremien verweigert man uns. Jetzt, nachdem wir eindrucksvoll zeigten, wie erfolgreich wir parlamentarisch sind, versuchen die Gegner unsere Räume weiter zu verengen. Auch eskalierende Beschimpfung und Stigmatisierungsversuche nehmen zu. Aber egal – was immer sie auch machen: Wir werden uns durchsetzen. Denn wir führen dieses Gefecht auf höchster Bühne – und für unser Land bleibt nicht mehr viel Zeit.






Dr. Bernd Baumann, geboren 1958, zog 2017 über die Landesliste der AfD Hamburg in den Bundestag und ist Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion.